Millionen demonstrieren in allen Teilen der USA gegen Rassismus und Polizeigewalt

Am Wochenende fanden in allen Teilen der USA Proteste und Demonstrationen gegen Polizeigewalt statt, an denen Jugendliche und Arbeiter unabhängig von Hautfarbe und ethnischer Zugehörigkeit teilnahmen. In Kleinstädten und ländlichen Gegenden wurde ebenso demonstriert wie in Großstädten.

Millionen demonstrierten trotz Massenverhaftungen, Ausgangssperren, brutalen Angriffen der Polizei und der Nationalgarde sowie Trumps Drohungen mit dem Einsatz von Soldaten. Weitere Millionen protestierten in Europa, Asien, Südamerika, dem Nahen Osten, Australien, Neuseeland und Afrika um gegen den Polizeimord an George Floyd in Minneapolis (Minnesota) am 25. Mai.

Laut einer Datenbank von USA Today berichteten die Medien über Demonstrationen in 806 Groß- und Kleinstädten in allen 50 Bundesstaaten sowie in den Territorien Guam, Puerto Rico und auf den Jungferninseln.

Demonstration gegen den Tod von George Floyd in Pittsburgh (AP Photo/Gene J. Puskar)

Die Zahlen von USA Today sind vermutlich zu niedrig, da viele Protestveranstaltungen von den örtlichen Medien gar nicht erwähnt wurden. Trotzdem vermittelt die Liste einen Eindruck vom Ausmaß der Forderung nach einem Ende der Polizeigewalt und der Polizeimorde, die im ganzen Land erhoben wird. Die Bundesstaaten mit den meisten Protestveranstaltungen waren Kalifornien (64), Ohio (64), Georgia (45), New Jersey (32), New York (32), Florida (31), Illinois (31), Texas (31), North Carolina (30) und Michigan (26).

Die größten Demonstrationen des letzten Wochenendes fanden in Großstädten wie New York, Los Angeles, Chicago, Philadelphia, San Francisco und Washington DC statt. Laut New York Times wirkten „viele der Versammlungen am Samstag größer als frühere Kundgebungen, vor allem die in Washington. Teilweise schien es, als sei die ganze Bevölkerung in der Innenstadt unterwegs. Demonstrationszüge schlängelten sich durch die Seitenstraßen, andere versammelten sich in nahegelegenen Parks, bevor sie zum Lafayette Square vor dem Weißen Haus zogen.“

In Washington DC demonstrierten am neunten Tag in Folge Zehntausende. Die größte Kundgebung fand am Lafayette Square statt, der weiterhin abgesperrt ist, obwohl die gepanzerten Militärfahrzeuge und das große Aufgebot an Militär und Polizei, das dort in den letzten Tagen stationiert war, nicht mehr zu sehen waren. Der 2,7 Kilometer und 2,25 Meter hohe Maschendrahtzaun und die weißen Betonbarrieren, die einen Radius in der Größe eines Häuserblocks um das Grundstück des Weißen Hauses abgrenzten, waren jedoch immer noch dort.

Weitere Versammlungen und Proteste in der US-Hauptstadt fanden am Samstag vor dem Lincoln Memorial, dem Kapitol, dem Dirksen Senate Office Building, auf der 14th- und der U-Street, im Malcolm X Park, dem Dupont Circle, dem Freedeom Plaza und der 16. und H-Street im Nordwesten statt. Es gab außerdem Kundgebungen in den Vororten, u.a. am Gerichtsgebäude von Arlington County.

Die Washington Post berichtete diplomatisch: Als die demokratische Bürgermeisterin Muriel Bowser die 16th Street entlanglief, auf der die Straßenschilder mit „Black Lives Matter“ überschrieben wurden, sei die Unterstützung für Bowser „nicht ungeteilt gewesen“. Die Proteste gingen den Sonntag über im Rest der Stadt weiter.

