Ampel stellt Koalitionsvertrag vor: Sozialabbau, Staatsaufrüstung und Militarismus

SPD, Grüne und FDP haben sich am Mittwoch auf einen 177-seitigen Koalitionsvertrag geeinigt und ihn der Presse vorgestellt. Nach seiner Verabschiedung durch die zuständigen Parteigremien dürfte damit der Wahl einer neuen Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem 6. Dezember nichts mehr im Wege stehen.

Verpackt in blumige Phrasen über Modernisierung, Transformation, Klimaschutz und Zusammenhalt ist das Koalitionsprogramm der Ampel eine Kampfansage an die arbeitende Bevölkerung und ein Bekenntnis zum Militarismus. Hier haben sich drei Parteien zusammengefunden, die in reiner Form die Interessen der Konzerne und Banken (FDP), der wohlhabenden Mittelklasse (Grüne) und des Staates (SPD) vertreten.

Pressekonferenz der Ampel-Koalitionäre

Am deutlichsten zeigt die Corona-Politik den Klassencharakter der neuen Regierung. Am selben Tag, an dem die Ampel in Berlin ihren Koalitionsvertrag vorstellte, überstieg die offizielle Zahl der Todesopfer die Schwelle von 100.000. Die Zahl der Infizierten erreichte mit 67.000 einen neuen Tagesrekord. In weiten Teilen des Landes ist die Pandemie mit Sieben-Tage-Inzidenzen weit über 1000 vollständig außer Kontrolle.

Die Ampel trägt für diese Katastrophe eine direkte Mitverantwortung, und das nicht nur, weil die SPD seit acht Jahren in der Regierung sitzt. Erst vor sechs Tagen beschlossen SPD, Grüne und FDP mit ihrer Mehrheit im Bundestag, die Corona-Notlage am 25. November auslaufen zu lassen. Damit gibt es keine gesetzliche Grundlage mehr, Lockdowns und ähnliche Maßnahmen zu verhängen, die zur Eindämmung der Pandemie unerlässlich sind.

Scholz konnte zwar die Pandemie auf der Pressekonferenz nicht ignorieren, kündigte aber keine neuen Maßnahmen an. Er rief lediglich zur Ausweitung der Impfkampagne auf und versprach die Einrichtung eines ständigen Krisenstabs und einer Expertengruppe im Kanzleramt sowie einen einmaligen Bonus für die überarbeiteten Pflegekräfte. Dabei warnen Wissenschaftler seit langem, dass nur eine Kombination aller verfügbaren Maßnahmen eine noch größere Katastrophe verhindern kann.

Doch die Ampel ist entschlossen, die mörderische „Profite-vor Leben-Politik“ der Großen Koalition fortzusetzen. Sie nimmt lieber zehntausende Tote und die Durchseuchung der Jugend in Kauf, als die Profite der Wirtschaft zu gefährden.

Eine der wichtigsten Entscheidungen im Koalitionsvertrag ist die Übergabe des Finanzministeriums an die FDP. Obwohl die Minister erst in den kommenden Tagen benannt werden, gilt es als sicher, dass FDP-Chef Christian Lindner dieses Amt übernehmen wird. Lindner hat sich als vehementer Verfechter einer Austeritätspolitik, Gegner jeder Steuererhöhung für die Reichen und Vertreter von Wirtschaftsinteressen einen Namen gemacht.

Der Koalitionsvertrag hält dementsprechend fest, dass die Schuldenbremse, die die staatliche Neuverschuldung strikt beschränkt, ab 2023 wieder uneingeschränkt in Kraft tritt. Auch in Europa soll Deutschland „als Stabilitätsanker weiterhin seiner Vorreiterrolle gerecht werden“ und für die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts sorgen, der die Schulden der EU-Mitglieder deckelt. „Finanzielle Solidität und der sparsame Umgang mit Steuergeld“ seien „Grundsätze unserer Haushalts- und Finanzpolitik“.

