Sanders' Ausstieg vertieft Krise der Democratic Socialists of America

Nun, da Senator Bernie Sanders aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur ausgestiegen ist, durchschauen viele Mitglieder und Unterstützer der Democratic Socialists of America (DSA) deren zynische und doppelzüngige Rolle als Komplizin der Demokratischen Partei.

Jahrelang – sogar schon vor der Präsidentschaftswahl von 2016 – posaunte die DSA in die Welt, Sanders sei der furchtlose Führer einer „politischen Revolution“, die aus der Demokratischen Partei ein Werkzeug für weitreichenden gesellschaftlichen Wandel machen werde.

Doch Sanders zog sich in einer Weise aus dem Vorwahlkampf der Demokraten zurück, die nur Verachtung verdient. Sie hatte nichts mit dem letzten Aufbäumen eines alten Kämpfers gemein – tatsächlich bot die Kampagne des betagten Senators seinen Anhängern kaum so etwas wie letzte Zuckungen. Stattdessen akzeptierte Sanders kleinlaut das Urteil des Apparats der Demokratischen Partei und sang Loblieder auf seinen „alten Freund“ Joe Biden. Sanders‘ „politische Revolution“ endete nicht mit einem trotzigen Schlachtruf, sondern mit unterwürfigem Winseln.

Bernie Sanders (Gage Skidmore, Flickr.com)

Von der Aussicht, eine Biden-Kandidatur zu unterstützen, sind viele DSA-Mitglieder enttäuscht und angewidert. Und so veranstaltete Jacobin, eine der DSA angegliederte Zeitschrift, am vergangenen Mittwoch ein Online-Forum mit dem Titel: „Was Bernie erreicht hat und wohin es als Nächstes geht“. Zu den Teilnehmern zählten der Jacobin-Gründer Bhaskar Sunkara, die Referenten Michael Brooks, Meagan Day und Matt Karp sowie Amber Frost von Chapo Trap House.

Der Hauptzweck des Forums bestand darin, die Frage, „wohin es als Nächstes geht“ mit einem unzweideutigen „Nirgendwohin – bleibt in der Demokratischen Partei“ zu beantworten. Kein Redner des Forums stellte den am Morgen desselben Tages in Jacobin erschienenen Artikel von Eric Blanc in Frage, in dem es heißt: „Wir sind noch nicht stark genug, um in absehbarer Zeit den Stimmzettel der Demokraten zu verlassen.“

Vielmehr bekräftigte Sunkara im Verlauf des Forums: „Ich spreche nicht von einer neuen sozialistischen Partei oder so.“

Vor dem Hintergrund der unerbittlichen Opposition der Demokratischen Partei gegen Sanders‘ Kandidatur greift Jacobin auf immer absurdere Argumente zurück, um zu erklären, warum Leute, die sich als Sozialisten betrachten, weiterhin in dieser reaktionären Organisation bleiben sollten.

„Wir sollten uns nicht erlauben, die vereinfachende Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Institution der Demokratischen Partei schlicht zu schlau oder zu stark für uns ist“, erklärte Day. Denjenigen, die über Sanders‘ Niederlage aufgebracht sind, schlug Day vor, „an einer Wahlkampagne oder so etwas mitzuarbeiten“.

Amber Frost erklärte ihre Zustimmung zu Day und fügte hinzu: „Es ist ein gewisses Maß an Glück im Spiel. Man sollte seine Fehler auf jeden Fall analysieren, aber... man sollte den Apparat der Demokraten nicht überschätzen... Sie sind offensichtlich nicht sehr selbstsicher – sie haben nochmal Glück gehabt und wir hatten irgendwie Pech.“

Diese Äußerungen sind erbärmliche Versuche, die Illusion wiederzubeleben, dass die Demokratische Partei von innen heraus reformiert werden könnte. Wenn Sanders in den Jahren 2016 und 2020 nur „Pech“ hatte, warum sollte er es 2024 dann nicht erneut versuchen? Und was ist mit einem Jahrhundert gescheiterter Bemühungen, eine Reform der Demokratischen Partei zu erwirken? Der DSA zufolge hatten alle, von William Jennings Bryan bis Jesse Jackson, wohl einfach kein glückliches Händchen.

Mehr noch als vergangene Veranstaltungen von DSA und Jacobin zielten die Bemühungen, den Verbleib in der Demokratischen Partei zu rechtfertigen, darauf ab, dem wachsenden Einfluss der World Socialist Web Site und der Socialist Equality Party entgegenzuwirken, deren Opposition und Kritik an Sanders' Kampagne unter DSA-Mitgliedern wohlbekannt ist.

