50 Jahre seit Hugo Banzers Militärputsch in Bolivien

Dieser wichtige historische Artikel erschien ursprünglich am 30. September 2021 auf der englischsprachigen Ausgabe WSWS.

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Vor fünfzig Jahren, am 21. August 1971, führte der bolivianische Oberst Hugo Banzer Suárez einen Putsch durch, der eine siebenjährige blutige Diktatur einleitete. Er richtete sich gegen den bürgerlich-nationalistischen Militärdiktator Juan José Torres.

Das Banzer-Regime verbot Gewerkschaften und politische Parteien, schloss Universitäten und stieß Massen von Arbeitern in die Armut. Es überließ dem ausländischen Kapital und Boliviens traditionellen Oligarchen umfangreiche Rohstoffe – Zinn, Öl und Gas – zur Ausbeutung und verschaffte ihnen damit eine unendliche Quelle des Profits.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) verstand dieses Ereignis als eine entscheidende strategische Erfahrung der internationalen Arbeiterklasse. Nur neun Tage nach dem Putsch schrieb Tim Wohlforth, der damalige Nationale Sekretär der US-amerikanischen Workers League (Vorläufer der Socialist Equality Party) einen Artikel mit dem Titel: „Bolivien: Bittere Lehren aus der Niederlage“. Darin heißt es: „Man darf keine Zeit verlieren, um diese Lektionen zu lernen. Was in Bolivien passiert ist, kann sich schon bald in Peru, in Chile und selbst in Argentinien wiederholen. Die Krise des Kapitalismus ist so intensiv, und die Bewegung der Arbeiterklasse in Lateinamerika so entschlossen, dass die Krise der Führung sich mit äußerster Schärfe abzeichnet.“

Aus dem Putsch im Jahr 1971 in Bolivien wurden keine Lehren gezogen, und so blieb die Krise der revolutionären Führung in Lateinamerika ungelöst. Die Warnungen des IKVI blieben ungehört, und die nachfolgenden Staatsstreiche in Chile (1973), Uruguay (1974), Peru (1975) und Argentinien (1976) bestätigten sie auf tragische Weise.

Im Jahr 1976 wurde jeder zweite südamerikanische Staat (nämlich Argentinien, Chile, Uruguay, Paraguay, Bolivien, Brasilien und Peru) von militärischen Juntas regiert. Viele von ihnen wurden durch faschistische Kräfte unterstützt. Bald darauf arbeiteten sie in der berüchtigten Operation Condor mit dem US-Militär zusammen. Deren Ziel war es, Sozialisten und linke Arbeiter auszuschalten, zu entführen und zu ermorden. Zehntausende Betroffene wurden getötet, gefoltert und ins Exil gezwungen.

Die Ereignisse in Bolivien und auf dem südamerikanischen Kontinent insgesamt waren keineswegs unvermeidlich. Ganz im Gegenteil waren ihnen stets massive Aufstände der Arbeiterklasse vorangegangen. Aber diese wurden von ihren verräterischen nationalistischen und stalinistischen Führungen systematisch entwaffnet. Der wichtigste Faktor jedoch, der die Arbeiterklasse daran hinderte, ihre Krise der revolutionären Führung zu lösen, und der somit zu ihrer Niederlage führte, war die Rolle, die die pablistischen Revisionisten spielten, einschließlich der französischen OCI (Organisation Communiste Internationaliste). Letztere trennte sich vom IKVI gerade zu dem Zeitpunkt, als sich diese Entwicklung abzeichnete.

Von der Revolution 1952 bis zum Putsch 1971

Der bolivianische Putsch von 1971 zeigte, dass die begrenzten bürgerlich-nationalistischen Reformen ausgeschöpft waren, die nach der Revolution im Jahr 1952 eingeleitet worden waren. Die Revolution war ausgebrochen, nachdem die Arbeiterklasse, insbesondere die Bergarbeiter, als wichtigste soziale Kraft die nationale politische Bühne betreten hatten.

