Zahl der Corona-Fälle steigt weltweit auf über 1,6 Millionen

Am Donnerstag waren genau 100 Tage vergangen, seit die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals über eine „Lungenentzündung mit unklarer Ursache“ in China informiert wurde. Diese wurde später als Coronavirus-Pandemie bekannt. Inzwischen gibt es weltweit 1,6 Millionen offiziell bestätigte Fälle von Covid-19 und mehr als 100.000 Todesopfer. Seit Beginn der Woche stieg die Zahl der Neuinfektionen weltweit um mehr als 300.000, die der Todesopfer um mindestens 25.000.

Auf die USA entfallen rund 498.000 Infizierte, mehr als dreimal so viele wie in Spanien, dem mit 157.000 Fällen am zweitstärksten betroffenen Land. Die Zahl der Toten in den USA liegt bei mehr als 18.000 und wird laut Prognosen innerhalb der nächsten fünf Tage über dem bisherigen Rekordwert liegen (Italien mit 18.279 Tote bis zum 9. April). Zudem breitet sich die Pandemie mittlerweile auch in bevölkerungsreichen, aber weniger entwickelten Ländern wie Indien, Brasilien, Indonesien, Mexiko, Nigeria, Pakistan und Ägypten aus.

In den USA steigt die Zahl der Infektionen und Toten weiter ungehindert an. In der Metropolregion New York, dem Epizentrum der Krise, gibt es mehr als 170.000 Fälle und fast 8000 Tote. In New York City hat man begonnen, Massengräber auf Hart Island auszuheben, da die Bestattungsinstitute und Friedhöfe überfordert sind.

Während der nächtlichen Ausgangssperre wird in Nairobi eine Straße desinfiziert, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. (AP Photo/Brian Inganga)

In New Jersey und Michigan liegt die Zahl der Toten bei mehr als 3500 bzw. 1.100; die Fallzahlen in Illinois, Massachusetts, Pennsylvania, Michigan, Florida, Louisiana und Maryland steigen rasant an. Die New York Times meldete, dass Hunderte ländliche Gemeinden im ganzen Land, in denen noch vor zwei Wochen keine Erkrankten gab, mittlerweile von dem Virus betroffen sind und Todesopfer beklagen.

Doch noch während die Pandemie in nahezu allen Teilen der Welt wütet, sprechen die Trump-Regierung, die Mainstream-Medien und das politische Establishment der USA von „Hoffnungsschimmern“, einer „Wende“ im Kampf gegen Covid-19 und „Anlass für Optimismus“.

US-Präsident Donald Trump erklärte: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir den Gipfel erreicht haben und dass es jetzt zurückgeht. In einigen Fällen haben wir den Weg zurück zur Normalität schon begonnen.“

Zu diesem Zweck hat die US-Seuchenschutzbehörde (CDC) „vorübergehende Richtlinien“ veröffentlicht, die die Rechtfertigung liefern, Dutzende Millionen Beschäftigte in der „systemrelevanten Infrastruktur“ wieder an die Arbeit zu zwingen. Dazu gehören Polizei, Reinigungspersonal, Beschäftigte in der Landwirtschaft, der Produktion, in der Informationstechnologie, dem Transportgewerbe, der Energiebranche und staatlichen Einrichtungen.

In den USA gibt es schätzungsweise drei Millionen Wander- und Saisonarbeiter in der Landwirtschaft, 12,85 Millionen Arbeitsplätze in der Industrieproduktion, 2,5 Millionen Reinigungskräfte, 4,6 Millionen IT-Beschäftigte, 5,2 Millionen im Transportwesen, 8,1 Millionen in Bereichen des Transportwesens, 6,4 Millionen Beschäftigte der Energiebranche und zehn Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst auf städtischer, bundesstaatlicher und staatlicher Ebene.

Neben den landesweit 18 Millionen Beschäftigten des Gesundheitswesens und drei Millionen im Lebensmittelhandel will die Trump-Regierung also mindestens 73 Millionen Menschen zurück an die Arbeit schicken oder zur Weiterarbeit zwingen – inmitten in einer tödlichen und hochansteckenden Pandemie. Die Richtlinien sind zudem so vage, dass weitere Millionen Menschen als angeblich „systemrelevante“ Arbeitskräfte wieder in Fabriken, Lagerhäuser und Büros geschickt werden können.

Außerdem empfiehlt die CDC lediglich, die Arbeitgeber „sollten“ sicherstellen, dass die Arbeitsplätze sauber und ihre Beschäftigten gesund sind. Das Dokument schafft die Grundlagen für die Wiederaufnahme der Ausbeutung, ohne dass die Unternehmen einen einzigen Cent dafür ausgeben müssen, das Leben der Arbeiter vor dem Virus zu schützen.

