Tarifkonflikt an der Berliner Charité setzt sich fort

Der seit Jahren schwelende Tarifkonflikt bei der Charité Facility Management (CFM) hat sich in den letzten Wochen verschärft. Die Beschäftigten der ausgegliederten Tochtergesellschaft der Berliner Charité stehen dabei einer Allianz aus den Parteien des rot-rot-grünen Senats und der Gewerkschaft Verdi gegenüber.

In diesem Jahr kam es bereits zu mehreren Streikaktionen, zuletzt Ende August, die immer wieder ohne Ergebnis von der Gewerkschaft beendet wurden. Die Beschäftigten fordern eine Angleichung der Löhne an die des Charité-Stammpersonals und bessere Arbeitsbedingungen.

Warnstreik an der Berliner Charité 2015

Vor 14 Jahren wurden die Beschäftigten der CFM vom damals regierenden Senat aus SPD und Linkspartei aus dem Mutterunternehmen ausgegliedert, um Lohnkosten zu senken und die Arbeitsbedingungen zu verschärfen. Obwohl im Koalitionsvertrag des rot-rot-grünen Senats von 2016 eine Angleichung an den TVöD vereinbart wurde, liegt der Netto-Monatslohn bei der CFM immer noch bis zu 800 Euro darunter. Darüber hinaus setzt die Charité das Outsourcing in den nicht-ärztlichen und nicht-pflegerischen Bereichen unvermindert fort, was die Spirale nach unten fortsetzt.

Die CFM, die Leistungen wie Reinigung, Transport und Catering für die Charité übernimmt, gehörte bis Ende 2018 zu 51 Prozent der Charité und zu 49 Prozent der VDH Health Care Services GbR, hinter der die Unternehmen Vamed, Dussmann und Hellmann standen. Seit Januar 2019 hält die Charité durch einen Rückkauf wieder 100 Prozent der Anteile.

Dem war eine lange Kampagne von Senat und Gewerkschaften vorausgegangen, laut der Löhne und Arbeitsbedingungen durch den Rückkauf deutlich verbessert würden. Tatsächlich trat das ein, was die WSWS im März 2017 vorausgesagt hatte. Durch den Rückkauf wurden „nicht die prekären Arbeitsbedingungen der 2800 Beschäftigten verbessert“, sondern „Niedriglöhne und verschärfte Arbeitsbedingungen in der gesamten Charité festgeschrieben“.

In den letzten 14 Jahren hat es nicht an Wut und Kampfbereitschaft der CFM-Beschäftigten gefehlt, gegen Löhne zu protestieren, von denen ein vernünftiges Leben kaum möglich ist. Auch die Beschäftigten der Charité fordern mehrheitlich eine Rücknahme der Ausgliederung und eine Angleichung der Löhne. Doch Verdi hat in den ganzen Jahren in enger Abstimmung mit dem Management und den Senatsparteien dafür gesorgt, dass die Sparpolitik auf Kosten der Beschäftigten fortgesetzt wird.

In der aktuellen Tarifauseinandersetzung ist es nicht anders. Grüne und Linke senden seit Monaten Solidaritätsadressen an CFM-Beschäftigte im Warnstreik, während sie im Senat strikt gegen eine Angleichung der Löhne sind. Seit über vier Wochen verhandelt Verdi im Geheimen mit dem Senat.

Anfang Oktober brachte der regierende Oberbürgermeister Michael Müller (SPD) ein Schlichtungsverfahren ins Spiel. Zynisch beteuerte er dabei einmal mehr, dass die Einkommenssituation der CFM-Beschäftigten verbessert werden solle, um gleich wieder einzuschränken, eine tarifliche Einigung müsse aber mit der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens in Einklang gebracht werden. Mit demselben Argument der Wirtschaftlichkeit hatten SPD und Linke 2006 die CFM ausgelagert und seither die Niedriglöhne begründet.

Wie die der Linkspartei nahestehende Junge Welt berichtet, soll es sich bei dem von Verdi angefragten Schlichter um niemand anderen als Gregor Gysi handeln. Dies wäre an Dreistigkeit kaum zu überbieten und ist eine Drohung an die Beschäftigten. Der langjährige Kopf der Linkspartei-Vorgängerin PDS war 2002 stellvertretender Bürgermeister und Wirtschaftssenator in Berlin. Er war einer der Architekten der radikalen Sparpolitik, die die soziale Infrastruktur der Hauptstadt weitgehend zerstörte.

Gysi hatte dieses Amt angetreten, um „harte Einschnitte mitzutragen“, wie er damals dem Tagespiegel erklärte. Er wolle die Stadt „für seriöse Investoren interessanter“ machen und die Verwaltung „straffen, entbürokratisieren und transparenter gestalten“. Kaum im Amt beschlossen SPD und PDS einen Doppelhaushalt für die Jahre 2002/03, der alles in den Schatten stellte, was der CDU-SPD-Senat in den vergangenen zehn Jahren an unsozialen Sparmaßnahmen durchgesetzt hatte. In diesem Rahmen erfolgten auch die Sparmaßnahmen bei der Charité und allen anderen städtischen Kliniken.

Seit Jahren beteiligen sich nur wenige Kollegen an den zahnlosen Protesten, die Verdi organisiert. Oft sind bei Demonstrationen nur rund zwei Dutzend Gewerkschaftsbürokraten und ihre pseudolinken Unterstützer vor Ort. Die Belegschaft wurde zu lange von den Gewerkschaften belogen und betrogen.

Weit größere Sorgen als die zahnlosen Verdi-Proteste bereitet den Gewerkschaften und den etablierten Parteien die wachsende Wut der Beschäftigten in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen. Sie fürchten eine breite Streikbewegung, die sie nicht kontrollieren können und die sich gegen das bestehende kapitalistische System richten würde. In den letzten Jahren ist es immer häufiger zu Streiks und Protesten gegen niedrige Löhne und miserable Arbeitsbedingungen gekommen. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung weiter verschärft.

Erst Anfang der Woche legten Pflegekräfte von Charité und Vivantes im Laufe der Verhandlungen im öffentlichen Dienst mehrere Tage die Arbeit nieder. Auch in anderen Bundesländern wurden Kliniken bestreikt.

Seit mittlerweile 16 Monaten streiken Beschäftigte der Asklepios-Kliniken in Seesen im Kreis Goslar für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. Der für seine schlechten Arbeitsbedingungen bekannte private Klinikträger und Verdi versuchen hier seit Langem, den Protest abzuwürgen. Wie die taz anmerkt, „scheint die Bereitschaft vieler Beschäftigten ungebrochen, notfalls auch unbefristet weiter zu streiken“. Eine Streikversammlung hatte sich zuletzt einhellig für eine Fortsetzung des Arbeitskampfes ausgesprochen.

Auch international streiken im Rahmen der Corona-Pandemie Pflegekräfte, Ärzte und andere Beschäftigte in Kliniken für Arbeitsschutz und bessere Bedingungen. In Frankreich, Spanien, den USA und anderen Ländern legen Tausende die Arbeit nieder.

Ein erfolgreicher Kampf der Beschäftigten der CFM kann nur unabhängig von den Gewerkschaften geführt werden. Er erfordert den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees und benötigt eine internationale und sozialistische Perspektive.

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