Der Putsch von 1971 deckte die historische Sackgasse auf, vor der die bolivianische Bourgeoisie stand. Zwanzig Jahr zuvor hatte die kleinbürgerliche Nationalrevolutionäre Bewegung (MNR), gestützt auf bewaffnete Arbeiter, die Macht übernommen. Sie hatte die größten Zinnminenbesitzer enteignet, eine Bodenreform eingeleitet und durch Einführung einer Elementarschule den Kampf gegen das Analphabetentum aufgenommen. Sie hatte auch erstmals das allgemeine Wahlrecht durchgesetzt.

Die MNR und die Revolution von 1952 waren die Folge des Chaco-Kriegs 1932–1935, der in einem Debakel endete: Bolivien verlor in ihm seinen letzten autonomen Meereszugang über den Río de la Plata an das viel geringer bevölkerte und schwächere Paraguay. Die militärische Demütigung durch Paraguay läutete die Totenglocke für die alte Hegemonie der Oligarchen über Bolivien. Das Wachstum einer reformistischen Bewegung der schmalen städtischen Mittelklassen, die sich schließlich in der MNR organisierten, wurde durch diese Niederlage stark befeuert.

Es war eine deutliche Bestätigung von Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution, dass sich die MNR, als sie endlich die Macht errungen hatte, nicht auf die zögerlichen Mittelklassen als soziale Basis stützten konnte, sondern dies durch die Intervention bewaffneter Arbeiter geschah. Sie erhoben sich, um das Militär daran zu hindern, den Wahlsieg der MNR im Jahr 1951 zu kippen. Sie stellten sicher, dass der Rechtsanwalt Victor Paz Estenssoro, der Gründer der MNR, Präsident wurde.

Bewaffnete Bergarbeiter tragen in der Revolution von 1952 Victor Paz Estenssoro auf ihren Schultern

Die bürgerlich-nationalistischen Reformen der MNR beruhten auf der ausdrücklichen Ablehnung des Sozialismus und ermöglichten gute Beziehungen zum US-Imperialismus. Dieser konnte sie aufgrund der raschen wirtschaftlichen Expansion in der Nachkriegszeit und der Hegemonie der USA über ihre imperialistischen Rivalen finanziell unterstützen.

Im Jahr 1971 hatte sich die Weltlage vollkommen verändert. Bereits im Jahr 1964 hatte der US-Imperialismus verlangt, dass Bergbauunternehmungen lukrativer werden sollten, indem Zehntausende Arbeiter entlassen werden sollten. Auch sollte die Beteiligung der Gewerkschaft an der Geschäftsführung der staatlichen Bolivianischen Bergbaukorporation (Comibol) beendet werden. Zudem wurde der Internationale Währungsfond zu Hilfe gerufen, um einen „Stabilisierungs“-Plan zu entwerfen. Estenssoro wurde als Präsident wiedergewählt, dann aber von seinem Vizepräsidenten, General René Barrientos, gestürzt. Damit wurde eine Reihe von weiteren Staatsstreichen eingeleitet, in deren Abfolge im Jahr 1970 das Regime von General Torres an die Macht kam.

Banzer führte seinen Putsch am 18. August 1971 durch. Das war nur drei Tage, nachdem US-Präsident Richard Nixon bekanntgegeben hatte, dass Washington die garantierte internationale Goldkonvertibilität des Dollars – eine entscheidende wirtschaftliche Grundlage des kapitalistischen Nachkriegsbooms – aufgegeben hatte. Die Erosion der Hegemonie des US-Imperialismus über die Weltwirtschaft, die sich hinter dem „Nixon-Schock“ verbarg, war auch die Ursache für den Niedergang der bürgerlich-nationalistischen Regime in Südamerika, die auf US-Investitionen und Hilfe angewiesen waren.