Wie Day besorgt bemerkte, gibt es „im Netz zurzeit viel Gerede darüber, wohin [unzufriedene Sanders-Anhänger] gehen können. Viele Menschen suchen nach einer neuen politischen Heimat.“ An anderer Stelle fügt sie hinzu: „Wir hören eine Menge Gemurre“ von jenen, „die uns sagen, dass Bernie Sanders kein Sozialist ist, und die uns von dieser Vorstellung abbringen möchten. Das ist ein Leitthema – und es ist offensichtlich unausstehlich, denn was auch immer Bernie im Innersten sein mag, er verhält sich genau so, wie sich ein Sozialist im pulsierenden Herzen des globalen Kapitalismus verhalten sollte.“

Im Anschluss richtete Day einen Appell an „nicht-sektiererische Sozialisten“, sich zu vereinigen, während Sunkara in Opposition zu „guten Sektierern“, die „wissen, dass sie klein und marginal sind“, erklärte, dass ein Bruch mit der Demokratischen Partei sinnlos sei. In ähnlicher Weise äußerte Frost Besorgnis über die „selbstgefällige Schadenfreude von Salon-Revolutionären“.

Wenn Sunkara und Konsorten von „Sektierern“ sprechen, dann meinen sie Personen, die keine zynischen und opportunistischen Agenten der Demokratischen Partei sind. Die DSA verwendet den Ausdruck „sektiererisch“ als Bezeichnung für Marxisten, die der Demokratischen Partei politisch feindlich gesinnt und von ihr unabhängig sind.

Im Jahr 1935 schrieb Leo Trotzki:

Reformisten und Zentristen zeigen bei jeder Gelegenheit mit dem Finger auf unser „Sektierertum“; und meistens meinen sie damit nicht unsere Schwächen, sondern unsere Stärken: unsere ernsthafte Haltung gegenüber theoretischen Fragen; unser Bemühen, jeder politischen Situation auf den Grund zu gehen und klare Parolen aufzustellen; unsere Ablehnung „einfacher“ und „bequemer“ Entscheidungen, die heute von Sorgen befreien, doch schon morgen in eine Katastrophe führen. Aus dem Munde von Opportunisten ist der Vorwurf des Sektierertums meistens ein Kompliment.

Trotzki schrieb diese Zeilen zu einer Zeit, in der die Linke Opposition verglichen mit den sozialdemokratischen und stalinistischen Parteien zu einer kleineren Leserschaft sprach. Doch die Leserschaft der World Socialist Web Site ist in den letzten Monaten weit über dievon Jaccobin hinausgewachsen, sowohl auf Weltebene als auch in den Vereinigten Staaten.

Trotz bedeutender offizieller Unterstützung und einer freundlichen Berichterstattung in der bürgerlichen Presse ist die Leserschaft von Jacobin erheblich zurückgegangen, was darauf schließen lässt, dass die opportunistische Politik der DSA bei ihren noch unverdorbenen Anhängern auf wachsende Abscheu stößt. Sunkara weiß genau, dass seine Behauptung, die WSWS sei „klein und marginal“, falsch ist.

Jacobin und die DSA sind sich der entscheidenden Rolle bewusst, die sie als Übertragungsriemen für die Politik der Demokratischen Partei spielen.

Die Washington Post berief sich kürzlich auf Peter Welch, den demokratischen Kongressabgeordneten von Vermont und Vertrauten von Sanders. Welch halte „Sanders für zentral für Bidens Chancen, die Unterstützung ‚progressiver Linker [zu gewinnen], die die Demokratische Partei als Institution nicht besonders unterstützen, die wir aber zur Stimmabgabe herauslocken müssen‘.“

Die Post zitierte zudem die demokratische Kongressabgeordnete Pramila Jayapal aus Washington und bemerkte: „Sanders' größter Beitrag besteht womöglich darin, die Bedeutung dessen aufzuzeigen, was sie als ‚Inside-/Outside-Politik‘ bezeichnet.“

Echter Sozialismus basiert auf dem Kampf, eine Bewegung der Arbeiterklasse aufzubauen, die organisatorisch außerhalb aller politischen Parteien der Kapitalistenklasse steht und diesen mit bewusster Feindschaft entgegentritt. Nur auf diese Weise ist die Arbeiterklasse in der Lage, ihre gesellschaftliche Macht zu erkennen und zu entfesseln.

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