Eine halbe Million Tote in Europa durch Covid-19-Pandemie

Gestern hat Europa einen weiteren düsteren Markstein in der Coronapandemie überschritten. Eine halbe Million Menschen sind offiziell in ganz Europa an dem Virus gestorben. Das geht aus den Zahlen hervor, die Worldometers für Europa einschließlich Russland veröffentlicht hat.

Die tatsächliche Zahl der Covid-19-Toten ist wahrscheinlich weit höher. Eine Studie, die am 14. Oktober in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, und die die überzähligen Todesfälle in 21 Ländern untersucht, ergab, dass die Zahl der Todesfälle in den Monaten Januar bis Juni um etwa 20 Prozent höher als im historischen Durchschnitt lag. Diese Übersterblichkeit wird offiziell Covid-19 zugeschrieben. Wenn dies für ganz Europa zutrifft, sind tatsächlich weitere 100.000 Todesfälle auf die Pandemie zurückzuführen.

Die Marke von 300.000 Todesfällen wurde um den 10. November überschritten, die 400.000er-Marke Ende November. Die nächsten 100.000 Todesfälle kamen innerhalb von drei Wochen. Wie schon bei den vorherigen Meilensteinen, ist die Nachricht den Medien höchstens eine kurze Erwähnung wert. Vor allem aber betreibt keine europäische Regierung eine Politik, um die wachsende Zahl der Todesopfer ernsthaft und auf wissenschaftlicher Grundlage aufzuhalten. Jede Maßnahme, die die Produktion, die Unternehmensgewinne und den Reichtum der europäischen Finanzelite einschränken würde, wird von vornherein ausgeschlossen.

Covid-19-Krankenschwester vor Notaufnahme, Krankenhaus Cremona, Norditalien [Foto: Claudio Furlan/Lapresse via AP, file]

Seit Tagen sterben jetzt in Europa täglich mehrere tausend Menschen an Sars-CoV-2. Großbritannien verzeichnete am Dienstag über 39.000 Fälle und 744 Todesfälle. Am Montag gab es in Frankreich 487 und in Italien 628 Todesfälle. Für Deutschland meldete das Robert-Koch-Institut am Dienstag 24.740 neue Fälle und nicht weniger als 962 Todesfälle! Damit ist die vergangene Woche mit über 175.000 Neuinfektionen und mehr als 4.500 Todesfällen in Deutschland die bisher mit Abstand schlimmste Woche seit Pandemiebeginn.

Das Virus breitet sich weiterhin rasant aus und beschleunigt sich sogar noch. Anfang Dezember beendeten Frankreich und Großbritannien die teilweisen Schließungen von nicht lebensnotwendigen Betrieben und Schulen und ermutigten die Bevölkerung, über die Feiertage zu verreisen. In Großbritannien kündigte die Regierung Johnson an, dass die Einkaufszentren 24 Stunden am Tag geöffnet sein würden, um sicherzustellen, dass das für den Einzelhandel profitabelste Geschäft vor Weihnachten nicht leiden würde.

In Frankreich liegt der R-Wert nun wieder über 1, was bedeutet, dass das Virus wieder exponentiell wächst. Die Macron-Regierung beendete die Abriegelungsmaßnahmen am 15. Dezember, obwohl die Fallzahlen nie unter 10.000 gefallen waren – das Doppelte der Schwelle, von der sie behauptet hatte, sie sei für eine Lockerung zwingende Voraussetzung. In Folge dessen gibt es jetzt schon 15.000 bis 20.000 Fälle pro Tag.

Christian Rabeau, Präsident der medizinischen Kommission am Regionalkrankenhaus Nancy, sagte, er erwarte eine dritte Welle ab dem 4. Januar, wenn die Schulen wieder geöffnet werden. „Es könnte dann 500 Patienten mehr auf der Intensivstation geben als heute“, sagte er gestern gegenüber Europe1. Viele Krankenhäuser nähern sich bereits der Kapazitätsgrenze. "An diesem Wochenende mussten wir Teile des Krankenhauses für die Behandlung von Covid umorganisieren, um die ankommenden Patienten aufnehmen zu können", sagte Rabeau.

In Großbritannien gerät das Virus, mit mehr als 30.000 Fällen pro Tag außer Kontrolle. Die Ausbreitung wird durch das Auftauchen eines neuen Stamms beschleunigt, der 70 Prozent infektiöser sein soll. Dieses mutierte Virus ist schon für mehr als 60 Prozent der Fälle im Südosten Englands verantwortlich. Es wurde auch schon in Italien, Spanien, den Niederlanden und Dänemark nachgewiesen.

Wissenschaftliche Auswertungen des neuen Stammes schätzen, dass er den R-Wert um 0,4 bis 0,9 erhöhen könnte. In einem Gebiet mit 10.000 täglichen Fällen würde dies 4.000 bis 9.000 neue Fälle pro Tag bedeuten. Es ist nicht bekannt, ob der neue Stamm tödlicher ist, aber ein rapider Anstieg der Fallzahlen würde die Krankenhäuser schneller überfordern und damit die Zahl der Todesfälle massiv erhöhen.

Immer mehr Wissenschaftler gehen auf die Barrikaden gegen die offizielle Politik, die zehntausende Infektionen pro Tag zulässt. Am 18. Dezember veröffentlichte die Fachzeitschrift Lancet eine Stellungnahme führender Mediziner: „Appell für einen gesamteuropäischen Einsatz für eine schnelle und dauerhafte Reduktion der SARS-CoV-2-Infektionen“.

