Amnesty International entzieht Alexei Nawalny wegen Hassreden den Status als „gewaltloser politischer Gefangener“

Amnesty International hat dem russischen Oppositionellen Alexei Nawalny letzte Woche wegen seiner früheren Hassreden den Status als „gewaltloser politischer Gefangener“ aberkannt. Diese Entscheidung entlarvt die falsche Kampagne der bürgerlichen Medien, vor allem der New York Times in den USA und des Spiegels in Deutschland, die Nawalny als „demokratischen“ Gegenspieler zum russischen Präsidenten Wladimir Putin inszenieren.

Wie die World Socialist Web Site seit Jahren warnt, ist Nawalny keineswegs ein „Demokrat“, sondern ein primitiver rassistischer Chauvinist. Er plädiert für Gewalt gegen die muslimischen Einwohner Russlands aus dem Kaukasus und den ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien. Den Ausschlag für die Entscheidung von Amnesty International gab eine Reihe von YouTube-Videos, die Nawalny in den 2000ern produziert hatte. Damals baute er die Nationale Befreiungsbewegung (NAROD) auf, die er im Jahr 2007 zusammen mit dem Nationalbolschewiken Sachar Prilepin offiziell gründete. Die Videos weisen die unverkennbaren Merkmale rechtsextremer Propaganda auf.

In einem der Videos, mit dem Titel „NAROD für die Legalisierung von Schusswaffen“, wird Nawalny durch eine Texteinblendung als „Zertifizierter Nationalist“ bezeichnet. Er sitzt hinter einem Tisch mit einer Pistole, einem Schuh und einer Fliegenklatsche. Kakerlaken und Fliegen springen kreischend und knurrend auf die Kamera zu. Nawalny erklärt dazu: „Jeder weiß, dass man Fliegen mit der Fliegenklatsche erledigt und Kakerlaken mit dem Schuh.“ Daraufhin erscheint ein Bild von Menschen aus dem Kaukasus, scheinbar in Militärkleidung, dazu der Text „Homo Sapiens Bezpredelius“ (Homo Sapiens Grenzenlos).“

Alexei Nawalny im Gespräch mit einem seiner Anwälte während einer Anhörung vor dem Moskauer Stadtgericht am 2. Februar 2021 (Moskauer Stadtgericht via AP)

Nawalny fragt: „Aber was passiert, wenn die Kakerlaken zu groß und die Fliegen zu aggressiv werden?“ Eine schwarz gekleidete Figur kommt schreiend auf ihn zu, und Nawalny erschießt ihn, ohne zu zögern. Dann sieht man eine Leiche. Dazu erklärt Nawalny: „In diesem Fall empfehle ich eine Pistole.“ Das abstoßende Video ist hier in seinem YouTube-Kanal zu sehen.

In einem anderen Clip mit dem Titel „Werdet Nationalisten!“ tritt Nawalny als Zahnarzt auf und erklärt dem Zuschauer: „Ich sehe oft Karies.“ Er deutet an, dass Nationalisten manchmal Amok laufen, wenn sie sich um den Karies kümmern. Darauf folgen Bilder von Skinheads, die auf Leute losgehen, Nazis beim Hitlergruß und die Hinrichtung der Nazi-Verbrecher in Nürnberg.

Aber, so Nawalny: „Dies sind keine echten Spezialisten. (...) Man muss genau und streng abschieben.“ Danach sieht man verängstigte Menschen, vermutlich Zentralasiaten, die zusammengetrieben werden, während ein gezogener Zahn über den Bildschirm rollt. Dann erscheint ein Flugzeug. Nawalny erklärt mäßigend: „Nur Holzköpfe glauben, Nationalismus bedeutet Gewalt.“

Nawalny fährt fort: „Ein Zahn ohne Wurzel ist ein toter Zahn. Nationalisten sind diejenigen, die nicht wollen, dass das Wort Russland die russische Wurzel schädigt.“ Weitere faule Zähne werden gezogen, während quälende Geräusche zu hören sind. Nawalny dazu: „Wir haben das Recht, in Russland Russen zu sein, und wir verteidigen dieses Recht.“

Im Verlauf dieses Monologs benutzt Nawalny für Russen das Wort „Russki“, d.h. nur ethnische Russen. Es gibt jedoch daneben noch das Wort Rossisski, mit dem alle Bürger der Russischen Föderation unabhängig von ihrer Ethnie gemeint sind. Nawalny macht deutlich, dass diese Bevölkerungsteile nichts in dem Land zu suchen hätten.

Diese Videos kursieren seit Ende der 2000er im Internet. Kurz vor und nach der Entscheidung von Amnesty schreiben nun einige Medien mit leichtem Händeringen über Nawalnys „Nationalismusproblem“. Zuvor haben jedoch die meisten mehr als zehn Jahre lang geschwiegen. Die Art, wie die Medien diese Videos beschreiben, verharmlost ihren abstoßenden Charakter eindeutig. So schrieb der Guardian 2017 über das erste der beiden hier beschriebenen Videos, Nawalny setze sich „für eine Lockerung der Waffengesetze“ ein.

Nawalny verteidigt unverfroren die Videos und seine Teilnahme am Russischen Marsch, einer jährlichen Veranstaltung der extremen Rechten, die er jahrelang mitorganisiert hat. Er weigert sich, die YouTube-Clips zu löschen oder sich von ihren Inhalten zu distanzieren. Der Autor des Guardian-Artikels von 2017 beschreibt folgendes Gespräch mit Nawalny über das Thema:

„Ich frage ihn, ob er diese Videos heute bereut, aber er nimmt nichts zurück. Er sieht es als Stärke an, dass er sich an Liberale und Nationalisten wenden kann. Aber Zuwanderer mit Kakerlaken zu vergleichen? ,Das war künstlerische Freiheit.‘ Es gibt also nichts an diesen Videos oder aus dieser Zeit, was ihm leidtut? ,Nein‘, sagt er erneut, mit fester Stimme.“

Die bekannte russisch-amerikanische Journalistin Mascha Gessen, die Putin in der New York Times, der Washington Post und anderen führenden Medien mit jedem Atemzug für seine autoritäre Regierung und seine Menschenrechtsverletzungen verurteilt, veröffentlichte am 15. Februar lediglich ein scheinheiliges Lamento im New Yorker. Darin tut sie so, als wären ihr Nawalnys rechtsextreme Ansichten neu.

