Protest der WISAG-Arbeiter vor Verdi-Zentrale zeigt Bankrott der Gewerkschaften

Die Flughafen-Bodenarbeiter, die am Dienstag vor der Verdi-Zentrale in Frankfurt am Main demonstrierten, trugen einen schwarzen Totenkranz. Sie waren vor drei Monaten vom WISAG-Konzern willkürlich entlassen worden. Nun klagten sie lautstark die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi an, die sie im Stich gelassen hat. „Wir kämpfen um unsere Arbeitsplätze und unsere Rechte – aber wo war Verdi die ganze Zeit?“, rief Riza Kodak, ein Sprecher der Gruppe.

Der zuständige Verdi-Sekretär ließ sich entschuldigen. Nicht überraschend, hatte Verdi den WISAG-Arbeitern nichts zu sagen.

Der Totenkranz ist das passende Symbol für die Gewerkschaften insgesamt in der heutigen Zeit: Verdi, IG Metall und Co. sind als Interessenvertreter der Arbeiterklasse gestorben. Sie stehen mit beiden Beinen auf der Seite der Konzerne und verteidigen das kapitalistische Profitsystem. Sie werden von den Unternehmen fürstlich dafür bezahlt, dass sie in den Betrieben die Rolle einer Art Betriebspolizei übernehmen und die Opposition der Arbeiter gegen Lohnkürzungen und Entlassungen in die Sackgasse nutzloser Trillerpfeifenproteste lenken. Der Palast der IG Metall neben dem DGB-Haus am Frankfurter Mainufer steht sinnbildlich dafür.

Die Skyline am Frankfurter Mainufer: Ganz links der IG-Metall-Palast

Die WISAG-Arbeiter haben die üble Rolle Verdis am eigenen Leib erfahren und der Gewerkschaft deshalb zurecht den Rücken gekehrt. Doch es reicht nicht aus, mit der Organisation zu brechen und eine andere Gewerkschaft aufzubauen. Um ihre Arbeitsplätze und Löhne wirklich verteidigen zu können, müssen Arbeiter mit der ganzen gewerkschaftlichen Logik brechen. Die Gewerkschaften befürworten Massenentlassungen und Lohnkürzungen im Namen der Standortverteidigung und Gewinnsteigerung. Sie degradieren Arbeiter zu Bittstellern.

Das zeigt sich bei WISAG besonders deutlich. Einige Kollegen haben sich der IGL zugewandt, weil sie hoffen, dass die kleinere Gewerkschaft ihre Interessen eher vertritt als der Apparat von Verdi. Doch die Führung der IGL hat mehr als deutlich gemacht, dass sie nicht die Kumpanei Verdis mit den Unternehmen bekämpft, sondern die Stelle Verdis als gewerkschaftliche Kontrollinstanz übernehmen möchte. Sie wird von den Luftfahrtunternehmen bisher nur noch nicht akzeptiert.

Der stellvertretende Vorsitzende der IGL, Daniel Wollenberg, erklärte schon am 29. Januar in einer Videosendung, dass seine Gewerkschaft bereit wäre, empfindliche Angriffe auf die Arbeiter durchzusetzen, wenn WISAG sie denn als Verhandlungspartner akzeptieren würde.

„Wir sind keine Träumer. Wir sehen, was aktuell los ist: die Krise verschärft sich gerade nochmal und wir wissen alle nicht, wo die Reise hingeht“, erklärte er und fügte hinzu, dass die Kurzarbeit verlängert und die Entlassungen schließlich durch „befristete Teilzeitverträge“ ersetzt werden könnten. Dazu müsse WISAG mit dem IGL-Vorstand reden. „Wir wären bereit dazu“, so Wollenberg.

„Befristete Teilzeitverträge“ – das wäre eine noch üblere Lösung als die schäbigen befristeten Verträge, die WISAG einigen Arbeitern schon im Dezember als Ersatz für ihre bisherigen Arbeitsverträge angeboten hatte. Die Arbeiter hatten sie zurecht rundheraus abgelehnt.

Die IGL hat den Hungerstreik und die Proteste der WISAG-Arbeiter nie ernsthaft unterstützt. Sie richtete zwar vergebliche Bettelbriefe an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD), aber informierte nicht einmal die eigenen Mitglieder in andern Betrieben oder die WISAG-Arbeiter an anderen Standorten über den Arbeitskampf der Kollegen. Erst recht organisierte sie keine Solidaritätserklärungen oder -aktionen anderer Arbeiter. Stattdessen geht die Gewerkschaft aktiv gegen diejenigen vor, die einen wirklichen Kampf führen wollen.

