Sri Lanka: Nutzt Präsident Rajapakse die Pandemiemaßnahmen als Vorwand für einen Putsch?

Inmitten einer tiefgreifenden Krise hat die srilankische Minderheitsregierung zusammen mit dem Militär eine Reihe bedrohlicher, autoritärer Schritte unternommen. Alles deutet auf die Vorbereitung eines Staatsstreichs hin.

Zumindest nutzt die Regierung die Covid-19-Pandemie als Vorwand, um die Macht an sich zu reißen. Sie bindet das Militär noch stärker in die Staatsführung ein und tritt die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse mit Füßen – all dies in eklatanter Verletzung der verfassungsmäßigen demokratischen Grundrechte.

Auf diese Weise erlangen Präsident Gotabhaya Rajapakse und sein Premierminister und Bruder, der ehemalige Präsident Mahinda Rajapakse, nicht einfach mehr Macht auf Kosten ihrer bürgerlichen Gegner. Ihr eigentliches und wichtigstes Zielobjekt ist die Arbeiterklasse.

Schon vor der Pandemie und dem daraus folgenden weltweiten wirtschaftlichen Zusammenbruch befand sich die Wirtschaft Sri Lankas in einer tiefen Krise. In den letzten beiden Jahren der Vorgängerregierung unter Führung der United National Party (UNP) gab es schon eine mächtige Welle von Protesten und Streiks gegen die brutalen Sparmaßnahmen des Internationalen Währungsfonds. Gotabhaya Rajapakse entließ die UNP-Regierung unverzüglich, als er im November letzten Jahres die Präsidentschaftswahlen gewonnen hatte.

Für den frühen Montagmorgen, 27. April, war geplant, dass die Regierung Rajapakse beginnen würde, fast im ganzen Land den wochenlangen Shutdown im Zuge der Coronavirusbekämpfung wieder aufzuheben. Stattdessen ordnete sie praktisch ohne Vorwarnung eine noch drakonischere, 24-stündige Ausgangssperre bis Dienstagmorgen, 05:00h früh, für die ganze Insel an. Dies wurde damit begründet, dass dadurch die Rückkehr der beurlaubten Militärangehörigen in ihre jeweiligen Kasernen erleichtert würde.

Vor Bekanntgabe dieser Ausgangssperre hatte Verteidigungsminister, Generalmajor Kamal Gunaratne a.D., jeglichen Urlaub für die Angehörigen aller drei Teilstreitkräfte aufgehoben und allen Soldaten befohlen, sich bei ihren jeweiligen Führungsoffizieren zu melden.

Die Verhängung einer 24-stündigen Ausgangssperre auf der gesamten Insel, um Militäreinsätze zu erleichtern, ist in Sri Lanka ohne Beispiel. Nicht einmal aus dem fast dreißig Jahre währenden Bürgerkrieg, den der srilankische Staat gegen die tamilische Minderheit führte, ist ein solcher Schritt bekannt.

Bald zeigt sich, dass viele der Soldaten – ebenfalls im offensichtlichen Widerspruch zu Gunaratnes ursprünglichem Befehl – nicht in ihre normalen Kasernen zurückkehrten, sondern in die Hauptstadt Colombo abkommandiert wurden. Dort wurden die meisten von ihnen in den fünf größten Schulen der Stadt untergebracht.

Eine offizielle Erklärung für den Einsatz liegt bisher nicht vor. In einem Interview Anfang letzter Woche sprach Präsident Gotabhaya Rajapakse jedoch über den Einsatz des Militärs in Colombo als Teil der, wie er es nannte, „Kriegsrechtsmaßnahmen“ zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie. Diese soll in Sri Lanka nach offiziellen Angaben bisher erst sieben Todesopfer bei fast 600 bestätigten Covid-19-Fällen gefordert haben.

In einem weiteren ungewöhnlichen Schritt hat das Militär den Schutz des Parlaments übernommen. Das erklärte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Brigadier Chandana Wickremesinghe. Die Parlamentsverwaltung teilte mit, dass 120 Polizisten aus der Sicherheitseinheit entfernt und durch Soldaten ersetzt worden seien, angeblich weil die Polizei bei der Durchsetzung der Anti-Coronavirus-Sperre, die in Colombo bis zum 4. Mai in Kraft bleiben soll, benötigt werde.

Rajapakse hatte die Wahl im vergangenen November gewonnen, indem er einerseits die Massenopposition gegen die Sparmaßnahmen der UNP-Regierung auf wohlkalkulierte Weise anstachelte, und andererseits, indem er die Unterstützung des Großkapitals gewann. Diesem präsentierte er sich als singhalesisch-buddhistischer „starker Mann“, der auch unpopuläre Maßnahmen durchsetzen könne.

