Biden weitet angesichts der Krise um den Truppenabzug die Militäroperationen in Afghanistan aus

Bei seiner ersten Pressekonferenz im Weißen Haus seit dem Fall von Kabul versuchte US-Präsident Joe Biden am Freitag erneut, die historische und demütigende Niederlage der USA und ihrer Verbündeten in dem fast 20 Jahre andauernden neokolonialen Krieg in Afghanistan herunterzuspielen.

Ein amerikanischer Chinook-Hubschrauber über Kabul am 15. August 2021 (AP Photo/Rahmat Gul)

Gleichzeitig erklärte er, auch nach Ablauf der Frist für den Abzug am 31. August, auf die sich die USA mit den Taliban geeinigt haben, könnten noch 6.000 US-Soldaten im Land bleiben. Als Vorwand nannte er die Rettung von amerikanischen Staatsbürgern und ausgewählten Afghanen: „Ich glaube, wir können [die Evakuierung] bis dahin abschließen, aber wir werden das anhand des weiteren Verlaufs entscheiden.“

Um den Eindruck von Stärke und Stabilität zu vermitteln, wurde Biden von hohen Regierungsvertretern wie Vizepräsidentin Kamala Harris, Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin flankiert. Biden versprach die Evakuierung nicht nur aller Amerikaner, sondern auch aller Afghanen, die das US-Militär unterstützt haben und jetzt das Land verlassen wollen.

Biden erklärte, die USA sähen sich gegenüber den afghanischen Helfern im Krieg „genauso in der Pflicht“ wie gegenüber amerikanischen Staatsbürgern. Diese „Pflicht“ würde jedoch eine dramatische Ausweitung der Militäroperationen erfordern. US-Regierungsvertreter gaben später bekannt, dass in Kabul und anderen Teilen von Afghanistan Militär- und Geheimdienstoperationen in Gang gesetzt würden.

Hochrangige Vertreter des Militärs erklärten gegenüber Associated Press, dass am Freitag ein Hubschrauber vom Typ CH-47 Chinook Menschen aufgenommen und zum Flughafen gebracht habe. Verantwortlich für die Operation war das 3rd Brigade Combat Team der 82nd Airborne Division, das auf dem nahegelegenen Stützpunkt Camp Sullivan stationiert ist.

Wie der Pressesprecher des Pentagon, John Kirby, am Freitagabend mitteilte, wurden bei einer weiteren Intervention 169 Amerikaner aus dem Baron Hotel in der Nähe des Flughafens gerettet.

Vertreter des US-Militärs erklärten, solche Einsätze fänden seit mehreren Tagen von unterschiedlichen Punkten in Kabul aus statt. In anderen Städten und Provinzen sammelten CIA-Agenten, Spezialkräfte und Offiziere der Armee-Geheimdienste an zuvor ausgewählten Sammelpunkten einen Teil der US-Bürger und afghanischen Staatsbürger ein, die für die USA gearbeitet haben.

Austin erklärte am Freitagnachmittag gegenüber Mitgliedern des Repräsentantenhauses, in Kabul seien Amerikaner von den Taliban misshandelt worden und bezeichnete dies als „inakzeptabel“. Seine Äußerungen widersprachen Bidens früheren Behauptungen darüber, dass nichts darauf hindeute, dass US-Staatsbürger nicht zum Flughafen hätten kommen können.

Bidens Verteidigung des US-Abzugs wurde auch vom Pressesprecher des Pentagon, John Kirby, unterhöhlt. Er erklärte, al-Qaida sei immer noch in Afghanistan präsent und widersprach damit Bidens Behauptung, die Terrororganisation sei nicht mehr im Land, weshalb der Rückzug gerechtfertigt sei.

In Wirklichkeit ging es den USA in ihrem Krieg niemals um den Kampf gegen den Terrorismus. Vielmehr wurden die noch immer größtenteils ungeklärten Hintergründe der Anschläge des 11. September 2001 dazu benutzt, die bereits existierenden Pläne für einen Einmarsch in Afghanistan, und später dem Irak, umzusetzen. Damit sollte nach der Auflösung der Sowjetunion die Hegemonie der USA über die strategisch wichtige Region im Herzen Eurasiens durchgesetzt werden. Al-Qaida und die Taliban selbst sind das Ergebnis von Operationen der CIA und anderer staatlicher Stellen, die diese islamistischen Milizen in den 1980ern benutzten, um die frühere, vom Kreml unterstützte Regierung in Afghanistan zu stürzen.

