Spanien: Inhaftierung von Rapper Pablo Hasél löst Massenproteste gegen soziale Bedingungen aus

Die Proteste gegen die Inhaftierung des spanischen Rappers Pablo Hasél durch die Regierung aus Partido Socialista Obrero Español (PSOE) und Podemos halten an. Hasél war zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er in Tweets und Songs den Staat und die herrschende Bourbonenmonarchie beleidigt habe.

Die Verurteilung eines weiteren Rappers mit dem Künstlernamen Elgio zu einer sechsmonatigen Haftstrafe am Dienstag hat die Wut nur noch vergrößert. Genau wie Hasél wurde er wegen „Verherrlichung des Terrorismus“ verurteilt, weil er „nahezu systematisch“ die seit Langem aufgelöste Gruppe GRAPO und ihre Mitglieder gelobt hatte. Da seine Haftstrafe weniger als zwei Jahre beträgt, setzte das Oberste Gericht sie zur Bewährung aus, erinnerte ihn aber daran, dass er dafür in den nächsten zwei Jahren keine weitere Straftat begehen dürfe.

Demonstranten während einer Protestkundgebung gegen die Verhaftung des Rappers Pablo Hasél in Barcelona am 19. Februar 2021 (AP Photo/Emilio Morenatti)

Hasél wurde inhaftiert, weil er gegen diese Auflagen verstoßen hatte, indem er weiterhin Songs und Tweets veröffentlichte.

In den letzten zehn Tagen haben sich Zehntausende an den Protesten im ganzen Land beteiligt, u.a. in Barcelona, Valencia, Bilbao und Madrid. Die meisten Proteste fanden in Haséls Heimatregion Katalonien statt. In den letzten vier Jahren wurden die dortigen Proteste im Rahmen der faschistoiden, anti-katalanischen Kampagne gewaltsam unterdrückt, zuerst von der Partido Popular (PP) dann von der PSOE und Podemos.

Die meisten Demonstranten sind zwischen 16 und 25 Jahre alt. Sie organisieren sich in den sozialen Medien und auf Telegram-Kanälen außerhalb der Kontrolle der offiziellen Parteien und Gewerkschaften. Die meisten gehören keiner Partei an, auch wenn Mitglieder der katalanisch-nationalistischen Candidatura de Unidad Popular (CUP) und anderer pseudolinker Parteien versucht haben, die Proteste für sich zu vereinnahmen und den sozialen Widerstand gegen die PSOE/Podemos-Regierung zu unterdrücken.

Hasél selbst ist ein Stalinist der übelsten Art, der mehrfach die Ermordung Leo Trotzkis befürwortet hat. Viele der Demonstranten sind angewidert von Haséls Huldigungen für den Mörder des großen Revolutionärs, dessen Andenken von großen Teilen der spanischen und katalanischen Arbeiterklasse geehrt wird. Allerdings geht es den Demonstranten um mehr als um Hasél und den Angriff auf die Meinungsfreiheit. Sie gehören einer Generation an, die nichts anderes erlebt hat als Austerität, Massenarbeitslosigkeit, unablässige Medienpropaganda für die faschistische Partei Vox und Angriffe auf demokratische Rechte, sowohl unter der rechten PP als auch unter der PSOE/Podemos-Regierung.

Die Jugend ist mit schrecklichen sozialen Bedingungen konfrontiert. Mehr als 40 Prozent von ihnen sind derzeit arbeitslos. 49 Prozent von denen, die eine Beschäftigung haben, sind über prekäre, befristete Verträgen angestellt. Im Jahr 2019, ein Jahr vor der Pandemie, waren die meisten jungen Menschen im Durchschnitt 29,5 Jahre alt, als sie von zu Hause ausgezogen.

Die Corona-Pandemie hat den weit fortgeschrittenen Zerfall nur noch weiter beschleunigt. Laut den aktuellen Zahlen des Nationalen Statistikinstituts hat die PSOE/Podemos-Regierung durch ihre kriminelle Politik der „Herdenimmunität“ mehr als 100.000 Todesopfer und mehr als 2,5 Millionen Infizierte zu verantworten. Kinder und Jugendliche waren vor allem die Leidtragenden dieser Politik. Sie mussten wieder in die Schulen, damit ihre Eltern arbeiten und Profite erwirtschaften können. Sie mussten in prekären und unsicheren Jobs arbeiten, u.a. in Supermärkten, als Kellner oder in der Logistikbranche, und ihre Prüfungen an den Universitäten in Präsenz ablegen.

Zudem müssen sie jedes Mal als Sündenböcke herhalten, wenn die Inzidenzrate des Virus aufgrund der kriminellen Politik der herrschenden Klasse wieder ansteigt. Der Bevölkerung wird eingeredet, die Ausbreitung des Virus gehe nicht auf die Öffnung der Schulen und Arbeitsplätze oder die überfüllten öffentlichen Verkehrsmittel zurück, sondern auf Jugendliche, die illegale Partys feiern und ihre Masken nicht richtig tragen.

