Veranstaltung der IYSSE zur StuPa-Wahl an der Humboldt-Universität

75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg: Wie Krieg und Faschismus ideologisch vorbereitet werden

Am Dienstag kamen über 60 Studierende zur zweiten Veranstaltung der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) im Rahmen der diesjährigen StuPa-Wahlen an der Humboldt-Universität Berlin. Der Autor des Buchs „Warum sind sie wieder da?“, Christoph Vandreier, sprach darüber, wie Krieg und Faschismus 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ideologisch vorbereitet werden.

Ein Ausschnitt der Veranstaltung an der HU

Vandreier erklärte gleich zu Beginn, dass rechtsradikale Kräfte schon immer bemüht gewesen seien, die Geschichte zu fälschen und die Verbrechen der Nazis zu verharmlosen. „Aber in den letzten Jahren sind diese Versuche von breiten Teilen der Medien und Politik aufgegriffen und unterstützt worden“, so Vandreier. Hier spiele die Humboldt-Universität eine zentrale Rolle.

Der stellvertretende Vorsitzende der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) ging ausführlich auf einen Artikel ein, der im Februar 2014 unter dem Titel „Der Wandel der Vergangenheit“ im Spiegel erschienen war. Darin wurde der mittlerweile emeritierte Humboldt-Professor Herfried Münkler mit der Aussage zitiert, dass Deutschland im Ersten Weltkrieg keine imperialistischen Interessen verfolgt habe.

Vor allem aber sei der Osteuropa-Historiker der HU, Jörg Baberowski, zu Wort gekommen, der den bis dahin bekanntesten Nazi-Apologeten Ernst Nolte verteidigte und als Begründung anführte: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“

Vandreier sezierte diesen Satz und zeigte auf, welch groteske Geschichtslügen und Verharmlosungen ihm zugrunde liegen. „Wenn Hitler nicht grausam war, hat dieses Wort keinerlei Bedeutung mehr“, erklärte er. Er zitierte den Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano, dass es sich bei Grausamkeit um ein Mordmerkmal handle, das fraglos für den Holocaust gelte und bei den Nürnberger Prozessen entsprechend Anwendung fand.

Mit zahlreichen Zitaten wies Vandreier nach, dass sich die Verharmlosung und Relativierung des Holocaust und des Vernichtungskriegs der Nazis wie ein roter Faden durch Baberowskis Werk zieht. Zuletzt war eine Woche zuvor ein Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen, der Baberowski verteidigte und mit den Worten zitierte, dass Hitler „nichts von Auschwitz habe wissen wollen“.

Christoph Vandreier spricht auf der Versammlung

„Dass dieser Satz in einer der größten deutschen Zeitungen erscheinen kann, ist erneut ein Skandal“, erklärte Vandreier. „Es ist das alte Argument von Nazi-Apologeten, die behaupten, der Holocaust sei ohne Hitlers Wissen in die Tat umgesetzt worden.“ Zum Beleg führte er die Gutachten an, die der Historiker Peter Longerich für den Prozess um den Holocaust-Leugner David Irving verfasst hatte. Diese belegten, „dass die Ermordung der europäischen Juden das Ergebnis einer systematisch betriebenen Politik war und dass diese Politik maßgeblich von der höchsten Autorität des ‚Dritten Reichs‘, Adolf Hitler, verfolgt wurde“.

Im weiteren wies Vandreier nach, dass Hitler nicht nur wichtige Befehle zur Vernichtung der Juden am Esstisch gegeben, sondern sich anschließend auch extra erstellte Filme der größten Bestialitäten der SS hatte vorführen lassen. Er führte zahlreiche Zitate von Hitler und dem Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, an, die eindeutig belegen, dass Hitler den Befehl zur Vernichtung der jüdischen Männer, Frauen und Kinder gegeben hatte und dabei mir größter Grausamkeit vorgegangen war.

Viele Teilnehmer reagierten schockiert, als Vandreier berichtete, dass Baberowskis Hitler-Verharmlosung im Spiegel über Jahre hinweg von keinem einzigen Professor kritisiert worden war. „Ganz im Gegenteil wurde Baberowski von der Bundesregierung und den meisten Medien gegen jede Kritik verteidigt. Es waren die IYSSE, die wegen ihrer Kritik an der Geschichtsfälschung attackiert wurden.“

„Am 4. Mai dieses Jahres soll ein weiterer Schritt unternommen werden, die Geschichtsfälschung Baberowskis zur Staatsdoktrin zu machen“, erklärte Vandreier. An diesem Tag veranstalte die Stiftung Sächsischer Gedenkstätten eine Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs, zu der neben der CDU-Vorsitzenden und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer Jörg Baberowski geladen sei, um den Hauptvortrag zu halten.

Man könne diese horrende Geschichtsfälschung und die Rehabilitierung rechtsradikalen Gedankenguts nur mit der Verschärfung der kapitalistischen Krise erklären, führte der Redner aus. „Um zu einer Politik von Krieg und extremer Ungleichheit zurückzukehren, müssen die Herrschenden erneut zu autoritären und letztlich faschistischen Methoden greifen und die Verbrechen der Vergangenheit verharmlosen.“

Die Professoren Münkler und Baberowski seien auch federführend daran beteiligt, für die Rückkehr zum Militarismus zu werben und Kriegshetze zu betreiben. Während Münkler die Bundesregierung auffordere, „Zuchtmeister Europas“ zu werden, und Politiker, die von Menschenrechten sprechen, als „Bonbon-Lutscher“ beleidige, erkläre Baberowski, dass man den Krieg gegen den Terror nur gewinnen könne, wenn man breit sei, „Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten“.

Der Spitzenkandidat der IYSSE bei den StuPa-Wahlen, Sven Wurm, ergänzte den Vortrag mit einigen konkreten Entwicklungen, die das Ausmaß der Wiederbelebung deutscher Großmachtpolitik und der sozialen Angriffe verdeutlichten. „Die illegale Ermordung des iranischen Generals Soleimani Anfang Januar sowie die Libyen-Konferenz am vergangenen Wochenende in Berlin markieren eine neue Qualität von Großmachtstreben und imperialistischer Gewalt“, so Wurm.

Die IYSSE träten dem wachsenden Militarismus mit einer sozialistischen Perspektive entgegen und führten einen unnachgiebigen Kampf gegen Geschichtsfälschung und die Verharmlosung der Nazi-Verbrechen an der HU. „Deshalb rufe ich Euch alle auf, diesen Kampf zu unterstützen“, erklärt der Spitzenkandidat.

Im Anschluss entwickelte sich eine lebhafte Diskussion. Die Anwesenden stellten Fragen zum Charakter des Faschismus, zur Geschichte der Arbeiterbewegung und zum Untergang der Weimarer Republik. Die Diskussionen wurden noch lange nach dem offiziellem Ende der Veranstaltung in den Gängen fortgesetzt, und viele Teilnehmer deckten sich mit Plakaten und Flyern für den Wahlkampf zum Studierendenparlament ein.

Die nächste und letzte Veranstaltung im Rahmen der Wahl findet am kommenden Dienstag um 18:30 Uhr zu den neuen Klassenkämpfen und der Perspektive des internationalen Sozialismus statt. Informationen über die Stimmabgabe und eine Liste der Wahllokale finden sich hier.

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