Perspektive

Der DAX mästet sich am Massensterben

Auch nach den Feiertagen geht das Massensterben in Deutschland und auf der ganzen Welt weiter. Gestern meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 852 Corona-Tote, am Mittwochvormittag die neue Rekordzahl von 1129. Der Dezember ist somit der bei weitem tödlichste Monat seit Beginn der Pandemie. Allein in Deutschland sind zwischen dem 1. und 29. Dezember offiziell über 15.500 Menschen an Corona gestorben und damit mehr als doppelt so viele wie im November (6231 Tote) und im April (5708 Tote). Bis zum Ende des Jahres wird die Todeszahl auf etwa 35.000 steigen.

Das Ausmaß des Sterbens kennt man sonst nur aus Kriegszeiten. Weltweit sind mittlerweile fast 1,8 Millionen Menschen an Covid-19 gestorben – mehr als eine halbe Million in Europa und ungefähr 350.000 in den USA. Seit Mitte März erlagen damit im Durchschnitt mehr als 6.000 Menschen täglich dem Virus. Im Ersten Weltkrieg betrug die durchschnittliche Zahl der gefallenen Soldaten pro Tag etwa 6060. Auch wenn die herrschende Klasse bemüht ist, das dramatische Ausmaß der Situation herunterzuspielen, lassen sich die Berichte von überfüllten Leichenhallen und Krematorien kaum noch unterdrücken.

Die medizinische Situation ist dramatisch. In völlig ausgelasteten Krankenhäusern kämpfen Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger verzweifelt gegen den Erstickungstod Tausender Patienten. Auf Grund der brutalen Sparpolitik der letzten Jahrzehnte fehlt es nicht nur an Personal, sondern oftmals auch an notwendigem medizinischen Gerät. Auch die soziale Situation lässt sich nur mit den großen Krisen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vergleichen. In den USA hungern 50 Millionen Menschen und seit März haben sich 73 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. In Deutschland erreichte die Armutsquote mit 15,9 Prozent (13,2 Millionen Menschen) bereits im vergangenen Jahr einen historischen Höchststand. Die Pandemie hat die soziale Ungleichheit weiter verschärft.

Auf der anderen Seite gibt es einen kleine Schicht an der Spitze der Gesellschaft, die sich unglaublich bereichert und sich am Tod und dem sozialen Elend regelrecht mästet.

Nach seinem Höchststand am Montag erreichte der Deutsche Aktienindex (DAX) am Dienstag mit zwischenzeitlich über 13.900 Punkten ein weiteres Rekordhoch. Der Handelsendstand lag mit 13.761 Punkten nur etwa 30 Punkte unter dem Allzeithoch vom Montag (13.790 Punkte). Auch die anderen Indizes am deutschen Aktienmarkt markierten am Dienstag neue Rekorde: Der MDAX erreichte mit 30.912 Zählern eine neue Bestmarke, der SDAX mit 14.766 Punkten.

Damit hat die deutsche Börse den zwischenzeitlichen Kurseinbruch zu Beginn der Pandemie nicht nur voll ausgeglichen, sondern beendet das Jahr mit einem deutlichen Plus. Am Endes des vergangenen Jahres stand der DAX bei 13.249 Punkten – das bedeutet für 2020 einen Anstieg von fast vier Prozent. Der MDAX stieg sogar um mehr als neun Prozent und der SDAX um über 18 Prozent.

Durch die Börsen-Bonanza inmitten der Pandemie haben die Superreichen ihre ohnehin bereits astronomischen Vermögen weiter erhöht. Laut Berechnungen der Beratungsgesellschaft PwC und der Schweizer Bank UBS ist das Gesamtvermögen der mehr als 2000 Dollar-Milliardäre weltweit schon bis Ende Juli auf den Rekordwert von etwa 8,7 Billionen Euro angestiegen. Die Summe ist mehr als doppelt so hoch wie die gesamte jährliche Wirtschaftsleistung Deutschlands (etwa 3,5 Billionen Euro).

In Deutschland stieg das Nettovermögen der Ultrareichen zwischen März und Juli um fast 80 Milliarden auf 486 Milliarden Euro. Das entspricht in etwa dem gesamten Bundeshaushalt für das kommende Jahr und fast dem 14-fachen des Gesundheitsetats 2021 (35,3 Milliarden Euro). Auch die Zahl der Superreichen ist weiter explodiert. Zwischen Januar und Juni stieg die Zahl der US-Dollar-Millionäre in Deutschland um weitere 58.000, die Zahl der Milliardäre stieg von 114 auf 119.

