Lufthansa: Milliardenhilfen und Massenentlassungen

Lufthansa und die Bundesregierung in Berlin verhandeln derzeit über Staatshilfen für den angeschlagenen Luftfahrtkonzern. Die Rede ist von neun Milliarden Euro. Auch mit Bern, Wien und Brüssel wird über Hilfen für die dortigen Lufthansa-Töchter geredet. Die Schweizer Regierung soll Presseberichten zufolge bereits 1,4 Milliarden Euro an staatlich verbürgten Krediten für Swiss zugesagt haben.

Umstritten ist bisher, wieviel Mitspracherecht der Staat erhält. Für die Summe von 9 Milliarden Euro könnte er den angeschlagenen Konzern beim jetzigen Börsenwert mehr als zwei Mal kaufen. Beteiligt sich der Bund durch die Übernahme von Aktien, hätte er bei Lufthansa ein erhebliches Mitspracherecht. Vergibt er dagegen die Hilfe von Form von Krediten, ist dies nicht der Fall.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr möchte den Einfluss des Staates möglichst geringhalten. In einem Interview mit der Zeit sagte er: „Wenn die Bundesrepublik zu große Einflussnahme auf operative Geschäftsaufgaben nehmen wollte, fordert das vielleicht die österreichische Regierung ebenso ein, dann möglicherweise auch die Schweiz, Belgien, Bayern oder Hessen.“ Dann könne man den Konzern nur sehr schwer steuern. Wenn die Lufthansa auch künftig erfolgreich sein solle, müsse „sie auch weiterhin ihr Schicksal unternehmerisch gestalten können“.

Um den Einstieg des Staats zu vermeiden, droht Lufthansa inzwischen mit einer Insolvenz in Eigenverantwortung. Ein solches Verfahren würde es dem derzeitigen Management erlauben, den Konzern zu Lasten geltender Tarifvereinbarungen und Pensionsverpflichtungen, von Lieferanten und Gläubigern zu sanieren. Lufthansa hatte bereits Anfang des Monats den Abbau von bis zu 18.000 Stellen angekündigt. Diese Zahl würde sich dann noch einmal erheblich erhöhen.

Geparkte Lufthansa-Flugzeuge am BER in Berlin (AP-Photo)

Die internationale Luftfahrtindustrie liegt infolge der Coronakrise fast vollständig am Boden. Anstatt täglich 350.000 Passagiere beförderte Lufthansa Anfang April gerade noch 3000, wie Spohr in einer Videobotschaft an die 138.000 Belegschaftsmitglieder erklärte. Die Zahl der Flüge habe sich um 97 Prozent reduziert. Das Unternehmen verliere jede Stunde eine Million Euro, obwohl der Großteil der Belegschaft staatliches Kurzarbeitergeld bezieht. Spohr geht davon aus, dass es mehrere Jahre dauern wird, bis der Luftverkehr auf das alte Niveau zurückkehrt.

Ähnlich sieht die Lage bei Lufthansas europäischen Konkurrenten aus. British Airways plant den Abbau von 12.000 Arbeitsplätzen, das sind fast 30 Prozent der insgesamt 42.000. Die skandinavische SAS will die Belegschaft halbieren und rund 5000 Vollzeitarbeitsplätze streichen. Norwegian Air geht davon aus, dass der Großteil seiner Flotte mindestens zwölf Monate am Boden bleibt. Air France erhält Staathilfen von 7 und KLM von 2 bis 4 Milliarden Euro. Da sich die Regierungen in Paris und Den Haag über die Bedingungen nicht einig sind, werden sich die seit 2004 vereinten Airlines möglicherweise trennen.

Bei den staatlichen Hilfen geht es nicht zuletzt darum, wer am Ende der Krise am stärksten dasteht und den Konkurrenten Marktanteile abnimmt. Obwohl inzwischen fast alle staatlichen Airlines privatisiert sind, gilt die Existenz einer eigenen nationalen Fluggesellschaft weiterhin als wichtiger Vorteil im globalen Wettbewerb.

Die Gewerkschaften erweisen sich in diesem Kampf, der auf dem Rücken der Belegschaften ausgefochten wird, als treue Verfechter der jeweiligen nationalen Interessen. Sie werben um Staatsgelder, spielen die Belegschaften der einzelnen Ländern und Unternehmen gegeneinander aus und sind bereit, die eigenen Mitglieder den Interessen „ihres“ Konzerns zu opfern.

In Deutschland verfolgen sowohl die Dienstleitungsgewerkschaft Verdi, die mit Christine Behle die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Lufthansa-Konzerns stellt, wie die konkurrierenden Spartengewerkschaften Vereinigung Cockpit und UfO diesen Kurs.

In einer Petition an die Bundesregierung, die Verdi und Cockpit initiiert haben und die von zahlreichen Betriebsräten und Personalvertretern erstunterzeichnet wurde, heißt es: „Wenn der Luftfahrtstandort Deutschland eine nachhaltig gesicherte Zukunft haben soll, benötigt der Luftverkehr jetzt staatliche Hilfen.“

Die Petition verbindet die Forderung nach staatlicher Unterstützung mit Beschäftigungsgarantien. „Bei staatlichen Hilfe für den Luftverkehr erwarten wir die Sicherung der Arbeitsplätze und Einkommen. Staatshilfe ist: Wenn’s alle schützt,“ heißt es darin. Doch das sind leere Worte. Vor allem Verdi hat immer wieder ihre Bereitschaft bewiesen, alle Angriffe auf die Belegschaft mitzutragen – zuletzt bei der Stilllegung der Konzerntochter Germanwings zu Beginn dieses Monats.

