Airbus streicht 15.000 Stellen

Corona-Krise führt zu Massenentlassungen und Lohnsenkungen in ganz Europa

Während die Wirtschaftskrise, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, anhält, werden in fast allen Branchen und Ländern Europas Hunderttausende Stellen gestrichen.

Die europäische herrschende Klasse nutzt den Abschwung für eine historische Umstrukturierung der Klassenbeziehungen. Die Gewerkschaften arbeiten dabei Hand in Hand mit den Arbeitgebern, um die Löhne zu kürzen und den Abbau von Arbeitsplätzen sowie die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Zu den am stärksten betroffenen Bereichen gehören die Fluggesellschaften und die mit ihnen verbundenen produzierenden Branchen. Am Dienstag kündigte der französisch-deutsche Flugzeughersteller Airbus die Vernichtung von weltweit 15.000 Arbeitsplätzen an, darunter 5.100 in Deutschland, 5.000 in Frankreich, 1.700 in Großbritannien, 900 in Spanien und den Rest an anderen Standorten überall auf der Welt.

Airbus-Vorstandschef Guillaume Faury erklärte am Montag in der Zeitung Die Welt, die Wirtschaftstätigkeit des Unternehmens werde im Vergleich zu früheren Prognosen für 2020 und 2021 um 40 Prozent niedriger liegen. Angesichts des globalen Zusammenbruchs des Reiseverkehrs werde sie erst zwischen 2023 und 2025 auf das Niveau von 2019 zurückkehren.

Die Gewerkschaften haben bereits deutlich gemacht, dass sie keinen Widerstand gegen den Arbeitsplatzabbau leisten werden. In Frankreich haben die Gewerkschaften nur gefordert, es dürfe keine „betriebsbedingten Kündigungen“ geben, d.h. sie werden mit dem Management daran arbeiten, genug Arbeiter zur freiwilligen Kündigung zu nötigen. Airbus selbst erklärte, es werde Entlassungen geben, wenn nicht genug Arbeiter durch Druck zu einer freiwilligen Kündigung gebracht werden können.

Boeing, der Hauptrivale von Airbus, kündigte den Abbau von 16.000 Stellen bzw. zehn Prozent der Belegschaft an. Rolls Royce, das Jet-Motoren herstellt, baut weltweit 9.000 Stellen ab.

Bei den großen Fluggesellschaften wird die Lufthansa mindestens 22.000 ihrer 138.000 Stellen streichen. Air France-KLM baut 6.000 bis 10.000 von insgesamt 80.000 Stellen ab, British Airways 14.000 von 42.000 Stellen, Ryanair kürzt 3.000 Stellen. Scandinavia Airlines kündigte bereits im April den Abbau von 5.000 Stellen in Schweden, Dänemark und Norwegen an. Der britische Billigflieger Easyjet kündigte im Mai die Kürzung von 4.500 Jobs bzw. 30 Prozent der Belegschaft an, darunter ein Drittel aller Pilotenstellen in Großbritannien. Bei Virgin Atlantic fallen 3.000 Stellen weg.

Letzte Woche kündigte die Servicegesellschaft für Fluggesellschaften und Flughäfen Swissport, die weltweit 64.000 Arbeiter beschäftigt, den Abbau von 4.556 Arbeitsplätzen in Großbritannien und Irland an. In Belgien wurden bereits am 9. Juni 1.500 Beschäftigte entlassen. Gegenüber Euronews erklärte das Unternehmen, es werde unweigerlich gezwungen sein, weitere Entlassungen anzukündigen, nannte aber keine Zahlen. Das dänische Schifffahrtsunternehmen DFDS wird laut einem Bericht in Shipping Today vom Dienstag in den kommenden Monaten 650 Stellen abbauen.

Die Finanzberatungsfirma Allianz veröffentlichte am 17. Juni einen Bericht mit dem Titel „Das Risiko von neun Millionen Zombie-Arbeitsplätzen in Europa“, der deutlich macht, dass diese Entlassungen erst der Anfang sind. Demnach droht neun Millionen Menschen in den fünf größten europäischen Volkswirtschaften (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien) innerhalb des nächsten Jahres der Verlust ihrer Arbeitsplätze, wenn die staatlichen Schutzprogramme auslaufen, die den Unternehmen während der Pandemie ein Teil der Löhne ihrer Beschäftigten gezahlt haben.

Weiter heißt es, dass fast ein Drittel der Erwerbsbevölkerung in diesen fünf Ländern (45 Millionen) momentan von vorübergehenden staatlichen Lohnzahlungsprogrammen abhängig sind, die jedoch früher oder später auslaufen. Die Studie rechnet damit, dass innerhalb des nächsten Jahres weitere 4,3 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen werden, selbst wenn diese Programme weitergeführt werden.

In der Autobranche plant BMW laut einem Bericht, der am 20. Juni von der belgischen Nachrichtenagentur Belga veröffentlicht wurde, den Abbau von weltweit 6.000 Stellen. Der Betriebsrat hat dem Abbau bereits zugestimmt. Bei Daimler informierte der Betriebsrat die Arbeiter im Juni, dass noch mehr als die bereits angekündigten 15.000 Stellen abgebaut werden, und bezeichnete dies als notwendig.

Renault kündigte im Mai den Abbau von 15.000 Stellen bzw. fast zehn Prozent seiner weltweit 180.000 Stellen an. Geplant ist vermutlich auch die Schließung von vier Werken in Frankreich. Nissan will weitere 20.000 Jobs streichen. Der britische Ölkonzern BP kündigte am 8. Juni den Abbau von 10.000 Stellen an, die meisten davon bis Ende 2020.

