Julian Assange noch in Untersuchungshaft, während sich Covid-19 in britischen Gefängnissen ausbreitet

Julian Assanges Leben ist in großer Gefahr. Vor einer Woche lehnte das Gericht seinen Antrag ab, wegen Covid-19 auf Kaution freigelassen zu werden. Seither breitet sich das Coronavirus in den britischen Gefängnissen auf alarmierende Weise aus.

Der WikiLeaks-Gründer Julian Assange [AP Photo / Matt Dunham]

Der WikiLeaks-Gründer wird nur deshalb im Belmarsh-Gefängnis festgehalten, weil er Kriegsverbrechen aufgedeckt hat. Das ist der einzige Grund, warum er an die USA ausgeliefert werden soll. Dabei hat Assange ein chronisches Lungenleiden, und die jahrzehntelange gnadenlose Verfolgung durch den britischen Staat hat ihn gesundheitlich ruiniert.

Unaufhaltsam breitet sich das Coronavirus in den Gefängnissen aus. Bereits am Montag wurden 55 Häftlinge in 21 britischen Gefängnissen positiv getestet, und 18 Gefängnismitarbeiter und vier Begleitpersonen hatten sich angesteckt. Die Zahl der Gefangenen, die als infiziert gemeldet wurden, hatte sich in nur drei Tagen verdoppelt. Laut dem Daily Mirror befinden sich am Donnerstag rund 6.000 Gefängnis- und Bewährungshelfer in Selbstisolierung – das sind 12 Prozent der Belegschaft. Zwei Gefangene sind dem Virus bereits erlegen, der erste am 22. März und der zweite am 26. März.

Das Rikers-Gefängnis in New York zeigt, wohin die Reise geht. In diesem Gefängnis wurden am 31. März 180 Personen bei einer Belegung mit 4.604 Personen als infiziert gemeldet. Damit hat das Gefängnis eine achtmal höhere Infektionsrate als die übrige, bereits schwer betroffene Stadt aufgewiesen.

In Großbritannien reagieren die Behörden barbarisch, indem sie Gefangene, die Coronavirus-ähnliche Symptome wie Fieber oder Husten aufweisen, mit bestätigten Fällen von Covid-19 „in großer Zahl“ gemeinsam einsperren.

Wie der Guardian berichtet, wurden letzte Woche im Wandsworth-Gefängnis im Südwesten Londons 12 Coronavirus-Patienten zusammen mit weiteren 40 Häftlingen mit Husten und Atembeschwerden im gleichen „Isolationstrakt“ und in gemeinsamen Zellen untergebracht. Dies entspricht den Richtlinien des Justizministeriums (MoJ), in denen es heißt: „Wenn mehrere Fälle von Personen mit den gleichen Symptomen auftreten, kann eine 'Kohortenbildung' oder die Zusammenfassung potenziell infizierter Fälle in einer bestimmten Lokalität erforderlich sein.“ Es gibt offenbar keine Pläne für weitere Tests im Gefängnis. In einem Gebäudeflügel funktioniert seit einer Woche die Warmwasserversorgung nicht mehr.

Unhygienische Bedingungen sind im gesamten Gefängnissystem an der Tagesordnung. Ein Bericht des National Audit Office vom Anfang des Jahres zeigte einen allgemeinen Zustand chronischer Verwahrlosung. Die Räume lassen sich nicht abdichten, die Heizungssysteme sind defekt und es gibt Rattenbefall. Im vergangenen Jahr stellten die Gefängnisinspektoren fest, dass zehn der 35 von ihnen inspizierten Einrichtungen die Mindeststandards für Sauberkeit nicht erfüllten und die Infektionskontrollen nicht einhielten.

Das Gefängnis in Belmarsh hat bei der Infektionskontrolle eine schlechte Bilanz. Die Tageszeitung Daily Maverick weist darauf hin, dass Assange schon früher erhebliche Zahnprobleme hatte. Sie schreibt weiter, dass ein Bericht des leitenden Gefängnisinspektors der britischen Regierung aus dem Jahr 2007 „eine unzureichende Infektionskontrolle“ festgestellt habe. Konkret habe er „einen Mangel an Maßnahmen zur Infektionskontrolle in der zahnärztlichen Abteilung“ angeführt.

Der Artikel des Daily Maverick verweist auch auf Inspektionen aus den Jahren 2009 und 2011, die zu dem Schluss kamen, dass „die Standards der Infektionskontrolle und Dekontaminierung noch immer nicht ausreichend waren“, und dass „die Zahnarztpraxis renoviert werden müsste, um den Richtlinien der Infektionskontrolle zu genügen“. Im Jahr 2013 stellte ein anderer Bericht fest, dass diese Empfehlung „nicht befolgt“ worden sei. Im vergangenen Jahr berichteten die Unabhängigen Überwachungsgremien: „Nach wie vor bestehen große Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Sauberkeit.“ Und: „Der Zustand der Duschen und vieler Toiletten im gesamten Gefängnis ist entsetzlich.“

Angesichts dieser erschreckenden Bedingungen fordern mehrere Gruppen, die sich für die Rechte von Gefangenen einsetzen, dass ältere und nicht gewalttätige Häftlinge sofort freigelassen werden.

Deborah Coles, Direktorin der Wohltätigkeitsorganisation Inquest, wandte sich in einem offenen Brief an Premierminister Boris Johnson. Darin heißt es:

Schon jetzt sterben die Menschen im Gefängnis. Viele Haftanstalten haben den Virus schon in ihren Mauern, und Tausende von Mitarbeitern an vorderster Front haben sich isoliert ... Der Gefängnisdienst erstellt Pläne, wie die Leichen der Gefangenen, die in den kommenden Monaten sterben werden, gelagert werden sollen ... Die Regierung hat die gesetzliche und moralische Pflicht, die Inhaftierten vor einer vorhersehbaren Gefahr für ihre Gesundheit und ihr Leben zu schützen ...

