COVID-19-Welle breitet sich in Europa aus

Ungeachtet der offiziellen Propaganda vom Ende der Pandemie nimmt die Ausbreitung von COVID-19 in Europa immer dramatischere Formen an. Jeden Tag infizieren sich etwa 220.000 Menschen mit dem Virus und fast 3.000 sterben daran.

Diese Woche meldete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Anstieg der COVID-19-Fälle in Europa um sieben Prozent. Die WHO wies auf ungleiche Impfraten auf dem Kontinent hin und betonte, dass diese Entwicklung eine Bedrohung für den Kontinent darstelle. Bezeichnenderweise ist Europa nach Angaben der WHO die einzige Region der Welt, in der die Zahl der täglich gemeldeten Fälle noch steigt.

Besonders akut ist die Lage in Osteuropa. Gestern starben 1.064 Menschen an COVID-19 und in Russland wurden 37.141 neue Fälle registriert. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer weitaus höher ist. In der Ukraine (614 Tote, 23.785 Fälle) und in Rumänien (356 Tote, 15.410 neue Fälle) sterben derzeit mehr Menschen an COVID-19 als jemals zuvor in der Pandemie.

Überfüllter COVID-19-Isolationsraum im Universitäts-Notfallkrankenhaus in der rumänischen Hauptstadt Bukarest am Freitag, 22. Oktober 2021. (AP Photo/Vadim Ghirda)

Gestern kündigte die Ukraine angesichts überfüllter Notaufnahmen, die das Krankenhaussystem zu überwältigen drohten, eine zweiwöchige Schließung von Schulen in Gebieten mit hoher Infektionsrate an, darunter auch in der Hauptstadt Kiew. Nur 6,8 Millionen der 41 Millionen Einwohner der Ukraine und weniger als ein Viertel der Bevölkerung Bulgariens sind vollständig geimpft.

Auch in den baltischen Staaten ist die Lage außer Kontrolle. In Lettland sah sich das Kabinett am Mittwoch gezwungen, eine nächtliche Ausgangssperre und einen einmonatigen Lockdown zu verhängen. Zuvor hatte es nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Riga in 14 Tagen 1.400 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gegeben – ein Rekord seit Beginn der Pandemie. In vielen Krankenhäusern seien die Intensivstationen bereits voll belegt, erklärte Gesundheitsminister Daniels Pavluts.

Im übrigen Europa geht der Trend in eine ähnliche Richtung. In Polen verdoppelt sich die Zahl der Neuinfektionen derzeit von Woche zu Woche. „Wenn diese Situation anhält, durchbricht sie alle bisherigen Prognosen“, warnte der polnische Gesundheitsminister Adam Niedzielski am Mittwoch in Warschau.

Großbritannien verzeichnet derzeit die meisten COVID-19-Fälle mit täglich etwa 50.000 Neuinfektionen und rund 200 Todesfällen pro Tag. In Frankreich, Italien und Spanien, wo die Zahl der Fälle nach einem sprunghaften Anstieg der Fälle und Todesfälle im Spätsommer vergleichsweise niedrig geblieben ist, hat die Zahl der täglichen Neuinfektionen wieder zugenommen, nachdem sie vom 10. bis 15. Oktober einen Tiefstand von 4.203, 2.456 bzw. 1.464 erreicht hatte.

Auch in Deutschland gehen die Infektions- und Todeszahlen wieder steil nach oben. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet seit einigen Tagen eine steigende Zahl von täglichen Neuinfektionen, am Freitag waren es fast 20.000. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag mit 95,1 pro 100.000 Einwohner auf dem höchsten Stand seit Mitte Mai. In seinem aktuellen Wochenbericht warnt das RKI, dass sich der Anstieg der Fallzahlen mit dem Fortschreiten des Herbstes und Winters beschleunigen wird.

In weiten Teilen Europas ist die Lage schlimmer als zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr, als Hunderttausende im Winter an COVID-19 starben. Jetzt zeichnet sich ein ähnliches Szenario ab.

Die WHO warnte Anfang September vor 236.000 zusätzlichen COVID-19-Toten bis zum 1. Dezember. Dennoch unternahmen die europäischen Regierungen nichts, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen und ein Massensterben zu verhindern. Im Gegenteil: Sie öffneten Schulen und Betriebe und bauten die verbliebenen Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und schulische Eindämmungsmaßnahmen fast vollständig ab. Die aktuellen Masseninfektionen und Todesfälle sind eine direkte Folge dieser Politik.

Regierungen aller Couleur – ob konservativ, sozialdemokratisch oder pseudolinks – verfolgen eine bewusste Politik der Herdenimmunität, die Profite über Leben stellt. Um die Bereicherungsorgie an den Börsen nicht zu gefährden, bestehen sie darauf, dass Eltern ihre völlig schutzlos dem Virus ausgelieferten Kinder in die Schule schicken und es keine erneuten Schließungen geben darf und man „mit dem Virus leben“ müsse.