Am 28. Januar 1973 brachte die New York Times einen Bericht über die bolivianische Wirtschaft unter dem Titel „Boliviens mutige Devaluierung“. Darin erklärte die Times, warum das Banzer-Regime alle Errungenschaften zerschlagen hatte, die die Arbeiter seit der Revolution von 1952 erkämpft hatten. In dem Artikel heißt es:

„Da die regierungsfeindlichen Kräfte sich offensichtlich in Unordnung befanden, gab Präsident Banzer den internationalen Kredit-Agenturen nach und wertete am 27. Oktober den Boliviano gegenüber dem US-Dollar von 12 auf 20 ab. Es war die erste Devalvierung in Bolivien seit vierzehn Jahren. Diese lange überfällige Abwertung hatte umfangreichere Auswirkungen auf den Durchschnittsbolivianer als alle politischen Ereignisse der vergangenen zwanzig Jahre.“

Die Times machte auf die Haltung des Regimes zu den früher erfolgten Enteignungen aufmerksam: „Bolivien förderte ausländische Investitionen, indem es kürzlich Kredite aufnahm, um Besitzer früher verstaatlichter Minen und anderen Eigentums zu entschädigen.“ Hellsichtig schrieb das Blatt allen Befürwortern des Guerillakampfs ins Stammbuch: „Da die Hälfte der Arbeitskräfte arbeitslos ist, und die Beschäftigten zwischen 25 und 35 Dollar im Monat verdienen, ist der Anstieg der Lebenshaltungskosten für die Regierung potenziell gefährlicher als die Guerillakämpfer.“

Banzers Verschwörung gegen Torres war schon länger im Gange. Torres selbst hatte erst zehn Monate zuvor in einem Putsch die Macht ergriffen und versprochen, eine nationalistische und bürgerlich-reformistische Regierung gegen die rechten Verschwörer im Militär zu bilden. Um die Arbeiterklasse zu bändigen, setzte Torres die „Asamblea Popular“ (Volksversammlung) ein, deren 240 Mitglieder überwiegend von den Gewerkschaften gestellt wurden. Sowohl die Faschisten als auch eine Reihe von Renegaten vom Trotzkismus, darunter die Pablisten, beeilten sich, die Asamblea Popular zu einem „sowjetartigen“ Organ hochzustilisieren. Diese Haltung nahm auch die französische OCI ein, die sich damals auf eine Spaltung vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale hinbewegte.

Die Faschisten betrachteten Torres’ Manöver mit der Asamblea Popular als Zeichen der Schwäche und rechneten damit, dass er bald die Kontrolle über die Arbeiterklasse verlieren könnte. Sie entschieden, dem mit einem Putsch zuvorzukommen. Diesen unterstützten sowohl die faschistische Falange Socialista Boliviana (FSB) als auch der rechte Flügel der MNR, dem der ehemalige Präsident Paz Estenssoro vorstand.

Den Revisionisten andererseits diente die Debatte über den „sowjetischen Charakter“ der Asamblea Popular zu dem Zweck, jegliche Diskussion über die stalinistische und gewerkschaftliche Dominanz zu vermeiden, besonders über Juan Lechín, den Chef der Bergarbeitergewerkschaft, der die Asemblea Popular leitete. Außerdem diente die Verklärung der Asamblea Popular dazu, die pablistische These zu fördern, dass die Revolution in unterdrückten Ländern mit „stumpfen Instrumenten“, namentlich durch Lechín oder Torres persönlich, verwirklicht werden könne. Auf diese Weise konnte die Organisation, die das Erbe des Trotzkismus in Bolivien für sich beanspruchte - nämlich die Partido Obrero Revolucionario (POR) unter Führung von Guillermo Lora - darauf verzichten, den Verrat aufzudecken, den Lechin und die Pablisten vorbereiteten.

Verwundeter Arbeiter während der Kämpfe in La Paz 1971

Banzer startete seine Offensive aus der Stadt Santa Cruz de la Sierra, einer Hochburg der bürgerlichen Reaktion in Bolivien. Er nahm La Paz und das übrige Bolivien in bloß drei Tagen ein und stieß nur auf begrenzten, wenngleich heldenhaften Widerstand, hauptsächlich von den armen Arbeitern in La Paz.