Die Wissenschaftler erklären darin, dass „niedrige Fallzahlen Leben retten“, und sie schreiben: „Die Lockerung von Beschränkungen bei gleichzeitiger Akzeptanz hoher Fallzahlen ist eine kurzsichtige Strategie, die zu einer weiteren Welle führen wird.“ Das ist eine deutliche Anklage der aktuell betriebenen Politik. Sie raten zu sofortigen Abriegelungsmaßnahmen, bis die Fallzahlen auf nicht mehr als 10 Fälle pro Million Menschen pro Tag gesenkt würden, was beispielsweise für Frankreich etwa ein Dreißigstel der aktuellen Werte bedeuten würde.

Die Erklärung fordert eine koordinierte, gesamtkontinentale Reaktion, denn, wie sie schreiben: „Ein einzelnes Land allein kann die Zahl der Covid-19-Fälle nicht niedrig halten; gemeinsames Handeln und gemeinsame Ziele zwischen den Ländern sind daher unerlässlich.“

Die Regierungen sind jedoch bestrebt, nach den Feiertagen den normalen Geschäftsbetrieb schnellstmöglich wieder aufzunehmen. Die Regierung Macron besteht darauf, dass die Schulen am 4. Januar wieder öffnen. Auch in Großbritannien und Deutschland werden die Schulen offen gehalten. Die Regierungen nutzen die Schulen als Kinderverwahranstalt, damit sie die Eltern zwingen können, weiter zur Arbeit zu gehen. Sie sind sich bewusst, dass dies zu zehntausenden weiteren Todesfällen führen wird.

Das Vorbild ist überall Schweden, dessen Regierung ganz offen eine Politik der "Herdenimmunität" verfolgte und damit in die Katastrophe führte. Dies war der tödlichste November in Schweden seit der Spanischen Grippe im Jahr 1918. In einem Land mit nur 10 Millionen Einwohnern wurden mehr als 8.000 Todesfälle verzeichnet.

Im Gegensatz dazu haben Finnland und Norwegen 511 bzw. 405 Tote zu beklagen. Pro Kopf der Bevölkerung hat Schweden mehr als achtmal so viele Tote zu beklagen wie seine Nachbarländer. Wäre eine solche Politik auf europäischer Ebene umgesetzt worden, wären die Ergebnisse einfach katastrophal.

Alle Wissenschaftler warnen vor einem neuen Aufschwung des Virus Anfang 2021. In allen Ländern stellen die kapitalistischen Regierungen bewusst den Profit über das Leben. Nach den anfänglichen Schließungen in der ersten Hälfte des Jahres 2020 erklärten sie, dass keine Produktionseinschränkungen mehr zugelassen werden dürfen, unabhängig von der Zahl der Todesfälle. Wenn es der Kapitalistenklasse erlaubt wird, weiterhin die Politik zu diktieren, wird das Ergebnis eine Katastrophe sein, die alles, was bisher geschah, leicht in den Schatten stellen könnte.

Die Arbeiterklasse muss unabhängig eingreifen und für eine wissenschaftliche Antwort auf die Pandemie kämpfen. Die Sozialistischen Gleichheitsparteien fordern die sofortige Schließung aller Schulen und nicht lebensnotwendigen Arbeitsstätten. Arbeiter müssen für die gesamte verlorene Zeit vollständig entschädigt werden, wobei jeder Person während der Schließung ein angemessener, existenzsichernder Lohn gewährt werden muss. Kleine Unternehmen müssen vollständig entschädigt werden, und es müssen ihnen ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, um sicherzustellen, dass allen Mitarbeitern die Löhne gezahlt werden können und dass sie den Betrieb nach der Pandemie wieder aufnehmen können.

Die Tatsache, dass bereits ein Impfstoff verteilt wird, der innerhalb von Monaten unzählige Menschenleben retten könnte, macht es umso dringender, die Pandemie sofort unter Kontrolle zu bringen.

Die Behauptung, es sei kein Geld für solche Maßnahmen vorhanden, ist eine glatte Lüge. Seit Anfang des Jahres wurden Billionen Euro an Rettungsgeldern an die großen Konzerne und Banken verteilt. Wenn es um die Rettung der Reichen geht, ist den Regierungen kein Aufwand zu groß. Aber wenn es darum geht, das Leben von Arbeitern zu retten, gibt es kein Geld.

Der Kampf gegen die Pandemie ist daher ein Kampf gegen das Diktat, das die Kapitalistenklasse über das Wirtschaftsleben ausübt. Die Sozialistische Gleichheitspartei ruft zur Bildung unabhängigen Sicherheitskomitees in jedem Betrieb und in jeder Schule auf, um für einen politischen Generalstreik zu kämpfen, der die Wirtschaft stilllegen und das Virus stoppen wird. Die Antwort auf die kapitalistische Politik des Todes ist die Reorganisation des wirtschaftlichen und sozialen Lebens auf der Grundlage des Sozialismus und echter Gleichheit.

Wie die Lancet-Mediziner betonen, kann eine solche Politik nicht innerhalb eines einzigen Landes betrieben werden. Die Antwort auf die Politik, die jede Kapitalistenklasse in ganz Europa betreibt, muss in einem vereinten Kampf der Arbeiterklasse auf dem gesamten Kontinent bestehen, und das Ziel dieses Kampfs müssen die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa sein.

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