Corona-Infektionen in Deutschland auf neuem Rekordstand

Die Zahl der gemeldeten Corona-Neuinfektionen in Deutschland hat am Samstag mit 23.399 Fällen einen neuen Rekordstand erreicht, wie das Robert Koch-Institut (RKI) mitteilte. Damit wurde der bisherige Höchststand vom Tag zuvor nochmals um rund 2000 Fälle übertroffen. Die Zahl der Todesopfer stieg um 130 und liegt nun bei 11.226.

Berliner Klinik Charité (Bild: Wikimedia / INTERRAILS)

Die Situation in den Kliniken und besonders auf den Intensivstationen wird Tag für Tag dramatischer. Am 7. November wurden 2.839 Patienten intensivmedizinisch betreut. Genau einen Monat zuvor waren es noch 470 gewesen. Die Anzahl der beatmungspflichtigen Patienten stieg im selben Zeitraum laut DIVI-Register von 233 auf 1.534.

Mediziner gehen davon aus, dass spätestens zu Beginn des nächsten Monats die Kapazitäten an Intensivbetten erschöpft sind. Eine konkrete Vorhersage erweist sich als schwierig, da zahlreiche Betten als verfügbar gemeldet sind, tatsächlich aber kein Personal dafür vorhanden ist. Im Schnitt werden pro Intensivbett fünf Pflegekräfte benötigt.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat Zweifel angemeldet, dass tatsächlich nur belegbare Betten von den Kliniken gemeldet werden. Zu befürchten sei, dass die Kliniken eine merkliche Zahl von Betten als belegbar melden, für die in Wahrheit gar kein Pflegepersonal verfügbar wäre, berichtete die Tagesschau.

Insgesamt wurden in Deutschland mittlerweile 642.488 Infektionen registriert. Noch Ende September hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewarnt, dass es zu Weihnachten 19.200 Neuinfektionen am Tag geben könnte. Dieser Wert wurde jetzt bereits im Oktober überschritten. Zuletzt musste Merkel angesichts der Infektionszahlen auch vor einem Kollaps der Intensivbetten in Deutschland warnen.

Hinzu kommt, dass nun immer häufiger Labore mit der Auswertung von Tests überfordert sind. Das RKI meldete bis 1. November einen Rückstau von insgesamt rund 99.000 Proben in 69 Laboren. Zwei Wochen zuvor waren es noch rund 21.000 in 52 Laboren. Es gebe in den letzten Wochen zunehmend Berichte von Laboren, die sich stark an den Grenzen ihrer Auslastung befänden, so das RKI.

Diese Entwicklung war vorhersehbar und vermeidbar. Alle wissenschaftlichen Prognosen und die Erfahrungen in anderen Staaten deuteten darauf hin. Doch die Regierungen in Bund und Ländern haben sich bewusst entschieden, keine effektiven Maßnahmen zu ergreifen. Sie verhängten keinen notwendigen Lockdown, sondern nur höchst inkonsequente und unzureichende Kontaktbeschränkungen. Schulen und Kitas bleiben offen, damit die Produktion in den Betrieben weiterlaufen kann.

Dies entspricht in der Praxis der menschenverachtenden Politik der „Herdenimmunität“, die dem Virus freien Lauf lässt in der Hoffnung, dass die Bevölkerung am Ende immun sei. In Schweden, wo die Herdenimmunität offizielle Regierungspolitik war, führte sie zu einer neun Mal höheren Sterblichkeitsrate als im benachbarten Finnland. Dennoch wird diese Politik von der Großen Koalition und allen europäischen Regierungen faktisch übernommen.

Wie wenig wirksam die jetzigen milden Beschränkungen sind, machen die Infektionszahlen deutlich. Eine deutliche Trendumkehr ist trotz Lockdown in Deutschland bisher nicht zu sehen, merkte auch das RKI in seinem Lagebericht vom Donnerstag an. Bisher sei eine weitere Zunahme der Übertragungen in der Bevölkerung zu beobachten. Die Ausbreitung erfolge diffus, ohne dass die Infektionsketten weiter eindeutig nachvollziehbar seien.

Besonders angespannt ist die Lage in der Hauptstadt. Berlin verzeichnet erstmals mehr als 15.000 aktive Coronavirus-Fälle. Am Samstag alleine gab es 697 neue Infektionen. Zwei weitere Todesfälle kamen hinzu. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), die die katastrophale Pandemie-Politik des Berliner Senats zu verantworten hat, befindet sich derzeit in Quarantäne.

Um von der eigenen Politik abzulenken, rief Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) zu einem „Monat der Eigenverantwortung“ auf. Damit zielte er darauf ab, der Bevölkerung die Schuld für die steigenden Infektionen zu geben. Unterstützung erhält er dabei von den Grünen.

