Trump attackiert Weltgesundheitsorganisation

Die Zahl der Covid-19-Fälle ist auf über 1,6 Millionen weltweit angestiegen, die Zahl der Toten auf über 100.000. Die USA liegen mit 489.000 Fällen vor Spanien, das die zweithöchste Zahl verzeichnet.

Dennoch deutete US-Präsident Trump bereits vergangenen Dienstag an, dass infolge der Maßnahmen seiner Regierung „Licht am Ende des Tunnels“ zu sehen sei. Danach überraschte er die Journalisten mit der Ankündigung, dass das Weiße Haus die Beitragszahlungen an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einstellen werde. Als Grund führte er an, dass die WHO die Politik der USA zu kritisch sehe. Dabei spielt die WHO im weltweiten Kampf gegen die Pandemie eine entscheidende Rolle.

Trump erklärte: „Wir werden das Geld an die WHO einbehalten. Wir werden es wirklich festhalten. Sie haben die Sache falsch eingeschätzt. Sie schätzen sie noch immer falsch ein. Sie haben den Schuss nicht gehört.“ Später twitterte er: „Die WHO hat versagt. Aus irgendeinem Grund ist sie sehr China-zentriert, obwohl sie größtenteils von den USA finanziert wird. Wir werden uns das genauer anschauen. Zum Glück habe ich schon früh ihre Empfehlung zurückgewiesen, unsere Grenzen zu China offen zu lassen. Warum haben sie uns eine so schlechte Empfehlung gegeben?“

In Wirklichkeit war der Verlauf folgender: Die WHO wurde Anfang Januar von den chinesischen Gesundheitsbehörden über den Ausbruch eines neuen Virus informiert. Anschließend gab sie Informationen heraus und informierte die Presse über die Entwicklungen in Wuhan. So erfuhr die Welt davon, dass sich in China eine besorgniserregende Epidemie ausbreitete. Ende Januar erklärte die WHO den Covid-19-Ausbruch schließlich zu einer „gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“.

Arbeiter des Reinigungsunternehmens Servpro werden desinfiziert, nachdem sie am 12. März einen Tag lang das Life Care Center in Kirkland (Washington) nahe Seattle gereinigt haben. (AP Photo/ Ted S. Warren)

Außerdem vertrat die WHO eine konsequente Haltung zu Einreiseverboten: Sie erklärte, solche Einschränkungen würden die Bekämpfung der Pandemie eher erschweren, da sie Gegenmaßnahmen verzögern und Ressourcen verknappen würden. Einreiseverbote haben die Ausbreitung der Pandemie nicht verhindert. Zudem hat sich eindeutig gezeigt, dass die US-Regierung den zeitlichen Vorsprung, den ihr der massive Lockdown in der Provinz Hubei verschaffte, größtenteils vergeudete.

Die WHO ist notorisch unterfinanziert. Die jährlichen Beiträge der Mitgliedsstaaten, die 20 Prozent ihres Etats ausmachen, sind seit mehr als zehn Jahren nicht gestiegen. Das derzeitige Budget der WHO liegt bei nur knapp über 4,8 Milliarden US-Dollar, die größtenteils von privaten Spendern und aus freiwilligen Beiträgen der Mitgliedsstaaten stammen. Laut offiziellen Statistiken haben die USA der WHO im derzeitigen Finanzierungszeitraum von zwei Jahren 893 Millionen Dollar überwiesen. Insgesamt kommen die USA für 14,67 Prozent des Etats der WHO auf. Trump hat vorgeschlagen, die Finanzierung 2021 von den vorgesehenen 122 Millionen auf weniger als 58 Millionen Dollar zu halbieren.

Mit seiner demonstrativen Geringschätzung versucht Trump die Autorität der WHO zu untergraben. Denn die WHO stützt sich auf objektive Fakten. Das Weiße Haus dagegen versucht, einen fiktiven Verlauf der Epidemie zu verbreiten. Auf Geheiß der Finanzmärkte täuscht die US-Regierung die Bevölkerung. Sie möchte den Menschen weismachen, dass die Gefahr durch die Pandemie größtenteils gebannt sei, die Arbeiter in die Betriebe zurückkehren könnten und die Wirtschaft wieder anlaufen müsse.

Am Mittwoch erklärte das Regionalbüro der WHO für Europa, es sei trotz „positiver Anzeichen“ aus einigen Ländern zu früh, um die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus zurückzufahren. Der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge, erklärte bei einer Pressekonferenz: „Jetzt ist noch nicht die Zeit dafür, die Maßnahmen zu lockern. Es ist vielmehr Zeit, unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Unterdrückung des Virus mit der vollen Unterstützung der Gesellschaft zu verdoppeln und verdreifachen.“ Kluge rief alle Länder auf, ihre Maßnahmen in mehreren Hauptbereichen zu verstärken.

Zum einen müssten die Beschäftigten im Gesundheitswesen geschützt werden, u.a. durch Weiterbildungen und die notwendigen unterstützenden Strukturen. Zum anderen müssten sich die Behörden darauf konzentrieren, die Ausbreitung von Covid-19 durch Maßnahmen einzudämmen, deren Ziel die Trennung von „Gesunden und mutmaßlichen sowie wahrscheinlichen Fällen“ ist.