Als ehemaliger Oberst pflegt Rajapakse enge Beziehungen zum Militär, und er hat sich den Ruf der Skrupellosigkeit erworben. In der Endphase des Bürgerkriegs diente er seinem Bruder als Verteidigungsminister. Der Bürgerkrieg endete 2009 mit einem staatlich angeordneten Massaker, in dem Zehntausende tamilische Zivilisten durch das Militär abgeschlachtet wurden. In dieser Zeit, als drakonische Notstandsbestimmungen und das Terrorismus-Gesetz auf der ganzen Insel herrschten, entfesselten die Sicherheitskräfte staatliche Repressionen gegen Arbeiter, politische Gegner und Journalisten.

Nur wenige Tage nach seinem Wahlsieg in der Präsidentschaftswahl schob Gotabhaya Rajapakse die UNP-Regierung beiseite und setzte seinen Bruder als Premierminister ein. Danach hielt er das Parlament weitgehend in der Schwebe, weil der neuen Regierung die parlamentarische Mehrheit fehlte. Am 2. März erhielt er das verfassungsmäßige Recht, vorgezogene Wahlen einzuberufen.

Sein erklärtes Ziel ist es, in einer vorgezogenen Wahl eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zu erreichen, bevor die Regierung gezwungen ist, eine neue und noch drakonischere Runde von Sparmaßnahmen durchzusetzen. Er will Verfassungsänderungen durchsetzen, die ihm selbst als Exekutivpräsident weitreichende, willkürliche Befugnisse einräumen.

Die antidemokratischen Machenschaften von Rajapakse zeigen sich seit dem Ausbruch der Pandemie noch offener als bisher.

Mit Unterstützung des Militärs und der geschäftsführenden Regierung unter der Führung seines Bruders, Premierminister Mahinda Rajapakse, hat der Präsident mit Hilfe von Präsidialdekreten eine außergewöhnliche Machtfülle an sich gerissen. Daran ändert es auch nichts, dass die Wahlen zunächst auf unbestimmte Zeit und nun vorläufig auf den 20. Juni verschoben wurden.

Seit dem 20. März unterliegen die Westprovinz, Puttalam im Nordwesten und der Distrikt Jaffna im Kriegs-verwüsteten Norden, einem Lockdown, offiziell im Jargon Sri Lankas „Ausgangssperre“ genannt. In anderen Gebieten wurde diese Abriegelung zeitweise gelockert.

Die jüngste Ausgangssperre ist offenkundig illegal. Um mit dem srilankischen Recht in Einklang zu stehen, müsste sie durch eine Bekanntmachung im Amtsblatt verkündet oder im Rahmen von Notstandsgesetzen beschlossen worden sein. Die Voraussetzung für eine Bekanntmachung im Amtsblatt wäre ein Beschluss des Parlaments. In ähnlicher Weise muss die Erklärung eines Notstands vom Parlament gebilligt werden.

Doch Rajapakse, der die Pandemie ausnutzt, um sich neue Befugnisse anzueignen, ignoriert das Gesetz und hat die Appelle der Opposition, das aufgelöste Parlament zurückzurufen, schroff zurückgewiesen.

Die Polizei hat rund 40.000 Personen wegen Nichteinhaltung der unrechtmäßig verhängten Sperre festgenommen und mehr als 10.000 Fahrzeuge, die ihnen gehören, konfisziert. Keine Oppositionspartei und keine Zeitung kritisieren diese Maßnahmen.

Seit seiner Wahl hat Rajapakse viele Schlüsselpositionen mit hochrangigen Militäroffizieren besetzt. Nach Ausbruch der Coronavirus-Pandemie hat er diese Militarisierung der Verwaltung weiter vorangetrieben. Der Befehlshaber der Armee, Generalleutnant Shavendra Silva, wurde zum Leiter des Nationalen Zentrums für die Covid-19-Prävention ernannt. Luftmarschall a.D. Roshan Gunatilake wurde zum Gouverneur der Westprovinz ernannt.

Während die Regierung Rajapakse sich im Namen des Kampfs gegen das hochansteckende und potenziell tödliche Coronavirus neue diktatorische Vollmachten anmaßt, missachtet sie offensichtlich die Gesundheit und das Wohlergehen der Arbeiter Sri Lankas.

In den vergangenen zwei Monaten wurden keine Massentests durchgeführt, wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für alle Länder wiederholt angemahnt. Den Beschäftigten im Gesundheitswesen fehlt es an angemessener Schutzausrüstung, und obwohl die Regierung Milliarden Rupien zur Rettung des Großkapitals auftreiben konnte, werden dem maroden Gesundheitswesen keine nennenswerten Mittel zur Verfügung gestellt.

Der Lockdown wurde übereilt und ohne Pläne durchgesetzt, wie die Versorgung der Arbeiter und der armen Landbevölkerung mit Lebensmitteln gewährleistet werden könne. Es fehlt an lebensnotwendigen Gütern, vor allem an Nahrungsmitteln und Medikamenten. Hunderttausende Tagelöhner haben ihren Arbeitsplatz verloren und sind nun ohne jegliche Unterstützung.