In New York City demonstrierten am Samstag Zehntausende in verschiedenen Stadtteilen, obwohl der Bürgermeister Bill de Blasio (Demokraten) eine Ausgangssperre ab 20 Uhr verhängt hatte. Im Gegensatz zu den vorherigen Tagen unternahm die Polizei diesmal jedoch keine Versuche, die Demonstrationen aufzulösen. De Blasio hob die Ausgangssperre am Sonntagmorgen vollständig auf. Die für Manhattan, Brooklyn und die Bronx zuständigen Staatsanwälte kündigten an, sie würden keine Anklagen gegen Personen erheben, die wegen geringfügiger Vergehen wie rechtswidriger Versammlung oder Verstoß gegen die Ausgangssperre verhaftet wurden.

Die New York Times schrieb: „An einem weitgehend sonnigen Samstag, der sich nach Sommeranfang anfühlte, besetzten weitgehend friedliche Demonstranten den ganzen Nachmittag über Brücken, blockierten Straßen und riefen Parolen. Autofahrer hupten als Zeichen ihrer Unterstützung, und die Polizei sah zu. Quer über die Stadt verteilt fanden mindestens zwei Dutzend Veranstaltungen statt, von der Bronx und Queens bis Manhattan und Staten Island.“

Berichten zufolge gab es Kundgebungen im Washington Square Park und im Central Park in Manhattan. Auf der Upper West Side von Manhattan versammelte sich eine Gruppe von Beschäftigten des Gesundheitswesens namens White Coats for Black Lives. In Brooklyn fand ein Marsch über 12,8 Kilometer statt, außerdem eine Kundgebung auf dem Grand Army Plaza in Prospect Heights.

Tausende zogen über die Brooklyn Bridge nach Lower Manhattan. Ein Teil der Menschenmenge hielt auf dem Foley Square an, wo sich die Gebäude des Bundesstaats- und des Bundesgerichts befinden. Eine andere Gruppe von Demonstranten zog zum FDR Drive, der wichtigsten Nord-Süd-Achse auf der East Side von Manhattan, sodass die Polizei eine Seite der Autobahn absperren musste.

Am Samstag fanden außerdem Massendemonstrationen in San Francisco statt – bei der größten wurde die Golden Gate Bridge eine Zeit lang gesperrt. Zunächst zogen Tausende über den östlichen Fußgängerweg, doch als die Menge anwuchs, benutzten sie auch die Fahrbahn nach Süden, sodass die Brückenbehörde die Zollstation mit Lastwagen blockieren musste. Schließlich wurde auch die Fahrspur nach Norden abgesperrt, während die Demonstranten von San Francisco nach Marin County zogen und von dort aus zurück.

Der San Francisco Chronicle schrieb: „In der Bay Area erhoben Menschenmassen von Fremont bis Santa Rosa weiterhin ihre Stimme gegen Polizeibrutalität.“ In Berkeley zogen Demonstranten über den Martin Luther King, Jr. Way und hielten den Verkehr in beide Richtungen auf. In Oakland nahmen Tausende von schwarz gekleideten Demonstranten an einem „Walk in Unity“ vom Frank Ogawa Plaza zum Lake Merritt Amphiteatre teil.

In Chicago fand am Samstagmorgen eine Demonstration mit Zehntausenden Teilnehmern statt. Sie begann mit einer Kundgebung im Union Park, gefolgt von einem 4,8 Kilometer langen Marsch auf den Loop, und endete mit einer Kundgebung auf der Near North Side. Am Sonntag hob Bürgermeisterin Lori Lightfoot (Demokraten) angesichts einer riesigen Demonstration in der Innenstadt und anderer Proteste in der Metropolregion die für die Stadt geltende Ausgangssperre auf.