Biden erklärte außerdem, die USA hätten alle 204 Mitarbeiter der New York Times, der Washington Post und des Wall Street Journal in Afghanistan evakuiert.

In den letzten zwei Jahrzehnten unterstützten diese und andere Leitmedien den Krieg der USA und ihrer Partner, in dessen Verlauf mehr als 100.000 Menschen getötet, Folterkammern betrieben, Luft- und Drohnenangriffe geflogen und die Rohstoffe des Landes geplündert wurden. Diejenigen, die den verbrecherischen Charakter des Kriegs enthüllten, wie Julian Assange, Chelsea Manning und Daniel Hale, wurden eingesperrt.

Auf die Frage eines Reporters, warum die USA nicht schon früher mit Evakuierungen begonnen haben, erklärte Biden, die USA hätten nicht mit dem „völligen Untergang der afghanischen Streitkräfte“ gerechnet. Vertreter der US-Regierung hatten jedoch gegenüber Associated Press erklärt, dass mehr als 20 Diplomaten der amerikanischen Botschaft in Kabul im Juli die Sorge geäußert hatten, die Evakuierung ausgewählter Afghanen verlaufe nicht schnell genug.

In dem Bemühen, jegliches Versagen der US-Geheimdienste zu bestreiten, behauptete Biden, er habe hinsichtlich des Zeitraums, den die afghanische Regierung noch bestehen könne, die verschiedensten Zeiteinschätzungen bekommen, doch alle seien pessimistisch gewesen. Er behauptete, er habe den Rat des afghanischen Marionetten-Präsidenten Ashraf Ghani befolgt, der letztes Wochenende aus dem Land geflohen war.

Vor allem leugnete Biden, dass die Fähigkeiten der USA, ihre globale Stärke einzusetzen, einen Rückschlag erlitten hat. Auf die Frage, ob die Glaubwürdigkeit der USA beschädigt sei, erklärte er: „Ich sehe keine Zweifel an unserer Glaubwürdigkeit, eher das genaue Gegenteil. Wir sind hingegangen und haben diese Mission erledigt. Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden.“

Mit Blick auf die Evakuierungsoperationen erklärte er: „Das einzige Land, das ein solches Ausmaß an militärischer Stärke am anderen Ende der Welt mit solcher Präzision planen kann, sind die USA.“

Biden steht unter wachsender Kritik und dem Druck der Medien sowie des politischen Establishments, die Militäroperation auszuweiten und die Absicht der USA deutlich zu machen, ihre globale Macht zu behaupten. Das Wall Street Journal, das zum Imperium des rechten Medienzaren Rupert Murdoch gehört, veröffentlichte am Freitag eine Erklärung der Redaktionsleitung, in der es hieß: „Zeit für eine Nato-Militäroperation zur Rettung der Gefangenen hinter den Linien der Taliban.“

Mehrere Vertreter der Demokratischen Partei bezeichneten den Rückzug aus Afghanistan bereits als „Fehler“. Der Kongressabgeordnete Dean Philips erklärte: „Die Exit-Strategie ging von uns aus und ihre Ausführung zeichnet ein unvorteilhaftes Bild der USA.“

Am Mittwoch wies Bidens Nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan, die Behauptungen von Journalisten zurück, die USA hätten an „Glaubwürdigkeit verloren“ und erklärte: „Der Präsident hat mehrfach erklärt, dass er nicht die Absicht hat, unsere Truppen aus Südkorea oder Europa abzuziehen, wo wir seit langer Zeit eine beträchtliche Truppenpräsenz unterhalten. Und wenn es um Taiwan geht, ist das eine grundlegend andere Frage als in Afghanistan.“

Dass Sullivan ausdrücklich Taiwan erwähnt, muss als weitere Warnung vor Bidens Eskalation der Konfrontation zwischen Washington und China begriffen werden. Diese wird sich noch weiter verschärfen, da die USA planen, mit militärischer Aggression auf Pekings angebliche Bedrohung der globalen Hegemonie zu reagieren, die nach dem Zweiten Weltkrieg vom US-Imperialismus durchgesetzt wurde.

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