Gessen beschreibt kurz die abstoßenden Ansichten des Oppositionellen, verteidigt sie jedoch mit der Behauptung, zu Beginn der Putin-Ära „schienen allgemein ethno-nationalistische Ansichten die einzige Alternative zu sein“. Sie kommt zu dem Schluss, viele Leute seien immer noch der Meinung, Nawalny solle den Friedensnobelpreis bekommen, für den er Ende Januar nominiert wurde.

Der Kreml gehört zu den glühendsten Verfechtern von russischem Nationalismus und rassistischem Chauvinismus. Wenn Nawalny diese Ansichten verbreitet, stellt er sich nicht gegen Putin. Er versucht vielmehr, die extreme Rechte des Landes davon zu überzeugen, dass sie im so genannten „liberalen“ marktwirtschaftlichen Flügel der russischen Bourgeoisie ein Zuhause finden kann.

Nichts an Nawalnys Programm ist progressiv, geschweige denn demokratisch. Er tritt für Privatisierungen und Steuersenkungen ein. Er will Russland für mehr Auslandsinvestitionen öffnen und den globalen Konzernen eine gleichwertige Chance geben, die Masse der Bevölkerung auszupressen. Dabei will er den Anteil der russischen Profite, die der von Putin dominierten Staatsbürokratie zugutekommen, bis zu einem gewissen Grad verringern.

Mit seinem Kreuzzug gegen Korruption – was immer und überall eine politisch leere Hülle ist, die mit der übelsten Politik gefüllt werden kann – versucht Nawalny, von der weit verbreiteten Wut der Bevölkerung über das Schmarotzertum der russischen herrschenden Klasse zu profitieren, sie gleichzeitig gegen den Kreml zu richten und insgesamt vom Kapitalismus abzulenken.

Nawalnys Antikorruptionsstiftung wird von wichtigen Persönlichkeiten aus dem Großkapital finanziert, u.a. von Roman Borisowitsch vom Versicherungskonzern Rosgosstrach, Boris Simin (dem Sohn des Telekommunikationsoligarchen Dmitri Simin), Alexander Lebedew (ehemaliger sowjetischer Geheimdienstchef und späterer milliardenschwerer Medienmogul) und Wladimir Aschurkow (aus dem Vorstand des Bankenkonglomerats Alfa Group).

Der Mehrheitseigner der führenden Pro-Nawalny-Presse, Echo Moskwi, ist Gazprom Media, das mit dem russischen Energiekonzern Gazprom verbunden ist. Keine dieser Kräfte hat mit Korruption per se ein Problem. Sie haben nur ein Problem mit „Korruption“, die ihren Profitinteressen schadet, und mit Putins Außenpolitik. Deshalb drängen sie auf eine Vertiefung der Beziehungen zu Washington und Berlin.

Nawalnys rechtsextreme Ansichten waren auch Amnesty International (AI) und den imperialistischen Unterstützern der Organisation bekannt. In einem Medienbericht über die jüngste Entscheidung von AI hieß es, die Menschenrechtsorganisation habe die Änderung von Nawalnys Status erst aufgrund von externem Druck beschlossen, was sie zurückweist. Allerdings hat sie offensichtlich befürchtet, teilweise ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren, wenn sie eine Person, die rassistisch motivierte Scheinhinrichtungen inszeniert, als „gewaltlosen politischen Gefangenen“ anpreist.

Auch Teile der herrschenden Klasse fürchten, dass Nawalnys rechtsextreme nationalistische Orientierung andere außenpolitische Ziele in der Region gefährden könnte, vor allem hinsichtlich der Ukraine.

Die Washingtoner Denkfabrik Atlantic Council deutete in einem Kommentar vom 18. Februar an, eines ihrer größten Probleme mit Nawalny sei seine Unterstützung für Russlands Annexion der Krim und seine Weigerung, für die sofortige Rückgabe der Halbinsel an Kiew einzutreten. Die westlichen Verbündeten in der Ukraine betrachten dies als „völlig inakzeptabel“.

Doch der deutsche Politikwissenschaftler Andreas Umland, der eine wichtige Rolle bei der Rechtfertigung der ukrainischen extremen Rechten und ihrer Rolle bei dem Putsch in Kiew 2014 gespielt hat, meint, man dürfe wegen Nawalny nicht so viel Aufhebens machen. Er sei momentan nützlich, um die Putin-Regierung zu schwächen, man könne jedoch auf ihn verzichten, wenn sich diese Nützlichkeit als kurzlebig erweist.

Umland schreibt: „Zurückhaltung gegenüber Nawalny wird angebracht sein, sollte er jemals wieder aus dem Gefängnis entlassen werden und staatliche Führungsmacht erlangen. Heute jedoch wirken er und die um ihn entstehende Protestbewegung als Eisbrecher gegen die festgefrorenen Verhältnisse, das korrupte politische Regime im Allgemeinen und Putins zunehmend repressive autoritäre Herrschaft im Besonderen. Ein pluralistischeres und demokratischeres System würde das innen- und außenpolitische Verhalten jeder künftigen russischen Regierung mäßigen...“.

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