Die Chicago Tribune berichtete: „Eine Woche, nachdem sich die Unruhen wegen des Todes von George Floyd über ganz Chicago ausgebreitet hatten, traf sich am Sonntagmorgen eine multiethnische Menge aus Hunderten von Menschen an einer der meistbefahrensten Kreuzungen der South Side zu einer friedlichen Demonstration.

Der Marsch begann an der 79. Straße und der Cottage Grove Avenue. Mindestens 300 Menschen liefen eine Meile zum Parkplatz einer Bank an der State Street. Die Veranstalter begannen, 1.000 Mahlzeiten an hungrige Anwohner der Stadtteile Chatham, Auburn Gresham und Englewood auszuteilen, nachdem aufgrund von Unruhen zahlreiche örtliche Geschäfte vorübergehend geschlossen blieben.“

Ein Anzeichen für die Entschlossenheit, mit der die große Mehrheit der Bevölkerung ein Ende der Polizeimorde in Amerika fordert, ist die Verbreitung der Proteste in Dörfern und Kleinstädten im ganzen Land, vor allem im Süden, der früheren Bastion der Rassentrennung und des Ku-Klux-Klan. Der Ausbruch von Protesten in Gebieten, die vom politischen Establishment und den Mainstreammedien als unumstößlich „konservative“, „republikanische Staaten“ oder sogar „rassistisch“ eingestuft werden, hat bewiesen, dass es eine starke, einige Bewegung innerhalb der Arbeiterklasse und der Jugend gegen Rassismus und Polizeigewalt gibt.

Der Umfang und die geografische Ausbreitung der Proteste zeugt nicht nur vom großen Engagement junger Menschen und Arbeiter für demokratische Rechte und ihrem Hass auf die faschistische Trump-Regierung. Sie zeigt auch die wachsende Wut der Arbeiterklasse über soziale Ungleichheit und Krieg, die durch die kriminell fahrlässige Reaktion der Regierung auf die Corona-Pandemie weiter angeheizt wird.

Arbeiter sind sich sehr bewusst, dass ihr Leben der herrschenden Klasse und dem politischen Establishment nichts bedeutet. Die Versuche, sie trotz der anhaltenden Pandemie wieder an die Arbeit zu schicken, war der jüngste Beweis dafür. Die Pandemie wird benutzt, um eine weitere massive Rettung der Konzerne und Banken zu organisieren. Die Aktienkurse stiegen auf ein Rekordniveau, während Dutzende Millionen Arbeitsplätze dauerhaft zerstört und Sozialleistungen abgebaut werden.

Von besonderer Bedeutung waren die Protestveranstaltungen in kleineren Städten im Süden und Westen des Landes:

* In Vidor (Texas) marschierte eine Gruppe von zweihundert Menschen verschiedener Hautfarben zu einer Kundgebung. Die Stadt war früher bekannt als Hochburg des Ku-Klux-Klan und „Sundown Town“, in der Schwarze nach Einbruch der Dunkelheit verhaftet oder misshandelt wurden.

* In Fairmont (West Virginia), einer berühmten Kohlebergbaustadt, demonstrierten letzte Woche Hunderte vor dem Gerichtsgebäude von Marion County.

* In Sheridan (Wyoming), einer Stadt mit 17.000 Einwohnern an der Nordgrenze zu Montana, fand am Freitagabend eine friedliche Solidaritätskundgebung für Black Lives Matter mit 500 Teilnehmern vor der öffentlichen Bibliothek des County statt. Von dort aus zogen die Demonstranten über die Hauptstraße zum Gerichtgebäude und wieder zurück zur Bibliothek. Die Demonstration verlief trotz der Provokationen einer Handvoll Gegendemonstranten friedlich.

* In Norfolk (Nebraska) zeigten 300 Menschen an einer befahrenen Straßenkreuzung ihre Empörung über den Tod von George Floyd. Der Organisator der Kundgebung, Eduardo Mora, der im Nachbarort wohnt, erklärte: „Diese Veranstaltung war wichtig, vor allem mitten in Nebraska.“

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