Ungarns Regierung nutzt Coronavirus-Epidemie für rassistische Kampagne

Wie im Rest Europas breitet sich der Corona-Virus auch in Ungarn rapide aus. Die rechte Regierung von Victor Orban reagiert mit einer rassistischen Kampagne und versucht so, die eigene Untätigkeit und Verantwortung für die Ausbreitung der Infektion zu verschleiern.

Die Fidesz-Regierung hat erst in der vergangenen Woche Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Covid-19-Infektionen getroffen, nachdem Orban zuvor mit der ihm eigenen Mischung aus Dummheit, Ignoranz und Dreistigkeit die Krise heruntergespielt hatte.

Mittlerweile sind die Grenzen zu Österreich und Slowenien geschlossen. In Kürze sollen alle anderen Staatsgrenzen ebenfalls geschlossen werden. Darüber hinaus wird der Flugverkehr an den internationalen Flughäfen des Landes eingestellt. Ungarn dürfen weiterhin einreisen, werden jedoch 14 Tage unter Quarantäne gestellt. Reisenden aus Italien, China, Südkorea und dem Iran wurde die Einreise grundsätzlich untersagt. In einem Radiointerview hat Orban jüngst erklärt: „Die Seuche haben Ausländer nach Ungarn gebracht.“

Als weitere Maßnahme sind Universitäten, Theater und Kinos geschlossen worden. Größere Veranstaltungen dürfen nicht stattfinden. Auf die Frage, warum die Universitäten, nicht aber die Schulen geschlossen werden, entgegnete Orban, dort seien „viele Fremde“. Sollte es zu Schulschließungen kommen, müssten die Lehrerinnen und Lehrer in unbezahlten Urlaub geschickt werden und das Schuljahr sei zu Ende, so Orban.

Zoltán Lomnici, Sprecher des rechtsradikalen Forums Ziviler Zusammenschluss (CÖF), einer Organisation, die von der Regierung großzügig finanziert wird, postete auf der Facebook-Seite des CÖF: „Das Virus breitet sich in den Einwanderungsländern schneller aus. Dies gibt der ungarischen Migrationspolitik recht. Damit ist die Theorie der offenen Gesellschaft von George Soros total gescheitert.“ Der Verweis auf den jüdischen Milliardär Soros, den auch Orban selbst häufig beschimpft, richtet sich an eine antisemitische, faschistische Basis.

Tatsächlich war die erste mit Covid-19 infizierte Person in Ungarn ein iranischer Student, diese Gruppe wurde allerdings auch als Erste getestet. Ungarn, die als Touristen oder Arbeiter aus Norditalien und Südtirol zurückkehrten und sich auf das Coronavirus testen lassen wollten, wurden dagegen von den Behörden abgewiesen. Mittlerweile gibt es 16 offiziell bestätigte Fälle in Ungarn. Da aber kaum die Möglichkeit besteht, Tests durchzuführen, kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Zahl weit höher liegt.

Mit welcher Gleichgültigkeit und Brutalität die ungarische Regierung mit dem Erreger umgeht, macht der Fall zweier iranischer Studenten deutlich. Sie wurden aus Ungarn ausgewiesen, weil sie angeblich ein Krankenhaus verlassen wollten, in dem sie wegen Corona-Infektion in Quarantäne bleiben mussten, wie das Innenministerium am Freitag mitteilte. Die beiden wurden unter Vernachlässigung aller Infektionsschutzmaßnahmen von der nationalen Einwanderungsbehörde umgehend an die ungarische Grenze transportiert, wo es keine auch nur annähernd adäquate medizinische Versorgung gibt. Erst dort wurde ihre Ausweisung ausgesetzt. Weiter wurde den Männern die Rückkehr nach Ungarn für drei Jahre verboten.

Während die Regierung Orban kaum Schutzmaßnahen traf, schaffte sie das Asylrecht mit Verweis auf das Corona-Virus bereits Anfang des Monats völlig ab. Die sogenannten Transitzonen an der Grenze zu Serbien sind bis auf Weiteres geschlossen. Die über 300 internierten Flüchtlinge harren unter menschenunwürdigen Bedingungen dort aus, ihre Verfahren werden aber nicht weiterbearbeitet. Orban und andere Regierungsvertreter hatten behauptet, es sei „wahrscheinlich“, dass die Flüchtlinge das Corona-Virus nach Ungarn bringen.