Unabhängig davon, ob sie behaupten, Maßnahmen zur „Mitigation“ von COVID-19 zu befolgen oder nicht, sind die Folgen der von den europäischen Mächten verfolgten Politik weitgehend ununterscheidbar von den Forderungen der extremen Rechten, durch Masseninfektion der Bevölkerung Immunität zu entwickeln. In der Tat fordert die extreme Rechte seit langem ein Ende aller sozialen Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie.

In Deutschland wird der Plan von Gesundheitsminister Jens Spahn, die „epidemische Lage“ und damit de facto alle verbliebenen Schutzmaßnahmen bis zum 25. November zu beenden, von der rechtsextremen AfD genauso unterstützt wie von der Linkspartei. Die Linksfraktion im Saarland unter Führung von Parteigründer Oskar Lafontaine will für den 30. Oktober sogar einen „Freedom Day“ nach dem Beispiel von Großbritannien. Es sei „höchste Zeit für einen 'Freedom Day' statt 'German Angst'“, fordert sie in einer offiziellen Erklärung.

Die harte Erfahrung hat gezeigt, dass es unmöglich ist, eine rationalere, wissenschaftliche Politik gegen die Pandemie zu erreichen, indem man die nominell „linken“ Parteien des Establishments unterstützt. In Frankreich haben die Verbündeten der Linkspartei – Jean-Luc Mélenchons Partei „La France insoumise“ (FI – Unbeugsames Frankreich), die morenistische Website Révolution permanente und Lutte Ouvrière (LO – Arbeiterkampf) die Teilnahme an Demonstrationen der Impfgegner befürwortet, obwohl die Bevölkerung die Impfung mit überwältigender Mehrheit befürwortet. Mehr als 75 Prozent der französischen Bevölkerung sind geimpft.

In Spanien ist die „linkspopulistische“ Partei Podemos zusammen mit der sozialdemokratischen Spanischen Sozialistischen Partei (PSOE) an der Macht. Dennoch gab es in Spanien während der Pandemie mehr als 100.000 Coronatote. Und nun entscheiden die Gerichte, dass selbst die begrenzten Lockdowns, die letztes Jahr als Reaktion auf die Massenstreiks in Italien, Spanien und in weiten Teilen Europas verhängt wurden, um die erste Welle der Pandemie zu stoppen, illegal und verfassungswidrig waren.

Die Verachtung der herrschenden Elite für das massenhafte Sterben und Leid war auf dem zweitägigen Gipfel des Europäischen Rates, der gestern in Brüssel zu Ende ging, deutlich zu spüren. Die Diskussion drehte sich vor allem um die brutale Abwehr von Flüchtlingen an den osteuropäischen Außengrenzen, sowie um die Versuche der polnischen Regierung, sich über europäische Rechtsentscheidungen hinwegzusetzen. Die Pandemie wurde in der Berichterstattung über das Gipfeltreffen kaum erwähnt, obwohl die offizielle Gipfel-Website knapp verkündete, „die Bemühungen zur Überwindung der Impfskepsis zu verstärken'.

Gleichzeitig stecken die EU-Staaten Hunderte von Milliarden Euro in die Militärbudgets, die trotz des pandemiebedingten Rückgangs der Wirtschaftstätigkeit weiter ansteigen.

Das Massensterben, das derzeit ein Ausmaß annimmt, das sonst nur in Kriegszeiten zu beobachten ist, muss gestoppt werden. In ganz Europa sind bereits über 1,27 Millionen Menschen an COVID-19 gestorben. Weltweit sind offiziell fast fünf Millionen Menschen dem Virus erlegen. Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer noch weitaus höher liegt. Die Rede ist von etwa 15 Millionen Coronatoten weltweit und etwa 1,8 Millionen in Europa.

Um Leben zu retten, müssen sich die Arbeiter mit einem wissenschaftlichen und politischen Verständnis der Pandemie wappnen und eine politische Bewegung aufbauen, um eine wissenschaftliche Politik zur Bekämpfung von COVID-19 durchzusetzen. Die Beendigung der Pandemie erfordert strenge Lockdownmaßnahmen in Verbindung mit Impfungen, Kontaktverfolgung und der Isolierung infizierter Personen.

Der dritte weltweite Schulstreik am 22. Oktober hat erneut deutlich gemacht, dass es in der Arbeiterklasse eine breite Unterstützung für eine Politik gibt, die darauf abzielt, die Pandemie zu beenden.

Am 24. Oktober veranstalten die WSWS und die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC - International Workers Alliance of Rank-and-File Committees) ein Online-Webinar, um einem weltweiten Publikum die wissenschaftliche Grundlage für eine solche Strategie zu erläutern. Wir rufen alle unsere Leser auf, sich hier zu registrieren, Freunde, Verwandte und Kollegen zu informieren und die Veranstaltung über die sozialen Medien so weit wie möglich zu verbreiten.

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