Rajapkase wendet sich autoritären Herrschaftsformen zu, weil er genau weiß, dass heftige Konflikte mit der Arbeiterklasse bevorstehen, und darauf möchte er sich hastig vorbereiten.

Die durch die Pandemie ausgelöste Weltwirtschaftskrise hat die wichtigsten Devisenbringer der srilankischen Regierungselite – die Tourismus- und Bekleidungsindustrie – von Einnahmen abgeschnitten. Auch die Überweisungen von Wanderarbeitern aus Übersee sind eingebrochen.

In dem verzweifelten Bestreben, die Last der Wirtschaftskrise der Arbeiterklasse aufzubürden, hat die Regierung Rajapakse, wie ihre Amtskollegen in Indien, den USA und Europa, aggressive Schritte zur Wiedereröffnung der Wirtschaft unternommen. Vierzehn Freihandelszonen (FTZ) wurden bereits wiedereröffnet. Gleichzeitig hat Rajapakse Forderungen des Großkapitals nach der Streichung von Arbeitsplätzen, Lohn- und Rentenkürzungen sanktioniert, als er sagte: „Es steht dem Chef jedes Privatunternehmens frei, zu entscheiden, wer sich zur Arbeit melden soll, und wie viele Mitarbeiter er benötigt.“

Dies muss allen Arbeitern eine wichtige Warnung sein. Rajapakse hat schon davon gesprochen, Truppen nach Colombo zu entsenden, um „kriegsrechtsähnliche“ Maßnahmen durchzusetzen. „Ich habe den Verteidigungsminister angewiesen“, prahlte er letzte Woche, „dafür zu sorgen, dass die Situation wie in einem Krieg unter Kontrolle bleibt, und dass die Menschen diszipliniert handeln.“ Was heute die Form eines Lockdowns annimmt, der die Armen unverhältnismäßig stark benachteiligt, kann morgen zu Militäraktionen führen, um die Arbeiter unter dramatisch verschlechterten Bedingungen zur Arbeit zu zwingen.

Am Montag appellierten mehrere Oppositionsparteien an Präsident Rajapakse, das Parlament wieder einzuberufen, um die konstitutionelle Krise zu entschärfen, die durch seine illegalen Aktionen entstanden ist. Sie verpflichteten sich freiwillig, auf jeden Versuch zu verzichten, die Minderheitsregierung zu stürzen, der sie ihre „verantwortungsvolle Zusammenarbeit“ anboten.

Zu den Unterzeichnern dieses Aufrufs gehören die UNP, ihre abtrünnige Gruppe Samagi Jana Balavegaya, die Sri Lanka Freedom Party (SLFP), die Tamil National Alliance (TNA), der Sri Lanka Muslim Congress und die Parteien der Plantagengewerkschaften.

Die Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) schloss sich diesem Aufruf zwar nicht an, aber sie hat bereits zweimal zusammen mit den oben genannten Parteien an Allparteientreffen teilgenommen. Sie hat die Maßnahmen der Regierung zur „Verhinderung der Coronavirus-Pandemie“ ausdrücklich gelobt und damit Rajapakse und sein antidemokratisches Handeln gestärkt.

Diese Parteien haben nur geringe taktische Differenzen mit der Herrschaft der Rajapakse-Brüder. Auch wenn sie gelegentlich über demokratische Rechte schwätzen, so sind sie doch alle von Chauvinismus durchdrungen und machen sich mitschuldig an der Verhängung von Sparmaßnahmen durch den IWF. Die meisten von ihnen sind unverblümte Befürworter der Kriegstreiberei des US-Imperialismus gegen China.

Die Entwicklung in Sri Lanka muss den Arbeitern eine scharfe Warnung sein – nicht nur auf der Insel, sondern auf der ganzen Welt. Unter dem Deckmantel der notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie greifen die kapitalistischen herrschenden Eliten die demokratischen Rechte an, ergreifen drakonische Maßnahmen und militarisieren die Gesellschaft.

Die Arbeiter in Sri Lanka müssen in dieser Krise unabhängig und in Opposition zu allen rivalisierenden bürgerlichen Fraktionen intervenieren. Nur so können sie ihr Leben und ihre Existenzgrundlage verteidigen und ihre grundlegenden sozialen und demokratischen Rechte schützen. An jedem Arbeitsplatz müssen Aktionskomitees gebildet werden, um die politische und betriebliche Stärke der Arbeiterklasse zu mobilisieren. Die Armen auf dem Land müssen gegen die kapitalistische Reaktion mobilisiert werden. Der Kampf muss für eine Arbeiter- und Bauernregierung geführt werden, die sich auf sozialistische Politik und den internationalen Sozialismus gründet.

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