Die Flugbegleitergewerkschaft UfO hat einen eigenen Brief an die „Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Frau Dr. Merkel“ veröffentlicht. Darin wirbt auch sie intensiv um Staatshilfen: „Das Überleben der Kranichairline hängt davon ab, ob und in welcher Weise die Bundesregierung bereit sein wird, uns unter die Flügel zu greifen.“

Anders als Lufthansa-Chef Spohr drängt UfO darauf, dass der Staat sich am Konzern beteiligt. Die Gewerkschaft erwartet von der Bundesregierung, dass sie dort die Interessen der Belegschaft wahrnimmt: „Eine Rettung der Lufthansa, die nur der Umsetzung von bereits seit langem von der Unternehmensleitung geforderten Einschnitten bei Arbeitnehmerrechten, sozialer Sicherheit und Tarifverträgen dient, kann nicht im Interesse der Bundesregierung und sicher auch nicht in Ihrem liegen“, heißt es in dem Brief an Merkel.

Eindringlich bittet die Gewerkschaft die Bundeskanzlerin, „die soziale Sicherung der Arbeitnehmer während und nach der Krise nicht allein dem Vorstand und seinem Aufsichtsrat zu überlassen, sondern eine aktive Rolle als Bundesregierung bei der Lufthansa zu übernehmen“. Sie verbürgt sich dafür, dass der Konzern in Zukunft wieder Profit abwirft: „Als Gewerkschaft werden wir unsere Aufgabe dabei sehr ernst nehmen und ein Augenmerk auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit legen.“

Allein, dass UfO die Bundesregierung anfleht, die Interessen ihrer Mitglieder zu verteidigen, zeigt ihren vollständigen Bankrott. Merkel und die von ihr geführten Regierungen haben in Deutschland und ganz Europa dafür gesorgt, dass das Gesundheitswesen kaputtgespart, die Löhne gesenkt und die Reichen noch reicher wurden. Ihre Sparprogramme haben Länder wie Griechenland ruiniert. Sie vertreten nicht die Interessen der Arbeiter, sondern die des Kapitals.

UfO hat ihrem Bittbrief ein ausführliches „Positionspapier zu möglicher Staatshilfe im Luftverkehr“ beigelegt, das den Staat auffordert, „eine aktive Rolle einzunehmen“, und den „Wiederaufbau des Luftverkehrs“ als „Chance zu Reformen in der Transportinfrastruktur“ beschreibt.

Unter den Vorschlägen von UfO finden sich auch „Klimaziele“, wie „eine andere Gewichtung zwischen Luft-, Bahn- und Straßentransport“ und die Reduzierung des Luftverkehrs auf „unrentablen, kurzen Strecken“. Unter dem Strich läuft das Ganze darauf hinaus, den Standort Deutschland und insbesondere Lufthansa auf Kosten von anderen europäischen Airlines und deren Belegschaft zu stärken.

So heißt es in dem Positionspapier: „Auf internationaler Ebene bietet sich die Chance, den Standort Deutschland als Reisedrehkreuz zu stärken, indem heimische Fluggesellschaften im asymmetrischen Konkurrenzkampf gegen Wettbewerber … unterstützt werden. Langfristig könnte Deutschland so als Luftverkehrs-, Handels- und Touristikstandort gestärkt werden.“

Die Kurzstrecken will UfO vor allem deshalb stilllegen, weil sie für die Lufthansa, die ihre Gewinne auf Langstrecken und mit Geschäftsreisen in der profitablen Business Class macht, ein Verlustgeschäft sind und von konkurrierenden Billiganbietern bedient werden. Das Klimaargument dient dabei lediglich als willkommener Vorwand.

Die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise bedrohen die Existenz von hunderten Millionen Arbeitern auf der ganzen Welt. Die Luftfahrtindustrie ist davon besonders stark betroffen. Aber das tödliche Virus ist nicht die Ursache dieser Krise. Es wurde rechtzeitig erkannt und hätte eingedämmt werden können. Doch es stieß auf eine kapitalistische Gesellschaft, deren herrschende Schicht nur noch an steigenden Aktienkursen und der Plünderung aller vorhandenen Ressourcen interessiert ist.

Die Beschäftigten der Luftfahrindustrie können sich nur verteidigen, wenn sie international die Reihen schließen und gemeinsam für ein sozialistisches Programm kämpfen. Die Milliarden an Staatshilfen, die jetzt in die Großkonzerne und Banken fließen, müssen eingesetzt werden, um die Pandemie einzudämmen und ihre sozialen Folgen zu überwinden. Die Luftfahrtkonzerne müssen enteignet und unter Arbeiterkontrolle gestellt werden. Dasselbe gilt für die Banken, Hedgefonds und Vermögen der Reichen. Nur so können alle vorhandenen Ressourcen zur Befriedigung der dringenden gesellschaftlichen Bedürfnisse genutzt werden.

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