Wellington: Gewerkschaft setzt Ausverkauf der neuseeländischen Busfahrer durch

Nach einer äußerst angespannten Sitzung am Donnerstag, den 29. Juli, stimmten die Busfahrer in Wellington knapp für einen Ausverkaufs-Tarifvertrag (CEA), den das Unternehmen NZ Bus und die Gewerkschaft Tramways Union ausgeheckt hatten.

Bus in Wellington (Foto: Wikimedia Commons)

Gewerkschaftssekretär Kevin O'Sullivan sagte gegenüber den Mitarbeitern, dass etwa 65 Prozent der Fahrer dafür gestimmt hätten, nannte aber keine genauen Zahlen. Der World Socialist Web Site wurde jedoch mitgeteilt, dass es 129 Stimmen für den CEA und 93 Gegenstimmen gegeben haben, d.h. 58 Prozent dafür und 42 Prozent dagegen. Es ist unklar, ob sich jemand der Stimme enthalten hat, aber einige Fahrer berichteten, dass bis zu 22 Stimmzettel nicht ausgefüllt worden seien. Wenn diese Arbeiter nicht abgestimmt haben, würde dies bedeuten, dass nur 53 Prozent den neuen Vertrag unterstützt haben.

Die Fahrer hatten seit April drei frühere Angebote mit überwältigender Mehrheit abgelehnt, darunter eins vom 23. Juni, das eine Verlängerung der Arbeitszeit, die Abschaffung von Taxizulagen und die Kürzung von Überstundenzulagen vorsah. Damals betonte die Gewerkschaft Tramways Union, dass dies das beste Angebot sei, welches die Fahrer je bekommen würden. Jeder weitere Streik sei aussichtslos.

Dies rief bei den Fahrern Empörung hervor. Ihre Ablehnung des Angebots vom 23. Juni, das die Gewerkschaft unterstützt hatte, war Ausdruck des zunehmenden Kampfs der Arbeiter auf der ganzen Welt gegen die Sparmaßnahmen der Unternehmen und Regierungen sowie der korporatistischen Gewerkschaften. Nach dem jüngsten Votum der Busfahrer wurde bekannt, dass etwa 30.000 Krankenschwestern und Beschäftigte im Gesundheitswesen ein von der Gewerkschaft New Zealand Nurses unterstütztes Ausverkaufsangebot abgelehnt hatten.

Kevin O'Sullivan erklärte den Fahrern, dass im Rahmen des neuen Abkommens mit NZ Bus „unsere bestehenden Bedingungen mit einer beträchtlichen Lohnerhöhung festgeschrieben worden sind (...) Wir haben das Ergebnis erzielt, das wir wollten.“ Der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Jay Zmijewski, erklärte in ähnlicher Weise: „Das ist ein großartiges Ergebnis.“ Er behauptete fälschlicherweise, dass die Fahrer damit die besten Löhne und Bedingungen in der Branche erhalten würden.

Die Gewerkschaftsbürokratie und das Unternehmen mögen bekommen haben, was sie wollten, aber der CEA ist ein Ausverkauf, der nur gegen den erheblichen Widerstand der Fahrer durchgesetzt werden konnte. Zwar wurden die längeren Schichten und die Angriffe auf die Zulagen gestrichen, aber es handelt sich immer noch um einen unternehmensfreundlichen Vertrag.

Ein Fahrer nannte der WSWS gegenüber die Darstellung in den Medien, die auf den Behauptungen der Gewerkschaft beruht – dass nämlich die bestehenden Bedingungen vollständig übernommen worden seien – eine „eklatante Lüge“. Er sagte: „Ich finde es skandalös, dass O'Sullivan und seine Lakaien dieses Angebot angenommen und gutgeheißen haben. Damit haben sie den Weg für eine weitere Aushöhlung unserer Errungenschaften geebnet.“ Die Fahrer hätten „nicht nur gegen das Unternehmen und den GWRC [Greater Wellington Regional Council] gekämpft, sondern auch gegen unseren eigenen Gewerkschaftssekretär“.

Bei der Versammlung am 29. Juli lud die Gewerkschaft die Geschäftsführung von NZ Bus und den Ratsvorsitzenden Daran Ponter (Mitglied der Labour Party) ein, die zu den Fahrern sprechen konnten. „Es gab viele Zwischenrufe und eine Menge Wut auf die Geschäftsführung. Nicht wir haben das Management eingeladen, sondern er [Kevin O'Sullivan]“, erklärte ein Mitglied. Einige Fahrer forderten O'Sullivans Rücktritt.