Beim französischen Einrichtungs- und Möbelhaus Alinéa läuft seit dem 12. Mai ein Insolvenzverfahren, nachdem es erklärt hatte, es könne seine Gläubiger nicht bezahlen. Dutzende weitere Konzerne wurden ebenfalls unter Konkursverwaltung gestellt, darunter Celio, La Halle, Spartoo André, Naf Naf und Camaïeu. Auch bei diesen Unternehmen drohen Tausende von Entlassungen. Das Touristikunternehmen Tui France hat die Streichung von 583 Stellen, bzw. zwei Drittel seiner Belegschaft, angekündigt. In Deutschland nutzt die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof die Krise für einen massiven Kahlschlag, bei dem sie eng mit der Gewerkschaft Verdi zusammenarbeitet.

Der Abbau von zehntausenden Arbeitsplätzen wird mit der entscheidenden Unterstützung der Gewerkschaften durchgesetzt. Ihre Rolle ist es, den Widerstand der Arbeiter gegen die Zerstörung ihrer Arbeitsplätze abzuwürgen und sicherzustellen, dass die Arbeiterklasse nicht nur mit unzähligen Toten, sondern auch durch einen Angriff auf ihren Lebensstandard die Kosten für die Corona-Pandemie trägt.

Bei der Lufthansa waren die Gewerkschaften die begeistertsten Verfechter einer staatlichen Rettungsaktion, die nicht nur den Abbau von 22.000 Stellen, sondern auch Verschlechterungen der Löhne und Arbeitsbedingungen umfasst.

Ähnliche Abkommen werden auch in ganz Frankreich durchgesetzt. Im Juni haben die französischen Gewerkschaften unter Führung der Force ouvrière in Derichebourg ein Abkommen mit einem Zuliefererbetrieb von Airbus abgeschlossen, in dem sie der Streichung des 13. Monatsgehalts – und damit faktisch einer Lohnsenkung von acht Prozent – und weiterer Boni zustimmen, angeblich um die Schließung des Werks mit 1.600 Beschäftigten zu verhindern.

Nachdem die herrschende Klasse in allen Ländern massive staatliche Rettungspakete an die Konzerne verteilt hat, benutzt sie die Bedingungen, die die Pandemie bietet, für eine historische Umgestaltung der Klassenverhältnisse.

Die Gewerkschaften unterstützen diese Offensive und versuchen gleichzeitig, durch das aggressive Schüren von Nationalismus und Chauvinismus die Arbeiter in den einzelnen Ländern gegeneinander aufzuhetzen und sie daran zu hindern, einen gemeinsamen Kampf zu führen.

Am Donnerstag veranstaltete die CGT vor dem Luxfer-Werk in Gerzat eine Kundgebung mit dem Parteichef von La France insoumise (LFI), Jean-Luc Mélenchon, und dem Europaabgeordneten Raphael Glucksmann, der bei der Europawahl 2019 für die Parti Socialiste angetreten war. Bis zu seiner Schließung im Juni 2019 wurden in dem Werk Sauerstoffflaschen für den medizinischen Gebrauch hergestellt. Das Luxfer-Werk war das Ziel einer nationalistischen Kampagne, die von der CGT bis hin zur rechtsextremen Marine Le Pen reichte. Die Macron-Regierung wurde aufgefordert, das Werk zu kaufen, damit Frankreich nicht von Sauerstofflieferungen aus dem Ausland abhängig wird.

Glucksmann erklärte auf der Kundgebung: „Durch die Schließung dieses Betriebs verurteilen wir Europa zur Abhängigkeit von Türken und Amerikanern. Wenn man wirklich diese Produktion aus dem Ausland zurückholen und diese industrielle Souveränität wiederherstellen will, sollten wir zuerst dieses Werk retten!“ Mélenchon fügte hinzu: „Die Arbeiter bei Luxfer sind bereit, ihre Arbeit wieder aufzunehmen und Sauerstoffflaschen zu produzieren, die nicht nur Frankreich, sondern die ganze Welt braucht.“ Die Reaktion von LFI auf die Pandemie konzentrierte sich auf Forderungen, die wirtschaftliche „Unabhängigkeit“ und Souveränität Frankreichs wiederherzustellen.

Diese nationalistische Demagogie soll von der wirklichen Ursache des andauernden Angriffs auf Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen ablenken: der globalen Krise des kapitalistischen Systems. Gleichzeitig soll sie verhindern, dass sich die Arbeiter über alle nationalen Grenzen hinweg gegen dieses System vereinigen. Die Billionen, die an die Banken und Konzerne verteilt wurden, sollen durch verschärfte Ausbeutung der Arbeiterklasse und die Zerstörung von Sozialprogrammen wieder hereingeholt werden.

Die Antwort der Arbeiterklasse muss eine eigene internationale Gegenoffensive sein. Sie muss den korrupten nationalistischen Gewerkschaften die Kontrolle über den Kampf entreißen, da sie Werkzeuge der Konzernführungen sind. Stattdessen muss der Kampf von unabhängigen Aktionskomitees geführt werden, die von Arbeitern kontrolliert werden und sich über den ganzen Kontinent ausdehnen.

Der zunehmende Kampf der Autoarbeiter in den USA gegen die Back-to-Work-Kampagne unter Führung der Trump-Regierung zeigt, dass es eine starke objektive Basis für die Entwicklung eines solchen internationalen Kampfs gibt. Er muss mit einem sozialistischen Programm für die Errichtung von Arbeiterregierungen und die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaft verbunden werden.

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