Lufthansa verschärft Arbeitsplatzabbau gestützt auf Gewerkschaften

Wenige Tage nachdem die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle weitgehende Zugeständnisse der Gewerkschaft signalisierte und im Spiegel-Interview Widerstand der Belegschaft in Form von Streik als völlig unangemessen bezeichnete, kündigte Lufthansa-Chef Carsten Spohr an, den Arbeitsplatzabbau zu beschleunigen und zu verschärfen.

Auf einer Bilanzpressekonferenz am Donnerstag in Frankfurt sagte Spohr, angesichts anhaltender hoher Verluste müsse der angekündigte Abbau von 22.000 Vollzeitjobs schneller und umfassender stattfinden, als bisher geplant. Die Zusage, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, könne unter den Bedingungen der verschärften Krise im weltweiten Luftverkehr nicht aufrechterhalten werden.

Die Anleger reagierten begeistert. Die Lufthansa-Aktie legte zeitweise um acht Prozent zu.

Es ist jetzt klar, dass die Staatshilfen für die Lufthansa im Umfang von 9 Milliarden Euro dazu dienen den Konzern auf Kosten der Beschäftigten zu rationalisieren und auf Profit zu trimmen. Die Corona-Krise wird genutzt, um massive Sozialkürzungen, Lohnsenkung und Arbeitsplatzabbau durchzusetzen.

Dabei arbeitet die Konzernleitung eng mit den drei im Betrieb vertretenen Gewerkschaften zusammen: der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO), der Pilotengewerkschaft Cockpit (VC) und natürlich Verdi, die bei der Lufthansa seit jeher als Hausgewerkschaft fungiert. Alle drei sind im Aufsichtsrat vertreten, wobei Verdi-Funktionärin Behle den einflussreichen und lukrativen Posten der stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden inne hat. Die Gewerkschaften sind an allen Strategiedebatten maßgeblich beteiligt. Viele Sparmaßnahmen und Kürzungsprogramme werden direkt von der Gewerkschaft und ihren Wirtschafts- und Sozialinstituten konzipiert und ausgearbeitet.

Das gilt auch für das neue Restrukturierungsprogramm „ReNew“, das Vorstandschef Spohr auf der Pressekonferenz vorstellte. Auf seiner Grundlage sei es bereits jetzt möglich gewesen den Arbeitsplatzabbau voranzubringen. Bis Ende Juni sei die Zahl der Beschäftigten bereits um knapp 8.300 auf weltweit 129.400 gesenkt worden. Allerdings sei das nur der Anfang. In den kommenden zwei Jahren müsse die Produktivität um 15 Prozent gesteigert werden.

Alle drei Gewerkschaften stimmten dem milliardenschwere Rettungspaket der Bundesregierung zu und riefen sogar zu Kundgebungen auf, um es zu unterstützen. Gleichzeitig überbieten sie sich gegenseitig mit Sparvorschlägen zu Lasten der Belegschaft.

UFO unterschrieb eine Vereinbarung mit Lufthansa, die dem Konzern bis Ende 2023 Einsparungen von einer halben Milliarde Euro bringt. Umgerechnet auf die 22.000 Kabinenmitarbeiter der Muttergesellschaft, für die die Vereinbarung gilt, bedeutet dies einen durchschnittlichen Einkommensverlust von 23.000 Euro im Verlauf von dreieinhalb Jahren!

Verwirklicht werden die Einsparungen durch das Aussetzen von Lohnerhöhungen, die Verkürzung der Arbeitszeit bei entsprechender Lohnsenkung, die Reduzierung der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung sowie den Abbau von Arbeitsplätzen. Hinzu kommen „freiwillige“ Maßnahmen wie unbezahlter Urlaub, weitere Arbeitszeitabsenkungen sowie ein vorzeitiger Eintritt in die Rente. Die Betroffenen verlieren damit nicht nur einen großen Teil ihres gegenwärtigen Einkommens, sondern auch ihrer zukünftigen Altersversorgung.

Cockpit hatte bereits Ende April jährliche Einsparungen in Höhe von 350 Millionen Euro bei den Piloten von Lufthansa, Germanwings, Lufthansa Cargo und Lufthansa Aviation Training angeboten. Die Rede war vom Verzicht auf 45 Prozent des Gehalts. Mittlerweile hat die Pilotengewerkschaft ein Krisenpaket über Kürzungen in Gesamthöhe von 850 Millionen Euro bis Juni 2022 ausgehandelt.

Verdi war mit Christine Behle, die seit 27 Jahren Mitglied der Regierungspartei SPD ist, direkt in die Verhandlungen der Bundesregierung über das Lufthansa-Rettungspaket eingebunden. Behle versicherte der Konzernleitung und den Anteilseignern, dass auch Verdi zu massiven Einschnitten bereit sei.