Alex Cantón (24) aus Valencia, der für den Lebensmittellieferdienst Just Eat arbeitet, erklärte gegenüber El País: „Es herrscht große Wut über die immer größere Ungerechtigkeit und die Probleme, mit denen Jugendliche konfrontiert sind, die sich aber auf den Rest der Gesellschaft ausgedehnt haben. Wir kommen nicht in den Arbeitsmarkt rein oder haben nur sehr prekäre Stellen. Allerdings glaube ich, dass es 50-Jährige auch nicht leicht haben.“

Laura erklärte: „Wir sind zu der Protestveranstaltung gekommen, aber Hasél ist nur ein weiterer Anlass. Wir protestieren gegen Zwangsräumungen, für Menschen ohne Schutz, gegen die jahrelange Unterdrückung, die wir durchgemacht haben. Die Inhaftierung [von Hasél] war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“

Anthony Corey (23), Geschichtsstudent und gebürtiger Honduraner, erklärte: „Politiker, Aktivisten und Rapper sitzen im Gefängnis. ... Andererseits sagt niemand irgendwas darüber, dass ehemalige Militärs in einem WhatsApp-Chat erklärt haben, dass sie Millionen Menschen erschießen wollen, oder über die Unmenschlichkeiten, die Journalisten wie Frederico Jiménez Losantos täglich von sich geben.“ Losantos ist eine rechte Medien-Leitfigur und Radiomoderator.

El País musste zugeben, dass ihr von den Demonstranten große Feindseligkeit entgegenschlug: „In Barcelona lehnten es viele Demonstranten ab, mit El País zu sprechen.“ Dafür macht die Zeitung katalanische Nationalisten verantwortlich und erklärt, die Feindschaft gegenüber den Medien sei „tief nach unten durchgedrungen. Bei vielen Protestveranstaltungen wird die Botschaft ,Manipulative spanische Presse‘ verbreitet. Von denjenigen, die mit uns sprechen, hat fast niemand seinen Nachnamen genannt. Alle rechtfertigen dieses Bemühen um Anonymität mit der ,Angst‘, dass die [Regionalpolizei] Mossos sie als Teilnehmer der Unruhen identifizieren könnte.“

Die Tatsache, dass viele Demonstranten El País als Sprachrohr des spanischen Staats ansehen und ihren Nachnamen nicht nennen, weil sie befürchten, der Polizei übergeben zu werden, spricht Bände über diese Zeitung. Viele Demonstranten sehen sie nicht als Garant der Meinungsfreiheit, sondern als einen der wichtigsten Handlanger für die Angriffe der PSOE/Podemos-Regierung.

Die Philosophiestudentin Carme (20) erklärte gegenüber El Periódico: „Pablo Hasél ist mir egal. Er hat vieles gesagt, was mir nicht gefällt, aber deshalb gehört er nicht ins Gefängnis. Ich bin hier eher, um die Übergriffe der Polizei zu kritisieren, und wie junge Menschen kriminalisiert werden, weil sie an Protesten teilnehmen, und nicht so sehr wegen Hasél.“

Ein weiterer Demonstrant, Marc (23), erklärte: „Wir wollen, dass sich die Dinge ändern. Die an der Macht stinken nach Franquismus.“ Er bezog sich damit auf das faschistische Regime, das General Francisco Franco nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs errichtet hatte, und das erst 1978 fiel.

Joan (21) erklärte: „Wir protestieren gegen die Inhaftierung von Hasél, weil es ungerecht ist, und weil wir Jungen unter Arbeitslosigkeit leiden. Wir sehen bereits jetzt, wie unsere Zukunft aussehen wird.“

Reis (25) erklärte gegenüber Reuters: „Ich bin nicht nur wegen [Hasél] hier, ich demonstriere für unser Recht, unsere Meinung sagen zu dürfen, und weil es große Unzufriedenheit wegen vielen Dingen gibt, die sich ändern müssen.“

Schüler, Studenten und junge Arbeiter müssen sich die Lehren der Vergangenheit aneignen. Vor zehn Jahren brachen in ganz Spanien nach der ägyptischen Revolution von Januar 2011 Proteste gegen Elend, brutale Austeritätsmaßnahmen und die PSOE-Regierung aus.

Die Bewegung der Indignados oder 15-M-Bewegung war geprägt von der Zurückweisung aller großen Parteien, vor allem der PSOE, die trotz einer Jugendarbeitslosigkeit von fast 50 Prozent unter den 18- bis 25-Jährigen Kürzungen umgesetzt hat. Es herrschte außerdem enorme Wut über Gewerkschaften wie die stalinistische CCOO und die sozialdemokratische UGT, die die Hauptrolle bei der Umsetzung dieser Maßnahmen gespielt haben.

Pseudolinke Gruppen wie die Anticapitalistas förderten diffuse Versammlungen und lehnten Aufrufe zum Aufbau einer neuen politischen Führung ab. Stattdessen propagierten sie „Autonomie“, „demokratische Selbstorganisation“ und „keine Politik“, womit sie jede echte Debatte oder eine politische Herausforderung der PSOE und der Gewerkschaftsbürokratie verhinderten.

Nachdem sie den sozialen Widerstand unterdrückt hatten, gründeten die Anticapitalistas zusammen mit einer Gruppe von stalinistischen Professoren und Sprechern dieser Bewegung drei Jahre später die Partei Podemos. Diese verteilt jetzt Milliarden an die Konzerne und Banken, setzt das Spardiktat um und unterdrückt demokratische Rechte, einschließlich durch Haftstrafen gegen Musiker.

Die entscheidende Aufgabe besteht heute darin, die Radikalisierung der Jugend, die sich in diesen Protesten äußert, mit einer ausgearbeiteten Perspektive für den Widerstand gegen den Kurs der herrschenden Klasse auf einen Polizeistaat zusammenzubringen. Dies unterstreicht die Dringlichkeit des Aufbaus einer Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in Spanien auf der Grundlage der trotzkistischen Strategie der permanenten Revolution.

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