Ein Fahrer sagte, der Vorstandsvorsitzende Zmijewski habe die Fahrer „komplett belogen: Angeblich hätten sie den CEA nie verschlechtern wollen und wollten den Fahrern durchaus eine bessere Lohnerhöhung geben. Sie würden sie respektieren. Das war wirklich lächerlich.“ In der Versammlung hatten sich mehrere Fahrer darüber beklagt, dass das Unternehmen seine Beschäftigten wiederholt nicht korrekt bezahlt habe, so auch während der Aussperrung im vergangenen Jahr.

Derselbe Fahrer berichtete, er habe versucht, sich in der Sitzung gegen die Vereinbarung auszusprechen, habe aber kein Rederecht erhalten. Einige Fahrer verließen die Sitzung aus Verärgerung über die Art und Weise, wie sie durchgeführt wurde.

Mit dem neuen Vertrag werden die Löhne der Fahrer von rund 20 Dollar (12,50 Euro) pro Stunde – dem gesetzlichen Mindestlohn – auf 22,10 Dollar (13,80 Euro) angehoben und soll im September auf 22,75 Dollar (14,20 Euro) steigen. Dies wird von den Gewerkschaften fälschlicherweise als „existenzsichernder Lohn“ bezeichnet, obwohl es den Mindestlohn kaum übersteigt und in keiner Weise den steigenden Lebenshaltungskosten gerecht wird. Die Fahrer werden weiterhin zu den am schlechtesten bezahlten Arbeitern des Landes gehören.

Die Lohnerhöhung gilt nicht für die Zuschläge, die bisher für Überstunden und Samstage anderthalbfach und für Sonntagsschichten doppelt so hoch waren. Der Grundlohn, der zur Berechnung der Vergütung für diese Schichten herangezogen wird, bleibt praktisch eingefroren. Zum ersten Mal werden die Fahrer für ein und dieselbe Arbeit zwei verschiedene Grundtarife erhalten, je nachdem, wann und viele Stunden sie arbeiten.

Ein Fahrer zeigte sich besorgt über den „Präzedenzfall“, den dies schaffen wird. Er sagte gegenüber der WSWS: „Andere Unternehmen werden das sehen und sagen: 'Hey, wir müssen nicht das Anderthalbfache und das Doppelte dessen zahlen, was wir unseren Mitarbeitern jetzt zahlen. Wir können auch das Anderhalbfache und das Doppelte zahlen, aber basierend auf dem Mindestlohn.“

Die Fahrer sind auch darüber verärgert, dass die Stadtregierung GWRC – und nicht NZ Bus – die Differenz der Aufstockung auf 22,10 Dollar zum Grundlohn finanziert. Das Unternehmen behauptet absurderweise, es könne sich nur eine Erhöhung der Lohnsätze um 2 Prozent oder entsprechend der Inflationsrate leisten.

NZ Bus ist eines der fünf Unternehmen, die von der Stadtverwaltung beauftragt sind, Verkehrsdienste zu möglichst niedrigen Kosten zu erbringen. Es befindet sich im Besitz der australischen Private-Equity-Firma Next Capital, die so viel Gewinn wie möglich aus dem Unternehmen herauspressen will, bevor sie es verkauft.

Ein andere Fahrerin, die sich gegen den CEA aussprach, wies darauf hin, dass die GWRC der Öffentlichkeit gesagt habe, sie wolle die Zahl der zermürbenden geteilten Schichten reduzieren, aber ein an die Fahrer verteilter Dienstplan zeige, dass diese Schichten tatsächlich noch zunehmen würden. Diese Schichten sind in der Regel elf Stunden lang, mit einer dreistündigen unbezahlten Pause.

Dieselbe Fahrerin hatte einen Brief an die GWRC geschrieben, den sie ausdruckte und an andere Fahrer verteilte. Darin wies sie darauf hin, dass die Fahrer 32,23 Dollar pro Stunde erhalten würden, „wenn wir heute noch 61 Prozent über dem Mindestlohn lägen, wie es 1990 der Fall war“, bevor der Stadtrat den öffentlichen Nahverkehr privatisierte.

Sie wies auch darauf hin, dass selbst schlecht bezahlte Fahrkartenverkäufer, die von dem multinationalen Unternehmen Transdev im Nahverkehrsnetz von Wellington eingesetzt werden, mehr als die Busfahrer erhalten, nämlich 22,26 Dollar pro Stunde plus Zuschläge, einschließlich der doppelten Arbeitszeit von 44,52 Dollar an Sonntagen.

Die Vereinbarung zwischen der NZ Bus und der Tramways Union über die Senkung der Zuschläge könnte nun Transdev die Möglichkeit geben, dasselbe zu tun. Transdev hat 2016 den GWRC-Vertrag für das Schienennetz übernommen und seither mit Unterstützung der Gewerkschaft Rail and Maritime Transport Union die Löhne gedrückt und eine Reihe von Entlassungen durchgesetzt.