Als Trump am Donnerstag bei der Besprechung mit seiner Coronavirus-Taskforce gefragt wurde, ob ein landesweites System von Tests auf das Virus notwendig sei, bevor die Arbeit wiederaufgenommen wird, blaffte er: „Nein. Wir haben ein großartiges Testsystem. Wir haben das beste Testsystem der Welt. Einige Bereiche des Landes sind bereits wieder in phänomenaler Form. Andere Bereiche gehen online. Andere Bereiche gehen unter.“

Die Aussagen Trumps sind nichts anderes als primitive Scharlatanerie. Den offiziellen Meldungen zufolge ist die Anzahl der Neuinfektionen pro Tag ähnlich hoch. Das bedeutet aber nicht, dass die Pandemie unter Kontrolle ist. Im Gegenteil, die Zahl der Coronavirus-Fälle erhöht sich in den USA weiterhin durchschnittlich um 30.000 pro Tag. Und es ist nicht sicher, dass selbst die extremen Maßnahmen zur sozialen Distanzierung letztlich Wirkung zeigen: In Italien ist die Zahl der Neuerkrankungen in den letzten Tagen wieder gestiegen, obwohl seit Wochen landesweit Ausgangsbeschränkungen gelten.

Der Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, argumentierte bei seiner täglichen Pressekonferenz am Donnerstag in die gleiche Richtung, wenn auch in etwas anderer Form. Er interpretierte die sinkende Zahl von Neuzugängen in Krankenhäusern und Intensivstationen als Anzeichen dafür, dass sich die Pandemie abschwächt. Weder Cuomo noch die Reporter gingen darauf ein, ob diese Entwicklung nicht vielmehr bedeutet, dass die Krankenhäuser aufgrund von Überlastung keine neuen Patienten mehr aufnehmen können, oder ob Menschen aus Angst vor einer Infektion nicht mehr ins Krankenhaus gehen.

Weder Trump noch Cuomo wurde nach den Unstimmigkeiten zwischen den gemeldeten Todesopfern durch das Coronavirus und dem deutlichen Anstieg von Menschen, die in New York zu Hause in gestorben sind, gefragt. Mark D. Levine, ein Mitglied des Gesundheitsausschusses des Stadtrats, wies darauf hin, dass gegenwärtig täglich 200 bis 215 Menschen zu Hause sterben, während es vor einem Jahr zwischen 20 und 25 Menschen waren. Das deutet darauf hin, dass Tausende von Covid-19-Toten nicht mitgezählt werden.

Es wurde außerdem ein Plan der Regierung angekündigt, 750.000 Tests pro Woche durchführen zu lassen, allerdings werde das erst in vier bis acht Wochen möglich sein. Bis dahin sind vermutlich weitere Hunderttausende infiziert und Zehntausende dem Virus zum Opfer gefallen. Nur die Reichen und ihre Hofschranzen werden die Tests schnell erhalten.

Trump und die amerikanische herrschende Klasse richten ihre Aufmerksamkeit nicht auf die Zahl der Kranken und Sterbenden – diese sind ihnen völlig egal –, sondern auf den Dow Jones und andere Zahlen, die ihre fortwährende Anhäufung von Reichtum und Profiten anzeigen.

Der Dow Jones ist seit seinem Tiefststand am 23. März um mehr als 5.000 Punkte gestiegen, nachdem die Konzerne und Finanzmärkte Geldspritzen in Billionenhöhe erhalten haben. Auch die Aussicht darauf, dass die Fabriken und Betriebe bald wieder öffnen und Profit aus der Arbeiterklasse gepresst werden kann, hat dazu beigetragen.

Die Wall Street nährt sich von dem Versprechen, dass die US-Zentralbank ihr auch weiterhin Billionen Dollar in Rachen werfen wird. Gleichzeitig feilschen die Trump-Regierung und die Demokraten im Kongress über die Bedingungen, zu denen Kredite an Arbeiter und Kleinunternehmer gehen sollen, denen angesichts des Wirtschaftszusammenbruchs Armut und Insolvenz drohen.

Die Arbeiterklasse steht vor einem unversöhnlichen Klassenkonflikt. Tausende von Arbeitern haben bereits gestreikt und dagegen protestiert, dass sie während der ausufernden Corona-Pandemie unter unsicheren Bedingungen arbeiten müssen. Erst dieser Widerstand hat die US-Konzerne dazu gezwungen, Autofabriken und andere Betriebe zu schließen. Die Versuche Trumps und seiner Komplizen in der Demokratischen Partei, die amerikanische Wirtschaft trotz wachsender Infizierten- und Totenzahlen wieder als „eröffnet“ zu erklären, werden eine soziale Explosion auslösen.

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