„Wir stellen eine Verbindung zwischen dem Corona-Virus und illegalen Migranten fest“, erklärte der nationale Sicherheitsbeauftragte der Regierung Gyorgy Bakondi. Am Freitag verteidigte Orban die Maßnahme erneut. „Wir führen einen Zweifrontenkrieg. Eine Front ist die Migration und die andere das Corona-Virus, zwischen beiden gibt es eine logische Verbindung, da beide durch Bewegung verbreitet werden“, sagte Orban am Freitag.

Fidesz-Sprecher Istvan Hollik erklärte, von Migranten gehe nicht nur eine „Gefahr des Terrorismus“ aus, sondern sie kämen auch aus „Schwerpunktgebieten“ des Coronavirus. Man könne die Sicherheit der ungarischen Bevölkerung nicht aufs Spiel setzen und sage daher weiter „Nein“ zu Immigration, schrieb Hollik auf Facebook.

Diese Aussage ist ebenso ekelhaft und wie unwahr. Selbst von den 16 bisher bestätigten Fällen betreffen nur drei Ausländer. An der Grenze zu Serbien, nur wenige Meter von der Transitzone Roszke entfernt, finden bislang keinerlei Test bei der Einreise statt, obwohl in Serbien Infektionen gemeldet wurden. Eine davon bei einem Mann, der kürzlich mehrfach nach Budapest gereist war.

„Ungarns Premier Viktor Urban nutzt den Ausbruch des Corona-Virus, um in Ungarn das Asylrecht abzuschaffen“, bemerkte dazu Gerald Knaus vom Thinktank European Stability Initiative. Menschenrechtsorganisationen sehen in der Maßnahme die Fortführung der „Hass-Kampagne“ gegen Flüchtlinge, die Orban seit Jahren betreibt.

Auch in mehreren anderen ost- und südosteuropäischen Ländern versuchen die rechten und verhassten Regierungen, von ihrer Verantwortung für die sich ausbreitende Krise abzulenken, indem sie Flüchtlinge zu Sündenböcken machen.

In Kroatien erklärte Gesundheitsminister Vili Beros, Migranten seien ein „potenzielles“ Risiko und die EU müsse eine Lösung dafür finden. Im Land gab es bis Freitag 32 bestätigte Corona-Fälle.

In Serbien erklärte Präsident Aleksandar Vucic, das Land werde kein „Parkplatz” für Migranten sein. Die Regierung wies das Gesundheitsministerium an, Migranten grundsätzlich unter Quarantäne zu stellen. Bis Freitag haben sich in Serbien 31 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Möglicherweise wird die für den 26. April vorgesehene vorgezogene Parlamentswahl verschoben.

Gerade für die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens bedeutet eine flächendeckende Ausbreitung des Covid-19-Erregers eine soziale Katastrophe. Das ehemals gut ausgebaute Gesundheitssystem wurde in den letzten 25 Jahren systematisch zerstört. „In den Kliniken fehlt es an allem, nicht nur an Medikamenten, an Reinigungsmitteln und natürlich an Personal. In den vergangenen Jahren haben in fast allen Nachfolgestaaten geschätzt mindestens 50 Prozent der ÄrztInnen und Krankenschwestern das staatliche System verlassen“, berichtet die Taz.

In den Kliniken mangelt es buchstäblich an allem. Ausreichend Test fehlen ebenso wie Laborkapazitäten. Isolierzimmer gibt es nur wenige in einigen großen Kliniken. Überall „fehlt es an Schutzkleidungen für das Personal. Seitdem sich Deutschland weigert, Schutzkleidungen und Mundschutz außerhalb der EU zu exportieren, sind Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Nordmazedonien und Albanien der auf sie zurollenden Corona-Epidemie fast schutzlos ausgeliefert,“ bemerkt die Taz dazu.

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