Im Spiegel-Interview erklärte sie, dass die Gewerkschaft immer zu Verhandlungen und Zugeständnissen bereit war und ist. „Dass Kapazitäten abgebaut werden müssen, sind wirtschaftliche Entscheidungen, die nicht von vornherein falsch sind.“

Die Kürzungen, die die Gewerkschaften anbieten sind so massiv, dass Behle warnt, sie seien „einer Belegschaft ohne konkrete Gegenleistungen nur schwer zu vermitteln“. Sie führt aus: „Stellen Sie sich mal vor: Ein Arbeitnehmer gibt für zwei Jahre 20 Prozent seines Gehalts ab und bekommt als Dank danach trotzdem die Kündigung. Am Ende bekommt er sogar weniger Arbeitslosengeld. Das geht nicht.“

Mit anderen Worten: Verdi und Co. sind zu allem bereit. Sie sind aber der Meinung, dass der Konzern zumindest verbal weiterhin betriebsbedingte Kündigungen ausschließen sollte, um die geplanten Kürzungen besser durchsetzen zu können.

Verdi und auch die beiden Fachgewerkschaften haben die ursprüngliche Ankündigung der Lufthansa auf „betriebsbedingte Kündigungen“ während der nächsten vier Jahre zu verzichten, immer als große Gegenleistung des Konzerns dargestellt. Nun hat Lufthansa-Chef Spohr deutlich gemacht, was davon zu halten ist – Nichts! Es sei immer nur eine Absichtserklärung gewesen, die angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht aufrecht erhalten werden könne.

Es ist gut möglich, dass die jüngste Verlautbarung von Spohr Teil des abgekarteten Spiels ist und Verdi am Ende ein erneutes Lippenbekenntnis für einen zeitweisen Verzicht von „betriebsbedingten Kündigungen“ einsetzen will, um noch weitergehende Lohnsenkungen und Sozialabbau durchzusetzen.

Doch auch wenn Spohr seine ohnehin wertlose Zusage nicht erneuert und über Nacht tausende Beschäftigte fristlos gekündigt werden, würden die Gewerkschaften keinen Finger rühren. Auf die Frage des Spiegel, ob es „überhaupt eine Chance“ gebe, „den Stellenabbau im großen Stil“ nicht nur bei Lufthansa, sondern auch bei anderen europäischen Fluggesellschaften „zu verhindern oder gar dagegen zu streiken“, antwortet Behle: „In so einer Situation ergeben Streiks keinen Sinn.“ Was man brauche sei „einfach ein vernünftiges Miteinander“.

Vor wenigen Wochen schrieben wir auf der WSWS: „Die Ereignisse bei Lufthansa zeigen eindrücklich den Bankrott der Gewerkschaften und ihrer Perspektive.“ Das hat sich nun in vollem Umfang bestätigt.

Seit Jahrzehnten ordnen die Gewerkschaften die Interessen der Arbeiter im Rahmen der Sozialpartnerschaft den Profitinteressen der Konzerne unter. Es gibt in Deutschland und in den meisten andern Ländern, keine Massenentlassung und Betriebsstilllegung, die nicht die Unterschrift der Gewerkschaften und ihrer Betriebsräte trägt. Bei Lufthansa gehen die Gewerkschaften nun soweit, im Namen der „Unternehmensrettung“ die Vernichtung zehntausender Arbeitsplätze und einen massiven Lohn- und Sozialabbau anzubieten.

Mit diesen Organisationen lässt sich kein Arbeitsplatz, keine soziale Errungenschaft, überhaupt nichts verteidigen. Nach ihrem Einkommen und ihrer sozialen Stellung stehen die Gewerkschaftsfunktionäre, Betriebsratsfürsten und sogenannten Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten den Managern und Aktionären viel näher, als den Arbeitern am Band oder den Angestellten an den Computern. Politisch sind sie vehemente Verteidiger des Kapitalismus, dessen Bankrott mit der Corona-Krise von Tag zu Tag deutlicher wird.

Die Krise der Luftfahrtindustrie lässt sich auf kapitalistischer Grundlage und im nationalen Rahmen nicht lösen. Sie erfordert die Enteignung der Konzerne und ihre Überführung in demokratisch kontrollierte, öffentliche Institutionen, die den gesellschaftlichen Bedürfnissen und nicht dem Profit dienen.

Die Beschäftigten der Luftfahrtindustrie müssen mit den bankrotten Gewerkschaften brechen und unabhängige Aktionskomitees aufbauen, die sich international und konzernübergreifend vernetzen und den Kampf zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und Löhnen organisieren. Die WSWS wird sie dabei unterstützen.

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