Angesichts gewaltiger Subventionen für die klimagerechte Transformation der Konzerne, einer massiven Steigerung der Rüstungsausgaben und der geplanten Rückzahlung der Corona-Schulden kann dies nur durch drastische Sozialkürzungen finanziert werden. Dafür ist die SPD zuständig. Die FDP, der kleinste der drei Koalitionspartner, erhält neben dem Finanz- auch das Justiz-, das Verkehrs- und das Bildungsministerium.

Die Grünen übernehmen das Wirtschaftsministerium, das um den Bereich Klimaschutz erweitert wird, sowie das Außen-, das Familien-, das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium. Es wird erwartet, dass Annalena Baerbock Außenministerin und Robert Habeck Vizekanzler und Wirtschaftsminister wird.

Baerbock ist für ihre Feindschaft gegen Russland und China bekannt. Entsprechend bezeichnet der Koalitionsvertrag die „transatlantische Partnerschaftund die Freundschaft mit den USA“ als „ein zentraler Pfeiler unseres internationalen Handelns“. Die China-Politik soll „transatlantisch abgestimmt“, eine Kooperation mit China nur „auf der Grundlage der Menschenrechte“ angestrebt werden.

Wie schon die derzeitige Regierung strebt auch die Ampel eine globale Weltmachtpolitik an. Unter der Überschrift „Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt“ werden Osteuropa, die Ukraine, die Türkei, der Nahe Osten, Afrika und selbst der Indo-Pazifik als deutsche Interessengebiete definiert. „Wir wissen um die globale Verantwortung, die Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt dafür trägt.“

Um das Gewicht Deutschlands zur Geltung zu bringen, soll die Europäische Union gestärkt werden. Eine „handlungsfähige und strategisch souveräne EU“ sei „die Grundlage für unseren Frieden und Wohlstand“. „Als größter Mitgliedstaat werden wir unsere besondere Verantwortung … für die EU als Ganzes wahrnehmen.“

Zu diesem Zweck soll die Aufrüstung der Bundeswehr forciert werden. Dabei wird alle Zurückhaltung über den Haufen geworfen. So verpflichtet sich der Koalitionsvertrag zur „Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr“ und zur nuklearen Abschreckung. „Solange Kernwaffen im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.“ Wir „bekennen uns zur Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen Abschreckungspotenzials“.

Auch die Anschaffung eines „Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado“ zu Beginn der 20. Legislaturperiode verspricht der Vertrag.

Das Verteidigungsministerium wird die SPD führen, die auch das Innen-, das Arbeits-, das Gesundheits-, das Bau- und das Entwicklungshilfeministerium leiten und den Kanzler sowie den Kanzleramtschef stellen wird.

Dem Arbeitsministerium, das die SPD seit 23 Jahren mit vier Jahren Unterbrechung führt, kommt im Ampelprogramm eine besondere Bedeutung zu. Unter der Überschrift „Moderne Arbeitswelt“ werden alle Folterinstrumente der Agenda 2010 weiterentwickelt, mit denen die letzte rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder den umfangreichsten Sozialabbau der jüngeren Geschichte in Gang setzte.

Der Koalitionsvertrag folgt dabei immer demselben Muster. Maßnahmen, die auf besonders viel Wut und Empörung gestoßen sind, werden abgeschafft und dann in anderer Form oder unter neuem Namen wieder eingeführt.

So heißt das Arbeitslosengeld II (besser bekannt als Hartz IV) in Zukunft Bürgergeld. „Das Bürgergeld stellt die Potenziale der Menschen und Hilfen zur nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe,“ heißt es wohlklingend im Koalitionsvertrag. Doch an „Mitwirkungspflichten“ wird festgehalten. Das heißt, der Empfänger des Bürgergelds wird auch weiterhin so lange von den Arbeitsagenturen schikaniert, bis er einen Niedriglohnjob annimmt. Derartige Jobs – Mini- und Midijobs, Zeitarbeit, Leiharbeit, Befristungen usw. – werden nicht abgeschafft, sondern „angepasst“.

