„Shusenjo: The Main Battleground of The Comfort Women Issue“ von Dezaki Miki

Ein Film über Kriegsverbrechen und Geschichtsrevisionismus in Japan

Am 22. November hat der japanisch-amerikanische Regisseur Dezaki Miki in Leipzig seinen 2018 erschienenen Dokumentarfilm „Shusenjo: The Main Battleground of The Comfort Women Issue“ vorgestellt. Der Film wird nach einer US-Tour im letzten Jahr seit Sommer diesen Jahres an verschiedenen europäischen Universitäten vorgeführt.

Er handelt von den sogenannten „Trostfrauen“ (auf englisch „comfort women“), die für die japanischen Kriegsbordelle des Zweiten Weltkrieges zwangsprostituiert wurden. Die meisten von ihnen stammen aus Korea und China. Das Thema sorgt seit Jahrzehnten immer wieder für Spannungen zwischen Südkorea und Japan.

Dezaki interviewt in seinem Film Geschichtsrevisionisten, die aus dem rechten Milieu stammen, Politiker, Historiker, die sich mit den Trostfrauen befasst haben, sowie Aktivisten, die sich für die Anerkennung der Überlebenden einsetzen.

Nach der Veröffentlichung des Films, den Dezaki im Rahmen seines Masterabschlusses und mit eigenen Mitteln und einem Kickstarter finanzierte, wurde er von fünf der Interviewten verklagt. Diese hatten im Film die historische Verantwortung des japanischen Staates für die Trostfrauen und die Umstände ihres Aufenthalts in den Bordellen abgestritten. Dezaki erhielt zudem mehrere Drohschreiben, und der Vertreiber seines Films wurde ebenfalls von einer rechtsextremen Organisation, die im Film auftaucht, verklagt.

Ein Filmfestival der Stadt Kawasaki im Großraum Tokio wollte die Aufführung nach Drohungen von rechts absagen, da die Sicherheit nicht gewährleistet werden könne. Dank dem Engagement von Freiwilligen und der Kritik von anderen Künstlern – wie Kazuya Shiraishi und dem renommierten Regisseur Hirokazu Koreeda („Shoplifters,” „The Truth”) – wurde er doch aufgeführt.

Die erste Szene zeigt einen Nachrichtenausschnitt von Dezember 2015, in dem eine Überlebende, Lee Yong-Su, einen Angestellten des koreanischen Außenministeriums bei einer Pressekonferenz konfrontiert, kurz nachdem eine „Vereinbarung“ bezüglich der Trostfrauen zwischen Japan und Südkorea getroffen worden war.

Diese Vereinbarung war auf Drängen der damaligen Obama-Administration in Washington in die Wege geleitet worden, die den Konflikt zwischen ihren zwei wichtigsten Alliierten in Nordostasien als Bedrohung für ihre Konfrontation mit Nordkorea und China ansah.

Lee Yong-Su ist außer sich und klagt den Beamten an: „Wer bist du? Was machst du? Warum musst du uns ein zweites Mal umbringen? Musst du etwa mein Leben leben? Bevor irgendwelche Vereinbarungen getroffen werden, hättet ihr nicht mit den Opfern sprechen sollen? Du denkst, wir sind alt und wissen von nichts.“

Die Vereinbarung bot nur eine äußerst begrenzte, „moralische“ Entschuldigung für die Trostfrauen und eine Spende von 1 Milliarde Yen (8,3 Millionen Euro) für einen Fonds, der zwischen den Opfern aufgeteilt werden sollte. Die Entschuldigung erkannte nicht die volle Verantwortung des japanischen Militärs an, obwohl diese von Historikern wie Yoshiaki Yoshimi mit historischen Dokumenten nachgewiesen wurde.

Anschließend widmet sich der Film der Auseinandersetzung mit den Aussagen der Geschichtsrevisionisten, die den Erklärungen von Historikern und Aktivisten gegenübergestellt werden.

Die Revisionisten argumentieren zum Beispiel, dass die Zeugenaussagen der Überlebenden „inkonsistent“ und damit unzuverlässig seien. Auch behaupten sie, es habe zwar Prostitution gegeben, die Frauen hätten sich jedoch frei dazu entschieden und seien „gut kompensiert worden“, u.a. mit „Luxusgütern und Restaurantbesuchen“. Die Trostfrauen werden als südkoreanische und chinesische Erfindung und „anti-japanische“ Propaganda abgetan. Die Zuschauer im Hörsaal reagierten mehrmals hörbar abgestoßen auf die Aussagen der Trostfrauen-Leugner.

Die Historiker und Aktivisten erklären im Film, dass ehemalige Trostfrauen u.a. in Südkorea stigmatisiert wurden und sich erst viel später trauten, mit ihren Aussagen an die Öffentlichkeit zu treten. Ferner sei die begrenzte Dokumentation eine Folge davon, dass fast 70 Prozent der japanischen Militärunterlagen auf Anordnung des Kaisers vernichtet wurden. Die Schätzungen der Anzahl von Trostfrauen werden anhand erhaltener Dokumente getroffen, die das Verhältnis von Soldaten in einem bestimmten Gebiet zu der Anzahl an Frauen und ihrer Ersatzquote enthalten.

