Dieses Solidaritätsschreiben haben BVG-Busfahrer unterzeichnet, um ihre streikenden Kollegen in Hessen zu unterstützen.
Seit mehr als einer Woche streikt Ihr zu Tausenden im Bundesland Hessen gegen die schlechten Löhne und Arbeitsbedingungen. Zu 99 Prozent habt Ihr für einen unbefristeten Streik gestimmt und würdet ihn unvermindert fortsetzen, bis eure Forderungen erfüllt sind. Eure Wut und Euer Zorn sind absolut berechtigt!
Wir Busfahrer aus Berlin unterstützen Euren Streik und erklären hiermit unsere Solidarität mit Euch. Auch wir hier in Berlin sind mit extremer Arbeitshetze und miserablen Löhnen konfrontiert, die uns von der BVG-Spitze, den Vertretern des Landes Berlin und dem Kommunalen Arbeitgeberverband in Abstimmung mit den Verdi-Vertretern diktiert wurden.
Wie Euch in Hessen und uns in Berlin geht es allen Arbeitern in den Nah- und Fern-Verkehrsunternehmen. Wir sind mit ähnlich katastrophalen Arbeitsbedingungen und Niedriglöhnen konfrontiert. Und aus dem gleichen Grund gibt es auch die große Unterstützung und Solidarität aus der Bevölkerung, unseren Fahrgästen.
Wir sind davon überzeugt, dass Euch zehntausende Verkehrsarbeiter in anderen Ländern und Städten zur Hilfe eilen und mit eigenen Streiks unterstützen würden, wenn Verdi dies nicht verhindern würde.
Verdi ruft zu keinen weiteren Aktionen auf.
Grund dafür ist unserer Meinung nach: Verdi ist nicht unser Interessenvertreter, sondern ein Parasit, der von unseren Sorgen und Nöten lebt.
Unsere Kampfbereitschaft gegen die schlechten Löhne, gegen die langen Arbeitszeiten, die nicht bezahlten Pausen, die zu knapp bemessenen Fahrzeiten während der Rushhour wie während der Nachtzeiten, die gesundheitsschädlichen Wechseldienste, dienen Verdi lediglich zur Sicherung ihres eigenen Daseins.
Zutiefst verbunden mit dem Regierungsapparat – bei Euch mit den Grünen und der Opposition der Linken, bei uns in Berlin mit den regierenden Parteien SPD, Grüne und Linke – hat sich Verdi schon vor Jahrzehnten dazu aufgeschwungen, uns den Interessen der „Wettbewerbsfähigkeit“ zu unterwerfen.
Das ist der Grund für ihre lächerlichen Forderungen, für nur vage angebotene Tarif-Laufzeiten und ihrer völligen Ignoranz gegenüber den ebenso schlechten Arbeitsbedingungen in den vielen privaten Verkehrsunternehmen.
Doch was interessiert uns „Wettbewerbsfähigkeit“ des einen Verkehrsunternehmens gegen das andere Verkehrsunternehmen? In Wirklichkeit hängen an der „Wettbewerbsfähigkeit“ nicht unsere Arbeitsplätze, sondern unsere Gesundheit und letztlich unser Leben.
Der wohlverdienende Gewerkschaftssekretär und Verdi-Boss Jochen Koppel muss ja auch keinen Bus tagtäglich sicher und pünktlich durch den Stadtverkehr fahren!
Verdi behauptet im Chor mit der Arbeitgeberseite, dass nicht genug Geld zur Verfügung stünde, um den Verkehrsmitarbeitern einen anständigen Lohn und einen erschwinglichen Verkehr für die Allgemeinheit zu gewährleisten.
Gleichzeitig führen massiver Fahrermangel und die von Teilen der Politik und Wirtschaft geforderte „Mobilitätswende“ angesichts des Klimawandels zu minimalem Umdenken in Teilen der Wirtschafts- und Politikelite. Die durch die in den vergangenen Privatisierungen gesenkten Löhne sollen nun begrenzt erhöht werden, natürlich nur mit dem „Blick auf Wirtschafts- und Kaufkraft“, wie Koppel der Frankfurter Allgemeine Zeitung gegenüber erklärte.
Allein in Frankfurt gäbe es genügend Einzelpersonen, die den von den Arbeitern geforderten Betrag von wenigen Millionen Euro aus ihrem persönlichen Geldbeutel begleichen könnten.
Und jetzt – würgt Verdi den Streik ab! Ab Montag zur Frühschicht müssen die Busse wieder aus den Depots.
Dieselben Verräter wie schon vor drei Jahren mit dem schon damals als Schlichter eingesetzten Volker Sparmann vom Grünen-geführten Hessischen Verkehrsministerium sollen einen Schlichterspruch herbeiführen. Vor drei Jahren bedeutete dies eine Lohn-„Erhöhung“ von 50 Cent pro Jahr!
Was „Schlichtungsverfahren“ heißt, wissen alle Arbeiter: Es bedeutet, den Arbeitskampf und seine weitere Ausdehnung zu verhindern.
Deshalb fordern wir: Nehmt Verdi den Streik aus der Hand! Gründet gewerkschaftsunabhängige Aktionskomitees und wendet euch an die Hunderttausenden Kollegen und Arbeiter in der Bevölkerung! Nehmt Kontakt zu uns und der World Socialist Web Site (wsws) auf, die Euch als einzige politisch unterstützt. (Fügt hinter den Namen das Stichwort „Busfahrer“ an.)
Ahmet Asildas
C.K.
Yilmaz Ebrahamoglu
Jörg Drossel
Sefa Almaz
E.J.
Jacob Bozan
und Andy Niklaus
(alles Busfahrer in Berlin)