Auch die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro, die die SPD als große Wohltat feiert, erweist sich als Mogelpackung. Der Mindestlohn beträgt jetzt schon 9,60 Euro und würde Mitte nächsten Jahres ohnehin auf 10,45 Euro steigen. Die branchenspezifischen Mindestlöhne liegen zudem schon jetzt fast alle über 12 Euro. Zudem hält der Koalitionsvertrag ausdrücklich an Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung fest, mit denen der Mindestlohn unterlaufen werden kann.

Dasselbe gilt für das Versprechen, es werde „keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben“. Die bereits beschlossene Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre ist noch gar nicht abgeschlossen. Und vom „Mindestrentenniveau von 48 Prozent“ (des durchschnittlichen Einkommens nach 45 Jahren Beitragszahlung!), das die Ampel garantiert, kann kein Mensch leben.

Tatsächlich sieht der Koalitionsvertrag ausdrücklich vor, dass ältere Menschen, auch wenn sie das Rentenalter längst erreicht haben, wieder arbeiten, um ihre magere Rente zu ergänzen. Zu diesem Zweck sollen zahlreiche Regelungen des Arbeitsrechts verändert werden.

Um der Wohnungsnot zu begegnen, verspricht die Ampel, dass jährlich 400.000 neue Wohnungen gebaut werden. Doch schon die Große Koalition hatte 2017 versprochen, in vier Jahren 1,5 Millionen Wohnungen zu bauen. Dieses Ziel wurde nie erreicht. Selbst 2020, als die Zahl der Neubauten einen neuen Rekord erreichte, waren es nur 306.000 – und die Mieten sind inzwischen kaum mehr bezahlbar.

Gegen die Kinderarmut verspricht die Ampel die Einführung einer „Kindergrundsicherung“. Doch dahinter verbirgt sich schlicht die Zusammenlegung bisheriger Leistungen – Kindergeld, Kinderzuschlag, Bildungsförderung – zu einer einzigen Förderleistung.

Um der wachsenden sozialen Opposition entgegenzutreten, rüstet die Ampel den Polizei- und Überwachungsstaat weiter auf. „Die Angehörigen der Sicherheitsbehörden in unserem Land, die uns jeden Tag aufs Neue bei der Verteidigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung unterstützen, verdienen unseren Respekt und Anerkennung,“ heißt es im Koalitionsvertrag, und: „Nachrichtendienste sind ein wichtiger Teil der wehrhaften Demokratie.“

Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, Überwachungssoftware und andere Formen der Überwachung sollen nicht abgeschafft, sondern „rechtssicher“ gemacht werden. Auch der „Einsatz von V-Personen, Gewährspersonen und sonstigen Informantinnen und Informanten aller Sicherheitsbehörden“, soll nicht verboten, sondern gesetzlich geregelt werden. Für „Streitfragen“ bei Einstufungen durch den Verfassungsschutz soll es eine „unabhängige Kontrollinstanz“ geben. Anstatt den rechten Sumpf im Staatsapparat trocken zu legen, will die Ampel den 11. März zum „nationalen Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt“ machen.

Auch an die unmenschliche Flüchtlingspolitik der Großen Koalition knüpft die Ampel nahtlos an. Sie will zwar mehr Einwanderung zulassen – um Arbeitskräfte zu gewinnen und der Überalterung der Gesellschaft entgegenzuwirken –, gleichzeitig aber Flüchtlinge, die keinen ökonomischen Nutzen bringen, umso konsequenter raushalten: „Wir werden irreguläre Migration reduzieren und reguläre Migration ermöglichen.“

Der Klimaschutz, von den Grünen als Durchbruch gefeiert, erweist sich bei näherem Hinsehen als zusätzliches Bereicherungsprogramm für die Konzerne und Banken. Er wird ausschließlich vom Standpunkt angegangen, der kriselnden deutschen Exportwirtschaft neue Absatzmöglichkeiten zu verschaffen.

„Als größte Industrie- und Exportwirtschaft Europas steht Deutschland in den 2020er Jahren jedoch vor tiefgreifenden Transformationsprozessen im globalen Wettbewerb,“ heißt es im Kapitel „Klimaschutz in einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft“. „Wir sehen deshalb die Aufgabe, der ökonomischen Stärke unseres Landes eine neue Dynamik zu verleihen.“

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