900 Arbeiter des Rio-Tinto-Hüttenwerks in British Columbia streiken für feste Arbeitsplätze und Rentenansprüche

Etwa 900 Arbeiter einer Aluminiumhütte des Bergbaukonzerns Rio Tinto in Kitmat und eines Kraftwerks in Kemano (beides British Columbia) legten am Sonntagmorgen die Arbeit nieder. Die Beschäftigten, die in Tarifverhandlungen vom Unifor-Ortsverband 2301 vertreten werden, streiken gegen den ausufernden Einsatz befristeter Arbeitskräfte und die Weigerung des florierenden Unternehmens, den seit 2019 eingestellten Arbeitern Betriebsrentenanteile zu zahlen.

Die Verhandlungen zwischen dem australischen multinationalen Konzern und drittgrößten Bergbaukonzern der Welt und Gewerkschaftsvertretern begannen am 7. Juni. Das Management machte sofort deutlich, dass es aggressive Kostensenkungsmaßnahmen bedingungslos durchsetzen werde, obwohl das Unternehmen im Jahr 2020 einen Nettoertrag von 9,8 Milliarden Dollar erzielen konnte.

Die Arbeiter wiederum sind entschlossen, eine Reihe von Zugeständnissen rückgängig zu machen, die die Gewerkschaft in früheren Tarifverträgen ausgehandelt hat, und ihre Arbeitsplätze und Rentenansprüche zu verteidigen. Sie wollen außerdem den Versuch ihres Unternehmers unterbinden, die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern und den Tarifvertrag systematisch zu unterlaufen. Diese Praxis hat zu etwa 300 Klagen von Arbeitern vor dem Arbeitsgericht geführt. Als Anfang des Monats eine Urabstimmung stattfand, stimmten zum allerersten Mal 100 Prozent aller Beschäftigten für einen Streik.

Streikposten der Rio-Tinto-Arbeiter in Kitimat (Foto: Unifor)

Das Management von Rio Tinto reagierte darauf mit weiteren Provokationen. Schon vor der Urabstimmung wandte es sich an die arbeitgeberfreundliche Schlichtungsstelle Labor Relations Board von British Columbia, um einige der Arbeiter als „systemrelevante Kräfte“ einzustufen. Damit sollte sichergestellt werden, dass das Kraftwerk in Kemano und zumindest ein Teil der Aluminiumhütte trotz des Streiks weiter laufen würden.

Rio Tinto hat bereits in früheren Tarifverhandlungen solche Einstufungen beantragt, wobei es sich auf die Tatsache berief, dass ein Teil der produzierten Energie aus dem Kraftwerk an BC Hydro verkauft wird. Doch diesmal wollte das Unternehmen noch viel mehr Arbeiter als systemrelevant einstufen lassen, darunter einige Arbeiter des Bereichs Elektrolyse.

Das Labor Relations Board genehmigte den Antrag, sodass das Unternehmen in beiden Einrichtungen den Betrieb auf reduziertem Niveau fortsetzen kann. Am Montag erklärte das Unternehmen, es wolle die Produktion mit 35 Prozent der normalen Kapazität aufrechterhalten. Außerdem will es so schnell wie möglich zu einer vollständigen Produktion zurückkehren, entweder sofort nach dem Ende des Streiks oder durch den Einsatz von Streikbrechern.

Der Ort Kitimat im Nordwesten von British Columbia wurde vor 60 Jahren von dem kanadischen Bergbauunternehmen Alcan gegründet. Das Rio-Tinto-Werk ist seither der wichtigste Arbeitgeber.

Der Streik in der Einrichtung ist Teil einer wachsenden Welle von Kämpfen, an denen u.a. Berg- und Stahlarbeiter und andere Industriearbeiter in Kanada, den USA und im Rest der Welt beteiligt sind.

Auf der anderen Seite des Landes, in Sudbury (Ontario), befinden sich etwa 2.450 Arbeiter des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale seit fast zwei Monaten im Streik. Sie wurden während der Corona-Pandemie zur Weiterarbeit gezwungen und leisten jetzt Widerstand gegen den Versuch des Unternehmens, ihnen eine Lohnerhöhung unterhalb der Inflationsrate – d.h. eine Reallohnsenkung – und andere Zugeständnisse aufzuzwingen. Vale will u.a. einen Teil der Betriebsrente streichen und mehr Spielraum bei der Vergabe von Arbeiten an Billiglohnfirmen bekommen.

In Pennsylvania und mehreren anderen US-Bundesstaaten haben Anfang des Jahres mehr als 1.100 Stahlarbeiter bei Allegheny Technologies drei Monate lang gegen Angriffe auf Arbeitnehmerrechte und Renten gestreikt. Im Volvo-Trucks-Werk New River Valley in Dublin (Virginia) haben 3.000 Autoarbeiter zwischen April und Juli dreimal gegen die gemeinsamen Angriffe des Volvo-Managements und der United Auto Workers (UAW) rebelliert, ihnen einen Tarifvertrag voller Zugeständnisse wie Reallohnsenkungen, höhere Krankenkassen-Eigenbeteiligung und Angriffe auf die Rentner aufzuzwingen.