Emily Bolton, juristische Leiterin der Anwaltsvereinigung Appeal, erklärte:

Wenn die Regierung Gefangene hinter Gittern an Covid-19 sterben lässt, obwohl sie es vermeiden könnte, handelt sie wie in New Orleans, als nach Hurrikan Katrina das Wasser anstieg und die Gefangenen im Gemeindegefängnis ertranken … Die Zeit läuft ab, um zu verhindern, dass kleinerer Vergehen zu Kapitalverbrechen und lebenslange Haftstrafen zu Todesurteilen werden.

Angesichts einer Katastrophe unternimmt die Regierung einige sehr begrenzte Schritte zur Freilassung einiger weniger Gefangener.

Etwa 200 Häftlinge in Nordirland (etwa 7 Prozent der Gesamtzahl), deren Haftstrafe wegen gewaltfreier Straftaten in den nächsten drei Monaten ausläuft, werden bald unter einer Ausgangssperre und unter Bedingungen, die ihre Kontakte zu anderen Personen einschränken, freigelassen. Schottische Gefängnisse erwägen ähnliche Pläne, und der schottische Justizminister Humza Yousaf sagte: „Wir suchen aktiv nach Wegen, dies zu ermöglichen. Es könnte schon nächste Woche geschehen. Die Situation ist zunehmend alarmierend.“

In England und Wales hat das Justizministerium erklärt, dass schwangere Frauen, die „nicht als hohes Risiko für die Öffentlichkeit angesehen werden“, innerhalb von Tagen vorübergehend mit einer elektronischen Fußfessel versehen und freigelassen werden sollen.

Weitere Freilassungen gelten als ausgeschlossen. Das Justizministerium behauptet, dass „robuste Notfallpläne“ aufgestellt worden seien. Assange – einer von nur zwei Untersuchungshäftlingen im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, und noch dazu einer, der völlig unschuldig einsitzt – wird in keiner Weise berücksichtigt.

In einem am Mittwoch veröffentlichten Video sagte WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson:

Vor einer Woche lehnte die Richterin am Amtsgericht, Vanessa Baraitser, eine Freilassung Assanges wegen der außergewöhnlichen Covid-19-Umstände auf Kaution ab. Sie tat dies mit dem Hinweis, dass es keine bekannten Fälle von Covid-19 im Belmarsh-Gefängnis gebe, und dass sie volles Vertrauen in die Gefängnisbehörden habe.

Nur wenige Stunden später am selben Tag mussten die Behörden zugeben, dass es in den britischen Gefängnissen schon zahlreiche Fälle von Covid-19 gab. Und diese Zahlen sind von Tag zu Tag gestiegen. In der vergangenen Woche wussten wir, dass mehr als hundert Wachen in Belmarsh in Selbstisolierung zu Hause sind, und diese Zahlen haben nun ebenfalls zugenommen. Wir haben jetzt erfahren, dass sie sich am Wochenende verdoppelt haben …

Die Medien berichten heute, dass Häftlinge mit grippeähnlichen Symptomen gezwungen sind, Zellen mit anderen Häftlingen zu teilen. Das ist empörend, wenn nicht gar kriminell. So kann es nicht weitergehen. Niemand weiß, wie weit das Virus im Gefängnis verbreitet ist. Niemand testet …

Man muss kein Experte sein, um zu verstehen, dass das Gefängnisumfeld die schlimmste Umgebung für Krankheiten wie Covid-19 ist. Laut der Parlamentsfraktion des Europarates gibt es nur einen Journalisten in einem britischen Gefängnis. Dieser Journalist ist Julian Assange. Er muss sofort entlassen werden. Vergessen Sie nicht, dass er sich nur in Untersuchungshaft befindet. Nach dem Gesetz ist er unschuldig. Lassen Sie Julian Assange sofort frei.

Die Gruppe Doctors for Assange hat eine Erklärung veröffentlicht, in der es heißt:

[Amtsrichterin] Baraitser ist nicht auf das erhöhte Risiko für Assange im Vergleich zur den übrigen britischen Gefängnisinsassen eingegangen, ganz zu schweigen von den Gefangenen in Belmarsh, wo Assange inhaftiert ist. Sie ging auch nicht auf den sich rasch abzeichnenden medizinischen und rechtlichen Konsens ein, dass gefährdete und risikoarme Gefangene sofort freigelassen werden müssen …

Baraitsers Versicherung, dass die Maßnahmen der Regierung zum Schutz von Assange ausreichend seien, klingt hohl, besonders an dem Tag, an dem die britische Regierung bekannt gab, dass Prinz Charles positiv auf Covid-19 getestet wurde. Wenn die britische Regierung ihre eigene königliche Familie nicht vor der Krankheit schützen kann, wie kann sie dann ihre schwächsten Gefangenen in den Gefängnissen angemessen schützen, die als „Brutstätten“ für das Coronavirus beschrieben werden?

Die britische herrschende Klasse begeht ein monströses Verbrechen, um ein anderes zu Ende zu bringen. Ihre Untätigkeit als Reaktion auf die Pandemie hat in den britischen Gefängnissen eine Zeitbombe ausgelöst, deren Folgen sie willens sind, Assange erleiden zu lassen. Sie wären glücklich, wenn er sterben würde. Mehr denn je hängt sein Leben davon ab, dass die Verteidigung von WikiLeaks und von demokratischen Rechten zu einem breiten Thema in der internationalen Arbeiterklasse wird. Wir ermutigen jeden, sich der Globalen Verteidigungskampagne anzuschließen und deren Arbeit und Material weitreichend zu verbreiten.

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