Internationales Olympisches Komitee wirbt mit Nazi-Propaganda für Olympische Spiele

Am 23. Juli stellte die Öffentlichkeitsabteilung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) auf ihrem Twitter-Kanal ein Video mit Ausschnitten aus dem Propagandafilm Olympia von 1936 ein. Leni Riefenstahl hatte ihn drei Jahre nach der Machtübernahme durch Hitler und die Nazis für die Olympischen Spiele in Berlin gedreht.

Die nationalsozialistische Diktatur hatte bereits mit der brutalen Verfolgung von Linken und Juden begonnen. Da boten die Olympischen Spiele in Berlin eine ideale Gelegenheit, um Anerkennung bei einem internationalen Publikum zu werben. Die Bedeutung für das Nazi-Regime und die Rolle der Filmregisseurin Leni Riefenstahl bei der Verbreitung der nationalsozialistischen Ideologie hat die WSWS in einem Artikel Leni Riefenstahl - Propagandistin für das Dritte Reich erklärt.

Das IOC-Video mit dem Hashtag #Strongertogether zeigte die jubelnde Menge 1936, den Einzug der Mannschaften in die Arena und den traditionellen Fackellauf, mit dem die Spiele beginnen. Der das Video begleitende Text lautete: „Berlin 1936 markierte den ersten olympischen Fackellauf, der das Feuer zur Schale brachte. Wir können es kaum erwarten, den nächsten in Japan zu sehen. #Strongertogether.“

Das IOC verteidigte zunächst die Veröffentlichung des Videos, war aber nach einem Proteststurm kritischer Tweets gezwungen, es einen Tag später zu löschen. Ein Tweet aus dem Auschwitz-Museum lautete: „Zwei Wochen lang hat die Nazi-Diktatur ihren rassistischen, militaristischen Charakter getarnt. Es nutzte die Spiele, um ausländische Zuschauer mit dem Bild eines friedlichen, toleranten Deutschlands zu beeindrucken. Später beschleunigte Deutschland seinen Expansionismus, die Verfolgung der Juden und anderer ‚Feinde des Staates‘“.

Ein weiterer Tweet lautete: „Dies zeigt einen völligen Mangel an Respekt für all jene deutschen Juden, die damals unterdrückt wurden! Die Spiele fanden nur ein Jahr statt, nachdem das Regime seine antisemitischen und rassistischen Nürnberger Gesetze verabschiedet hatte.“

In einem anderen Tweet wurde die Verwendung der Filmsequenzen kritisiert. „Es ist allemal heikel, Filmmaterial aus einem Nazi-Propagandafilm (Riefenstahls ‚Olympia‘) zu verwenden, um #Strongertogether auszudrücken. Wie viele jüdische Athleten durften denn zu dieser Zeit für Deutschland starten?“

Die Nutzung von Ausschnitten aus Riefenstahls zweiteiligem Olympia-Film macht deutlich, dass der Versuch, die deutsche Geschichte zu revidieren und die Verbrechen der Nazis zu verharmlosen, nicht auf die Sphäre von Politik und Wissenschaft beschränkt ist. Dies betrifft auch die Welt des Sports, wobei eine solche Entwicklung nicht aus heiterem Himmel kommt.

Ein genauerer Blick auf die Geschichte des IOC zeigt, dass Führungspositionen dieser Organisation über lange Zeiträume von ehemaligen Nazis, Sympathisanten des NS-Regimes oder anderen Rechten besetzt waren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte eine Reihe von nationalsozialistischen Spitzenfunktionären im Sport wieder in führende Positionen der westdeutschen Sportverwaltung zurückkehren. Drei der prominentesten waren Carl Diem, Guido von Mengden und Karl Ritter von Halt. Alle drei Männer hatten Machtpositionen innerhalb der nationalsozialistischen Sportverwaltung bekleidet.

Carl Diem war Generalsekretär des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin und arbeitete mit Riefenstahl zusammen, um die Spiele als Propaganda-Coup für die Nazis zu gestalten. Nach dem Krieg gründete Diem das Nationale Olympische Komitee Deutschlands und war ab 1950 bis 1953 Sportreferent im Bundesinnenministerium.

Unter Hitler war Guido von Mengden Mitglied des Deutschen Olympischen Komitees und Herausgeber der nationalsozialistischen Sportzeitschrift, die an jeden Soldaten an der Front geschickt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm von Mengden das Amt des Generalsekretärs des Deutschen Sportbundes und spielte eine führende Rolle bei der Förderung der Olympischen Spiele 1972 in München.

Karl Ritter von Halt trat 1932 in die NSDAP ein und brachte es im Laufe seiner sportlichen Karriere rasch zum Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Nach dem Krieg wurde er als Kriegsverbrecher von den Sowjets verhaftet. Dennoch konnte er in das IOC zurückkehren und wurde Präsident des Deutschen Olympischen Komitees und Ehrenpräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.

Auch führende Politiker spielten in diesem Prozess eine Rolle. Ausschnitte aus Riefenstahls Film konnte das IOC nur zeigen, weil es die Rechte an dem Film vom sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder erworben hatte. Schröder verkaufte den teilweise in Staatsbesitz befindlichen Film 2002 heimlich an das IOC, als sich Deutschland um die Ausrichtung der Olympischen Spiele in Leipzig bewarb.

Dass prominente Anhänger des Nationalsozialismus nach dem Zweiten Weltkrieg führende Posten in Sportorganisationen bekleideten, war nicht auf Deutschland beschränkt. Einer der leidenschaftlichsten Verfechter einer Ausrichtung der Spiele 1936 durch Nazi-Deutschland war der amerikanische Sportfunktionär Avery Brundage, der auch nach dem Krieg eine führende Rolle spielte.

Brundage widersetzte sich 1936 vehement allen Bemühungen um einen Boykott der Berliner Spiele und wurde im gleichen Jahr in das IOC gewählt. Im Oktober 1936 hielt er im Madison Square Garden eine Rede vor dem Deutsch-Amerikanischen Bund und erklärte: „Vor fünf Jahren waren sie [die Deutschen] entmutigt und demoralisiert heute sind sie vereint – sechzig Millionen Menschen, die an sich selbst und an ihr Land glauben.“

Der millionenschwere Baumogul war ein führendes Mitglied der rechtsgerichteten Organisation America First und wurde 1952 zum Präsidenten des IOC gewählt. In dieser Funktion war er bis 1972 tätig, als die Olympischen Sommerspiele erstmals wieder in Deutschland stattfanden.

Auch nach dem Weggang von Brundage ist das IOC mit Sitz in der Stadt Lausanne in der angeblich politisch „neutralen“ Schweiz eine Brutstätte des Rechtsextremismus geblieben. Von 1980 bis 2001 wurde die Organisation von Juan Antonio Samaranch geleitet, dem ehemaligen Sportminister im faschistischen Regime von General Franco in Spanien.

Zum ersten Mal seit dem Krieg steht mit Thomas Bach, Mitglied der neoliberalen FDP, wieder ein Deutscher an der Spitze des IOC. Bach, der entgegen allen IOC-Regeln im Besitz eines deutschen Diplomatenpasses ist, steht seit seinem Amtsantritt als Präsident im Jahr 2013 im Zentrum einer Reihe von Korruptionsskandalen. Als IOC-Präsident ist Bach letztlich für die Verwendung des Riefenstahl-Videos verantwortlich.

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