Das zentrale Problem all dieser Kämpfe, einschließlich des Streiks bei Rio Tinto, ist die Entschlossenheit der korporatistischen Gewerkschaften, sie zu isolieren und abzuwürgen. Sie demobilisieren die Arbeiter, während das Unternehmen Streikbruchversuche unternimmt, und arbeiten mit dem Management zusammen, dessen Forderungen sie durchsetzen.

Die Gewerkschaften wollen sicherstellen, dass der Konzern „global wettbewerbsfähig“ bleibt, d.h. dass die größtmögliche Rendite für Investoren produziert wird. Bei Vale in Sudbury lehnten die Arbeiter eine vorläufige Vereinbarung voller Zugeständnisse mit überwältigender Mehrheit ab, während die Führung des United Steelworkers (USW)-Ortsverbandes 6500 sie einstimmig unterstützte.

Die Arbeiter in Kitimat kämpfen, genau wie ihre Kollegen in Sudbury und den USA, gegen ein riesiges, global organisiertes Unternehmen, das seine Produktion nach Belieben in andere Länder verlagert, um die höchsten Profitmargen zu erzielen. Das Unternehmen verschärft die Ausbeutung der Arbeiter, um die Dividenden seiner Aktionäre noch weiter zu erhöhen.

Wenn die Rio-Tinto-Arbeiter in Kitimat einen erfolgreichen Kampf führen wollen, müssen sie dem Unternehmen in seiner globalen Reichweite und Strategie entgegentreten. D.h. müssen ihren Kampf zur Speerspitze einer Gegenoffensive der Arbeiterklasse gegen alle Zugeständnisse, Arbeitsplatzabbau und Arbeitshetze machen.

Als ersten Schritt sollten sie sofort einen Appell an die streikenden Vale-Arbeiter richten, um die beiden Streiks zu einem gemeinsamen Kampf zu vereinen. Sie sollten außerdem einen besonderen Solidaritätsaufruf aller Rio-Tinto-Arbeiter weltweit herausgeben, um die Tätigkeiten des Bergbaukonzerns zum völligen Erliegen zu bringen, bis ihre Forderungen erfüllt sind.

Unifor tut alles in ihrer Macht Stehende, um den Streik in der Zwangsjacke des staatlichen, Unternehmens-freundlichen Tarifverhandlungssystems zu halten. Gleich nach Beginn des Streiks veröffentlichte Unifor-Präsident Jerry Dias eine wortgewaltige Erklärung, in der er über die „Gier“ und Unnachgiebigkeit von Rio Tinto klagte. Doch die Gewerkschaft hat keine Strategie vorgelegt, um den Streik zu gewinnen.

Sie richtet keine Appelle an die umfangreiche Belegschaft von Rio Tinto in den anderen Betrieben in ganz Kanada. Dazu gehören Tausende von Arbeitern in einer Raffinerie und in mehreren Hüttenwerken in der Region Saguenay-Lac-Saint-Jean von Québec, wo sich fast die Hälfte der globalen Aluminiumproduktion des Unternehmens befindet, im Titandioxid-Bergwerk in Lac-Tio bei Havre-Saint-Pierre (Québec), Metallurgiewerke in Sorel (Québec), das Diamantbergwerk Diavik in den Northwest Territories mit mehr als 1.100 Arbeitern und die Einrichtungen der Iron Ore Company of Canada in Labrador City (Neufundland) und Labrador und Sept-Iles (Québec) mit mehr als 2.600 Arbeitern.

Ebenso wenig wurde ein Appell zur Mobilisierung mehrerer Tausend Rio-Tinto-Beschäftigten in Dutzenden Ländern im Rest der Welt gerichtet, obwohl diese mit ebenso brutalen Angriffen des Unternehmens auf ihre Löhne und Rechte konfrontiert sind.

Tatsächlich wurden viele der Angriffe, gegen die die Arbeiter jetzt streiken, ihnen in früheren Tarifverhandlungen mit voller Unterstützung der Gewerkschaft Unifor aufgezwungen. Im Jahr 2015 beendete Rio Tinto eine „Modernisierung“ seiner Werke in Kitimat, durch den das Hüttenwerk in die Lage versetzt werden sollte, Aluminium für den Export in den ganzen Pazifikraum zu produzieren. Das 4,8 Milliarden Dollar teure Projekt, von dem die Gewerkschaft begeistert behauptete, es würde „Arbeitsplätze“ schaffen, führte zur Verringerung der Belegschaft von 1.200 auf 1.000, als die Modernisierung abgeschlossen war. Das ist nur die Hälfte der 2.000 Beschäftigten, die in den 1970ern im Rio-Tinto-Werk in Kitimat beschäftigt waren.

Auch die Provinzregierung unterstützte das „Modernisierungsprojekt“ und duldete offene Verstöße von Rio Tinto gegen Umweltauflagen, u.a. die Verschmutzung der Gegend durch Schwefeldioxid.