Als die World Socialit Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) den Hungerstreik der WISAG-Arbeiter international bekannt machten und immer mehr Arbeiterinitiativen auf der ganzen Welt ihn unterstützten, schlossen die IGL-Vertreter alle solidarischen Arbeiter und SGP-Mitglieder aus der Facebook-Gruppe aus, die die Arbeiter ins Leben gerufen hatten. Ein IGL-Mitglied, das auf Facebook kundtut, dass ihm der Landesverband der AfD in Hessen gefalle, drohte diesen IGL-Kritikern, dass sie auf weiteren Protesten nicht erwünscht seien.

Diese Sabotage des Kampfs der WISAG-Arbeiter durch die IGL und mit ihr verbundene rechte Elemente ist kein Zufall, sondern ergibt sich aus der gewerkschaftlichen Perspektive. Die Globalisierung der Produktion hat der nationalen Arbeitsmarktpolitik den Boden entzogen. Waren die Gewerkschaften früher in der Lage, durch Druck auf die Kapitalisten und Regierungsparteien vorübergehende Verbesserungen für Arbeiter zu erreichen, so ist es heute umgekehrt: Die Gewerkschaften üben Druck auf die Arbeiter aus. Um die Wettbewerbsfähigkeit der „eigenen“ Unternehmen am Weltmarkt zu sichern, erpressen sie von den Arbeitern immer neue Zugeständnisse in Form von Lohnsenkungen und Sozialabbau.

Das hat sich mit der Pandemie enorm zugespitzt. Obwohl die Unternehmen mit Milliardengeschenken aus Steuergeldern und auf Kosten der Gesundheit der Arbeiter Rekordgewinne einfahren, nutzen sie die schrecklichen Folgen der Pandemie nun als Vorwand, um lange geplante Umstrukturierungen, Lohnsenkungen und Entlassungen vorzunehmen. Die Gewerkschaften setzen diese Pläne gegen die Belegschaften durch.

Gegen diesen Generalangriff können sich Arbeiter nur in einem gemeinsamen Kampf zur Wehr setzen. Notwendig ist genau das, was die Gewerkschaften unter allen Umständen unterdrücken wollen: die internationale Mobilisierung der Arbeiter in einem europäischen Generalstreik gegen die Durchseuchungspolitik, gegen Massenentlassungen und gegen Lohnraub.

Der Ausgangspunkt einer solchen Mobilisierung muss eine sozialistische Perspektive sein: Die Rechte der Arbeiter und ihre Lebensinteressen stehen höher als die Profitinteressen der Oligarchen, Aktionäre und Spekulanten. Der Kampf gegen die Pandemie erfordert eine demokratisch geplante Wirtschaft, die den Bedürfnissen der Menschen dient. Das haben die letzten Monate und die schrecklichen Todeszahlen bewiesen.

Der Kampf der WISAG-Arbeiter gewinnt unter diesen Bedingungen große Bedeutung. Schon jetzt hat er Arbeiter auf der ganzen Welt inspiriert, weil er einen Schritt aus der gewerkschaftlichen Zwangsjacke war. Das Motto „Heute wir – morgen ihr!“ war richtig und wandte sich nicht an Politiker und Gewerkschaftsbürokraten, sondern an die Kollegen am Flughafen und überall.

Doch jetzt kommt es darauf an, den Kampf tatsächlich auszuweiten und zum Ausgangspunkt einer breiten Mobilisierung zu machen. Das ist der einzige realistische Weg, die Arbeitsplätze zu verteidigen. Er erfordert einen Bruch nicht nur mit Verdi, sondern auch mit der IGL-Führung, die sich den Bossen als besserer Polizist anbietet. Statt zu den Gewerkschaftsbüros sollten die Arbeiter zu den Opelanern nach Rüsselsheim ziehen, die ebenfalls von Entlassungen bedroht sind, und einen gemeinsamen Kampf beginnen.

Über diese Fragen müssen wir jetzt eine offene und unzensierte Diskussion führen. Deshalb rufe ich alle Kollegen von WISAG auf, der Facebook-Seite des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze beizutreten und die Gründung eines wirklich demokratischen Aktionskomitees bei WISAG vorzubereiten.

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