Die Linke greift sogar die unzureichenden Maßnahmen des Senats an und spricht sich gegen jede Beschränkung der Profitinteressen der Wirtschaft aus. Die Vorsitzende der Linkspartei in Berlin, Katina Schubert, wandte sich im letzten Monat offen gegen die Kontaktbeschränkungen. „Berlin muss schauen, was für Berlin wichtig ist, genauso wie etwa Thüringen sich das auch herausnimmt. Wir müssen nicht alles mitmachen“, so Schubert gegenüber Medien.

Schubert machte damit klar, dass die Positionen des thüringischen Ministerpräsident Bodo Ramelow in der Linkspartei weit verbreitet sind. Ramelow lobte öffentlich das „schwedische Modell“ und befürwortet die „Herdenimmunität“, also die mörderische Durchseuchung der Bevölkerung mit dem Coronavirus,

Der rot-rot-grüne Senat vertritt in der Praxis diese Politik der Durchseuchung ebenso wie die große Koalition auf Bundesebene. Die Senatsverwaltung für Bildung veröffentlichte am Freitag neue Zahlen zu den Infektionsfällen an den Berliner Schulen. Seit der letzten Woche haben sich die Fallzahlen fast verdoppelt, wie die Berliner Zeitung berichtete. Die Zahl stieg von 408 auf 744 Schüler und von 157 auf 221 Mitglieder des Schulpersonals. Vor allem aber hat die Anzahl der geschlossenen Lerngruppen mit 326 einen absoluten Höchstwert erreicht, berichtet das Blatt. Ende Oktober waren es noch 22 Gruppen. In den Berufsschulen wurden 207 Schüler und 15 Lehrkräfte positiv getestet.

In den Bezirken Neukölln und Tempelhof-Schöneberg sind jeweils 105 Schüler nachweislich infiziert. Ähnlich hoch sind die Covid-19-Infektionen in Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Reinickendorf. Immer mehr Schüler, Eltern und Lehrer fordern den Regelbetrieb zu stoppen, da kein Schutz vor Ansteckung mehr gegeben ist.

Dabei stehen sie den Senatsparteien und Gewerkschaften gegenüber, die in gewohnter Ignoranz und Skrupellosigkeit den Regelunterricht durchsetzen wollen. Erst jetzt, nachdem die Infektionszahlen explodiert sind, fordert die Bildungsgewerkschaft GEW leise, den Unterricht teilweise auch zuhause durchzuführen.

Selbst dieser Vorschlag geht SPD, Grünen und Linkspartei zu weit. Ein Sprecher der Bildungsverwaltung erklärte, derzeit sei die Situation an den Schulen keineswegs so, dass der Präsenzunterricht ausgesetzt werden sollte. Schulen seien keine Hotspots, erklärte er.

Nicht nur die offensichtlichen Zahlen aus Berlin strafen diese Aussage Lügen. Studien belegen eindeutig, dass Kinder und Jugendliche eine „Schlüsselposition“ bei der Verbreitung haben und „sehr effiziente Überträger“ sind. Der Stopp des Regelunterrichts an Schulen und die Schließung von Kitas wäre ein effektiver Weg, die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Wie im gesamten Bundesgebiet sind auch die Gesundheitsämter in Berlin mit der Situation vollkommen überfordert. Amtsarzt Patrick Larscheid vom Gesundheitsamt Berlin-Reinickendorf geht davon aus, dass viele Corona-Erkrankungen letztlich unentdeckt bleiben. „Wir sehen schon ziemlich viel vom Eisberg: Aber ich schätze, dass etwa vier Fünftel unter der Wasseroberfläche bleiben. Das heißt: Auf einen Fall, den wir sehen, sehen wir ungefähr vier Fälle nicht.“

Aufgrund der Lage sei es den Gesundheitsämtern nicht mehr möglich, jeden einzelnen Fall mit viel Aufwand und sehr zügig zu bearbeiten, erklärte Gesundheitssenatorin Kalayci am Freitag. Nachdem alle etablierten Parteien, vor allem SPD und Linkspartei, in Berlin in den letzten Jahrzehnten die Gesundheitsämter kaputtgespart haben, sind sie nun nicht mehr handlungsfähig.

Nun setze man stärker auf die Eigenverantwortung von Infizierten und ihren Kontaktpersonen, so Kalayci nach einer Schaltkonferenz mit den Gesundheitsstadträten der Bezirke. Gleichzeitig erklärte sie, dass mögliche infizierte Kontakte, die nicht zu einer Risikogruppe gehören, nicht oder nicht zeitnah verfolgt werden. Dort werde es „etwas Zeit kosten“ erklärte sie, wohl wissend, dass dies wiederum zahlreiche Infektionen und möglicherweise Todesfälle nach sich ziehen kann.

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