Im Jahr 2017 schloss Unifor trotz einer deutlichen Mehrheit für einen Streik in letzter Minute einen Deal mit Rio Tinto ab, um einen Ausstand zu verhindern. Der Deal sah u.a. vor, dass alle ab Januar 2020 neu eingestellten Arbeiter keinen Zugang zum Rentenplan des Unternehmens haben. Dias erklärte damals begeistert, er sei „stolz“ auf den Deal, und fast das ganze Verhandlungskomitee des Unifor-Ortsverbands 2301 stimmte für seine Ratifizierung.

Im Juli 2019 mussten die Arbeiter der ABI-Aluminiumhütte in Becancour (Québec), einem Gemeinschaftsunternehmen von Rio Tinto und Alcoa, nach einer 18-monatigen Aussperrung umfangreiche Zugeständnisse akzeptieren. Dazu gehörten der vermehrte Einsatz von Subunternehmen, die Aushöhlung der Rentenansprüche und die Vernichtung von Arbeitsplätzen. Die USW hatte die Durchsetzung dieser Zugeständnisse begünstigt, indem sie die ausgesperrten Arbeiter isolierte und hinter den Kulissen mit der rechten Provinzregierung und der Werksleitung zusammenarbeitete, um die Arbeiter zur Annahme der Zugeständnisse zu zwingen.

Unifor setzt seit seiner Gründung im Jahr 2013 den Kurs ihrer Vorgängerin, der Canadian Auto Workers (CAW), fort. Sie hat Hand in Hand mit den Unternehmensbossen zusammengearbeitet, um zu gewährleisten, dass die kanadische Auto-, Luft- und Raumfahrt-, Fertigungs-, Bergbau- und Flugzeugbauindustrie „wettbewerbsfähig“ bleibt.

Um „kanadische Arbeitsplätze“ zu retten, hat die Gewerkschaft massive Zugeständnisse durchgesetzt, darunter die Abschaffung eines Teils der Betriebsrenten, mehrstufige Lohn- und Zusatzleistungssysteme und Lohnsenkungen. Letzten Herbst hatte Dias ein „Musterabkommen“ mit den drei großen Detroiter Autobauern abgeschlossen, das die mehrstufigen Lohnsysteme weiter festigte und den verstärkten Einsatz von noch schlechter bezahlten, befristeten Arbeitskräften ausweitete. Nur wenige Tage später war er gemeinsam mit den Bossen von Ford Canada, dem liberalen Premierminister Pierre Trudeau und dem Tory-Premier von Ontario, Doug Ford, bei einer Pressekonferenz aufgetreten und hatte erklärt: „Wir rudern alle in die gleiche Richtung.“

Die systematische Unterdrückung des Klassenkampfs durch die Gewerkschaften angesichts einer jahrzehntelangen Offensive des Großkapitals verdeutlicht, dass das Problem nicht die Existenz einiger unfähiger und korrupter Führer innerhalb von Unifor oder irgendeiner anderen Gewerkschaft ist. Vielmehr unterstützen alle Gewerkschaften die Verlagerung in Subunternehmen, Angriffe auf Renten und die Abschaffung von Arbeitsschutzregeln.

Dieser Kurs ist untrennbar mit ihrer prokapitalistischen und nationalistischen Politik verbunden. Diese Organisationen repräsentieren die Interessen der privilegierten kleinbürgerlichen Bürokraten, aus denen sich ihre Führung rekrutiert. In erster Linie wollen sie ihre korporatistischen Beziehungen zu den Vorständen und den Zentral- und Provinzregierungen vertiefen, indem sie der herrschenden Klasse ihre Nützlichkeit bei der Durchsetzung von Angriffen auf Arbeiter beweisen, die sie doch angeblich repräsentieren.

Wenn die streikenden Rio-Tinto-Arbeiter in Kitimat ihre gerechtfertigten Forderungen durchsetzen wollen, müssen sie unbedingt selbst die Kontrolle über den Kampf übernehmen. Sie müssen sofort ein Aktionskomitee aufbauen, das organisatorisch unabhängig und in politischer Opposition zum prokapitalistischen Unifor-Apparat agiert, um Unterstützung für die Streikenden in ihrer lokalen Kommune und unter den Tausenden Beschäftigten von Rio Tinto in ganz Kanada und der Welt zu mobilisieren. Sie müssen besondere Appelle an die streikenden Bergarbeiter von Vale in Sudbury und an die streikenden Arbeiter in den USA richten, um einen gemeinsamen Kampf gegen die brutalen Zugeständnisse zu führen, die ihnen von der Wirtschaftselite diktiert werden.

Ein Aktionskomitee wird Forderungen erheben, die sich an den Bedürfnissen der Streikenden orientieren, und nicht daran, was laut dem Unternehmen und Unifor „vertretbar“ ist, um „wettbewerbsfähig“ zu bleiben. Das bedeutet die Festeinstellung aller befristeten Arbeitskräfte mit gleichen Rechten und Rentenansprüchen für alle Arbeiter und eine deutliche Lohnerhöhung, um die jahrzehntelangen Zugeständnisse der Arbeiter auszugleichen.

Jeder, der dafür kämpfen will und bereit ist, ein Aktionskomitee mit aufzubauen, sollte sich mit der World Socialist Web Site in Verbindung setzen.

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