Besonders ergreifend ist das Interview mit einem ehemaligen Soldaten der kaiserlichen japanischen Armee. Er erklärt dem Regisseur zur Stellung von Frauen vor und während dem Zweiten Weltkrieg in Japan: „Frauen waren vor dem Krieg, vor der Nachkriegsverfassung nicht menschlich. Nippon Kaigi möchte wieder dahin zurück.“. Er berichtet von furchtbaren Kriegsverbrechen an chinesischen Gefangenen, an denen er sich beteiligen musste.

Nippon Kaigi, übersetzt „Japan Konferenz“, ist eine ultrarechte Lobby-Organisation, zu der ein großer Teil des Kabinetts von Shinzo Abe, des japanischen Regierungschefs, und mehrere Parlamentsabgeordnete zählen. Abe selbst ist ihr sogenannter Sonderberater.

Nippon Kaigi tritt für die Rückkehr zur Monarchie der Meiji-Zeit, die Abschaffung von Frauenrechten, den Staats-Shinto, die Remilitarisierung Japans und eine patriotische Schulbildung ein. Sowohl Shinzo Abe wie Nippon Kaigi unterstützen staatliche Besuche des Yasukuni-Schreins, in dem Gefallenen aus dem Zweiten Weltkrieg einschließlich 14 Kriegsverbrechern der Klasse A gedenkt wird.

Eine der Stärken des Films besteht darin, dass er die Verflechtungen zwischen rechtsextremen Organisationen in Japan und den USA, dem japanischen Staatsapparat und Geschichtsfälschern klar aufzeigt.

Dezaki zeigt, wie insbesondere nach der Kono-Erklärung 1993, die erstmals die Schuld der kaiserlichen japanischen Armee am Trostfrauen-System eingestand, eine gezielte Kampagne von rechtsextremen Gruppen und der japanischen Regierung betrieben wurde, um die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges zu relativieren.

2006 ließ Abe eine Bildungsreform verabschieden, die explizit die Förderung von Patriotismus als Grundziel der Schulbildung etablierte. Des weiteren entwickelte die Regierung eine Praxis, japanische Schulbücher, die von Privatfirmen hergestellt werden, aufgrund „gravierender Fehler“ ohne weitere Angaben abzulehnen. Dies bewegte die Firmen dazu, „unbequeme“ Tatsachen zu zensieren, um die Verkaufszahlen aufrechtzuerhalten.

Auch in den Medien findet Zensur statt. Zum Beispiel entfernte der öffentliche Sender NHK auf Druck von Shinzo Abe und rechten Gruppen die Zeugenaussagen aus einer Fernsehausstrahlung des „Women’s International War Crimes Tribunal on Japan’s Military Sexual Slavery“ im Jahr 2000.

Hideaki Kase ist eine zentrale Figur in diesem Netzwerk aus Pseudohistorikern, rechtsextremen Aktivisten und Politikern. Kase ist Mitglied oder besetzt Führungspositionen in „Global Alliance for historical truth“, „Society for Dissemination of Historical Fact”, „Alliance for Truth about Comfort Women” und Nippon Kaigi. Er hat unzählige Bücher verfasst und revisionistische Filme mitproduziert, tritt in Talkshows auf und fungierte als „Sonderberater“ für Premierminister Takeo Fukuda und Yasuhiro Nakasone.

Kase, der u.a. behauptet, das Nanking Massaker habe nicht stattgefunden, antwortet auf die Frage des Regisseurs, ob er die zwei bekanntesten Trostfrauen-Historiker kenne, schlicht mit: „Ich lese keine Bücher von anderen Menschen“. Im gleichen Interview bezeichnet er Südkorea als „süß“ und „wie ein ungehorsames Geschwisterchen“. Ihm zufolge hat Japan im Zweiten Weltkrieg einen „nationalen Selbstverteidigungskrieg“ geführt.

Ähnlich wie in Deutschland und anderen Ländern wird die Geschichtsfälschung in Japan gebraucht, weil es in der japanischen Bevölkerung eine tiefe Opposition gegen Krieg gibt. Als Shinzo Abes Großvater, der Kriegsverbrecher Nobusuke Kishi, von den USA 1948 aus der Haft entlassen wurde, um den Remilitarisierungskurs in Japan anzuleiten, gab es massive Proteste dagegen.

Dezaki Miki bemerkte in der Fragen-und-Antworten Runde nach der Vorführung: „Ich hatte diese Frage von Anfang an – warum versuchen diese Menschen die Geschichte auszulöschen? Das führte mich zu Nippon Kaigi, und ich fand heraus, dass es darum geht, einen Mythos von Japan zu kultivieren, in welchem Japan noch nie etwas Falsches getan und nur ‚Friedenskriege‘ geführt hat. Nehmen wir an, Sie möchten Soldat werden, dann würden sie nicht glauben wollen, dass Ihr Land einen Krieg um Öl führt, wie es die USA tun. Wir kämpfen für den Frieden, nicht wahr? Die Geschichte wird revidiert, damit die Menschen patriotischer werden.“

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