Der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, wurde am Donnerstag bei seiner Pressekonferenz sofort von Journalisten bedrängt, sich zu Präsident Trumps Drohung mit der Zahlungseinstellung und seiner Kritik an der Beziehung der WHO zu China zu äußern. Ghebreyesus Antwort war sehr viel direkter als üblich. Er legte außerdem offen, dass er in den letzten Monaten Morddrohungen erhalten hat.

An die Adresse seiner Kritiker gerichtet erklärte er: „Wenn es auf nationaler Ebene einen Bruch zwischen Parteien, religiösen Gruppen oder anderen Gruppen gibt, dann findet das Virus eine Bruchstelle, die es ausnutzen kann, um uns zu besiegen... Letzten Endes ist die Bevölkerung Sache aller Parteien. Alle Parteien sollten sich darauf konzentrieren, ihre Bevölkerung zu retten. Bitte politisieren Sie dieses Virus nicht. Es nutzt die Streitigkeiten auf nationaler Ebene aus. Wenn Sie ausgenutzt werden und noch mehr Tote haben wollen, tun Sie das. Wenn Sie nicht noch mehr Tote wollen, politisieren Sie es nicht. Meine kurze Botschaft lautet: ,Quarantäne für die Politisierung von Covid‘. Die Einheit unseres Landes wird sehr wichtig sein, um dieses gefährliche Virus zu besiegen. Ohne Einheit können wir Ihnen versichern, dass selbst Länder mit einem besseren System in Schwierigkeiten und noch tiefer in die Krise geraten werden... es gibt keinen Grund, aus Covid politisches Kapital zu schlagen. Da spielt man mit dem Feuer.“

Weiter erklärte er: „Die Welt wird immer kleiner. Wir brauchen Solidarität und Einheit mehr denn je. Sie sind wichtiger als je zuvor. Alles, was an einem Ort beginnt, wirkt sich auf die ganze Welt aus. Wir können nicht in den Grenzen unserer Nationalstaaten leben. Die Globalisierung ist ein Muss. Wir sollten sie akzeptieren und mit ihr leben. Das bedeutet gegenseitige Abhängigkeit und Hilfe.“ Er forderte die USA und China zu „ehrlicher Führung“ auf.

Die US-Seuchenschutzbehörde reagierte auf diese Worte, indem sie umgehend neue Richtlinien herausgab. Darin ist detailliert beschrieben, dass systemrelevante Beschäftigte, solange sie keine Symptome haben, auch dann wieder an die Arbeit zurückkehren sollten, wenn sie Kontakt zu Infizierten hatten.

Das Weiße Haus erhielt am Freitag zudem einen Bericht der National Academy of Sciences, laut dem sich die Ausbreitung des Coronavirus auch im Sommer nicht verringern wird, wie es teilweise prognostiziert wurde. Zwar waren vorläufig in wärmeren Klimazonen weniger Covid-19-Fälle entdeckt worden. Allerdings verzeichnen Australien und der Iran, in denen es überdurchschnittlich warm ist, eine rapide Ausbreitung des Virus. Deshalb könnte sich die Annahme eines Rückgangs im Sommer als falsch erweisen.

Der Generaldirektor der WHO erklärte weiter: „Es gibt noch viele unbekannte Faktoren [über die Art des Virus] und wir wissen nicht, wie er sich in Zukunft verhalten wird. Er ist sehr ansteckend, wie die Grippe, aber gleichzeitig tödlicher.“

Obwohl sich die WHO offiziell an die Prinzipien der Wissenschaft und der öffentlichen Gesundheit hält, ist sie ein Geschöpf des Weltkapitalismus. Sie ist Teil des Apparats der Vereinten Nationen, die von den imperialistischen Siegermächten und der Sowjetunion unter Stalin nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde. Ihre Existenz hängt von freiwilligen Beiträgen der Nationalstaaten und von Privatspendern ab (die meisten davon sind wohlhabende Kapitalisten). Sie übt keine Kritik am Profitsystem, selbst wenn der Konflikt zwischen dem Profitsystem und Menschenleben so akut ist wie heute.

Die Prinzipien, zu denen sich die WHO bekennt, geraten unweigerlich in direkten Gegensatz zu den imperialistischen Mächten und ihrer bösartigen Gleichgültigkeit. Trotz der wohlmeinenden Worte des Generaldirektors ist der Konflikt zwischen rivalisierenden kapitalistischen Nationalstaaten, die den Reichtum ihrer jeweiligen Finanzoligarchen verteidigen, das grundlegende Hindernis auf dem Weg zu internationaler Solidarität.

Die Epidemie hat die völlige Gleichgültigkeit der herrschenden Elite gegenüber dem Schicksal der Arbeiterklasse und dem Leben auf diesem Planeten enthüllt. Das Betteln der WHO, dass die G20 zur Vernunft kommen mögen, ist vergeblich. Das zeigte sich am Ende der Pressekonferenz, als Generaldirektor Tedros den USA für ihre großzügige Unterstützung seiner Organisation dankte.

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