Zwischen den Rekordprofiten und den Rekordtodeszahlen besteht nicht nur ein direkter Zusammenhang; beide sind das Ergebnis der „Profite vor Leben“-Politik, die die herrschende Klasse seit Ausbruch der Pandemie verfolgt.

Im März brachen die Börsen weltweit ein, nachdem sich die Regierungen unter dem Druck der Bevölkerung und spontaner Streiks gezwungen sahen, Lockdowns anzuordnen und die Schulen und Betriebe teilweise zu schließen. Die Maßnahmen wurden dann jedoch vor allem dazu genutzt, die größte Umverteilung von unten nach oben in der Geschichte zu organisieren. Binnen weniger Wochen wurden Billionen auf die Konten der Banken, Großkonzerne und Superreichen transferiert.

Als die Große Koalition mit Unterstützung aller Bundestagsparteien und der Gewerkschaften am 25. März das milliardenschwere sogenannte Corona-Notpaket durchs Parlament peitschte, kommentierte die World Socialist Web Site: „Der Klassencharakter der beschlossenen Maßnahmen ist offensichtlich. Ihr Hauptzweck besteht darin, den Reichtum und die Profite der Großkonzerne und Finanzoligarchen abzusichern und zu mehren.“

Kaum waren die Gelder überwiesen, stiegen die Börsenkurse wieder an. Gleichzeitig begann eine aggressive Kampagne, die Schulen und Betriebe möglichst schnell zu öffnen, um die Summen wieder aus der Arbeiterklasse herauszupressen. Politik und Medien lancierten eine faschistoide Debatte darüber, wie viele Leben den Interessen der Wirtschaft und dem Profit geopfert werden sollen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte provokativ, die Würde des Menschen beinhalte nicht notwendigerweise das Recht auf Leben und sei damit auch nicht „absolut“ vom Grundgesetz geschützt.

Nun ging die Rally ausgerechnet in den beiden tödlichsten Monaten der Pandemie weiter. Zwischen dem 29. Oktober und dem 29. Dezember stieg der DAX um mehr als 2000 Punkte auf den jetzigen Rekordstand. Der Grund ist so einfach wie brutal: im Zentrum der aktuellen Pandemie-Maßnahmen stehen erneut nicht der Schutz von Leben, sondern der Profite der Unternehmen. Trotz der explodierenden Todeszahlen bleiben die Betriebe offen und auch im neuen Jahr sollen die Kosten der Pandemie auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden.

„Öffentliche Schulden bedeuten… natürlich die Belastung künftiger Haushalte“ und „die Notwendigkeit, das zurückzuzahlen“, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer letzten Regierungserklärung. Gleichzeitig schloss sie eine Beteiligung besonders wohlhabender Schichten durch eine Vermögensabgabe kategorisch aus. Der Haushalt für das nächste Jahre ist ganz auf die Interessen der Finanzoligarchie und des deutschen Imperialismus zugeschnitten. Während es massive Kürzungen im Gesundheits- und Bildungsbereich gibt, steigen die Etats für Verteidigung und Innere Sicherheit an.

Die WSWS hat die die Pandemie von Anfang an als Trigger Event definiert, als „auslösendes Ereignis“, das die bereits weit fortgeschrittene wirtschaftliche, soziale und politische Krise des kapitalistischen Weltsystems beschleunigt. Ende des Jahres ist dieser Prozess weit fortgeschritten. Wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts machen Millionen von Arbeitern und Jugendlichen die Erfahrung, dass der Kapitalismus vor allem Profitmacherei und Tod bedeutet. Ein sozialistisches Programm gegen das Massensterben und die Politik der Pandemie-Profiteure ist unter diesen Bedingungen eine Frage von Leben und Tod!

Die Sozialistische Gleichheitspartei fordert in ihrer aktuellen Erklärung „die sofortige Schließung aller nicht lebensnotwendigen Betriebe und Schulen. Alle Arbeiter müssen ein ausreichendes Einkommen erhalten, das einen angemessenen Lebensstandard gewährleistet, bis eine Rückkehr an den Arbeitsplatz möglich ist. Kleine Unternehmen, die vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stehen, müssen eine wirkliche Unterstützung erfahren.

Die von den Pandemie-Profiteuren gehorteten Milliarden, die durch die Plünderung der Staatskassen angehäuft wurden, müssen zurückgeholt werden, um sie für die Befriedigung sozialer Bedürfnisse einzusetzen. Die gigantischen Konzerne und Finanzinstitute müssen in demokratisch kontrollierte öffentliche Versorgungsbetriebe umgewandelt werden.“

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