Die Fahrer von NZ Bus haben wiederholt für Arbeitskampfmaßnahmen gestimmt, aber die Gewerkschaft hat darauf nicht reagiert, abgesehen von einem eintägigen Streik, der am 23. April zu einer Aussperrung durch das Unternehmen führte. Am nächsten Tag nahm Tramways die Verhandlungen wieder auf, und die Fahrer kehrten zur Arbeit zurück. Während der Sitzung am 29. Juli versuchte O'Sullivan erneut, die Fahrer unter Druck zu setzen, indem er erklärte, ein Streik sei unmöglich durchzuhalten und würde sie finanziell ruinieren.

Die Gewerkschaften isolieren die einzelnen Gruppen der Verkehrsbeschäftigten voneinander und vom Rest der Arbeiterklasse. Während der Aussperrung hat die gewerkschaftliche Dachorganisation CTU (Council of Trade Unions) zwar behauptete, dass die gesamte Gewerkschaftsbewegung die Fahrer unterstütze. Allerdings hat sie keinen Versuch unternommen, gemeinsame Kampfmaßnahmen mit anderen Verkehrsbeschäftigten zu starten, ganz zu schweigen davon, andere Arbeiterschichten einzubeziehen, wie beispielsweise die Krankenschwestern, die selbst Angriffen auf Löhne und Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind.

Gleichzeitig schüren die Gewerkschaften Illusionen in die von der Labour Party geführte Regierung von Jacinda Ardern, die eine historische Umverteilung des Reichtums an die Superreichen, eine Wohnungskrise und einen Anstieg von Armut und Ungleichheit zu verantworten hat.

Die Zusammenarbeit der Tramways Union mit der Unternehmensleitung und ihre Feindschaft gegenüber jeglichem Kampf, um die Isolation der NZ-Busfahrer zu durchbrechen, zeigte sich deutlich in ihren Versuchen, die Gegner des Ausverkaufs einzuschüchtern. Davon war auch die Socialist Equality Group (SEG) betroffen.

Am Tag vor der Abstimmung der Mitglieder beschimpfte ein Delegierter namens Rick, ein Anhänger der Gewerkschaftsführung, SEG-Mitglieder, die vor dem Kilbirnie-Betriebshof mit den Fahrern sprachen und eine Erklärung verteilten, in der sie zu einem Nein-Votum aufriefen. Rick erklärte, dies sei „unbefugtes Betreten“ des „Privateigentums“ des Unternehmens, und er werde die Polizei rufen.

Polizeiwagen vor dem NZ Bus-Depot in Kilbirnie im Einsatz gegen Mitglieder der Socialist Equality Group, 28. Juli 2021 (WSWS Media)

Der Delegierte verschwand im Depot-Innern, und einige Minuten später traf ein Polizeiwagen ein, dem ein Polizist entstieg. Ein Busfahrer, der sich gerade mit den SEG-Mitgliedern unterhalten hatte, verteidigte deren Recht, dort zu bleiben und für ihre Positionen zu kämpfen, und äußerte sich empört über das Verhalten des Gewerkschaftsdelegierten.

Der NZ-Bus-Konflikt enthält wichtige Lehren für die gesamte Arbeiterklasse. Unter den Bedingungen der schwersten Krise des Kapitalismus seit Jahrzehnten, ausgelöst durch die Covid-19-Pandemie, handeln die Gewerkschaften in allen Ländern als Betriebspolizei im Auftrag der Unternehmen und des Staats, um immer stärkere Angriffe auf Löhne und Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Um einen wirklichen Kampf gegen diese Angriffe zu organisieren, ruft das Internationale Komitee der Vierten Internationale zu einem Netzwerk von gewerkschaftsunabhängigen Aktionskomitees auf. Diese Organisationen, die demokratisch von den Arbeitern selbst kontrolliert werden, würden die von den Gewerkschaften auferlegte Isolation durchbrechen, indem sie Informationen austauschen und Verbindungen zu anderen Arbeitern auf nationaler und internationaler Ebene knüpfen, die ebenfalls Arbeitskämpfe führen. Sie würden Forderungen aufstellen, die tatsächlich den Bedürfnissen der Arbeiter entsprechen und nicht den Sparmaßnahmen der Unternehmer und Regierungen.

Vor allem ruft die SEG die Arbeitnehmer dazu auf, eine sozialistische Perspektive gegen die Labour Party und alle anderen etablierten Parteien anzunehmen. Dazu gehört die Forderung, den Öffentlichen Nahverkehr andere wichtige Industriezweige in öffentliches Eigentum zu überführen, umfangreich finanziell auszustatten und unter die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse zu stellen. Nur so können menschenwürdige Dienstleistungen und gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze geschaffen werden.

Alle Arbeiter, die dieser Perspektive zustimmen, fordern wir auf, mit uns Kontakt aufzunehmen.

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