Verrat der POR an der bolivianischen Arbeiterklasse und Pablismus

Guillermo Lora, der Führer der Revolutionären Arbeiterpartei (POR), unterstützte die Unterordnung der Arbeiterklasse unter das Torres-Regime, die von den Stalinisten betrieben wurde, und verteidigte in der Asamblea Popular eine Resolution, in der es hieß:

Der aktuelle Prozess ist widersprüchlich: Während die Regierung einerseits antiimperialistische und progressive Maßnahmen ergreift, führt sie andererseits proimperialistische Maßnahmen durch, die den nationalen und den Interessen des Volks zuwiderlaufen. Das Proletariat unterstützt alles, was positiv für die Emanzipation unseres Volkes ist, und kritisiert und bekämpft zugleich die Maßnahmen, die sich gegen die Interessen der Massen richten. Es kämpft darum, neue antiimperialistische Maßnahmen einzuführen, welche uns zu einer wahren Revolution führen werden, die den Weg zu nationaler Emanzipation und Sozialismus weisen wird. Das ist unsere Taktik im gegenwärtigen Prozess, ohne dass wir dabei die Endziele der Arbeiterklasse vergessen.

Mit dieser Resolution wird die Aufgabe, den Imperialismus zu bekämpfen, an Boliviens Kompradorenbourgeoisie und ihr Militär übertragen. Jeglicher Kampf für Sozialismus wird eingestellt. Eine solche Resolution bedeutet die vollständige Zurückweisung des Marxismus.

Die Resolution wurde von der stalinistischen Partido Comunista de Bolivia (PCB) eingebracht. Sie wiederholte damit einmal mehr die betrügerische Zweistufentheorie von getrennten „bürgerlichen“ und „sozialistischen“ Revolutionen, wobei die erste von der schwachen „nationalen Bourgeoisie“ in den Kolonialländern anzuführen sei. Diese stalinistische Politik hatte bereits in vielen Ländern die Arbeiter von Niederlage zu Niederlage geführt.

Allerdings konnte man zwanzig Jahre nach Gründung der Vierten Internationale die Schuld nicht allein den Stalinisten geben. Dies bewies der bolivianische Fall in besonders akuter Weise.

Seit mindestens 25 Jahren hatte die von Lora geführte POR eine bedeutende Rolle in der bolivianischen Politik gespielt. Sie hatte beim vierten Kongress der Bergarbeitergewerkschaft im Jahr 1946 die richtungsweisende „These von Pulacayo“ formuliert und durchgesetzt. Im Einklang mit Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution erklärte diese Resolution, dass die bürgerlich-demokratischen Aufgaben in Bolivien nur von der Arbeiterklasse durchgeführt werden könnten. Sie stand in direktem Widerspruch zu der Resolution, die die POR im Jahr 1970 in der Asamblea Popular verteidigte, welche dem Torres-Regime politische Unterstützung gewährte.

Die trotzkistische Bewegung hatte sich in Bolivien im Jahr 1935 als Sektion der Internationalen Linken Opposition formiert. Dies war die Arbeit von Emigranten aus Argentinien. Die Stalinisten organisierten sich erst im Jahr 1940 in der Revolutionären Linkspartei (PIR). Erst im Jahr 1950 wurde die Kommunistische Partei, die PCB, durch Mitglieder der PIR gegründet, und erst im Jahr 1959 hielt sie ihren ersten Kongress ab.

Lora gab zwar seine entscheidende Rolle bei der Niederlage von 1971 niemals zu. Doch schon wenige Tage nach dem Banzer-Putsch gestand er selbst ein, dass die POR sich darauf verlassen hatte, dass das Torres-Regime die Arbeiter gegen die Gefahr von Banzers rechtsextremen Militärputschisten bewaffnen würde. Er bestätigte die Unterstützung seiner Partei für die von der Asamblea Popular angenommene antimarxistische Resolution. In einer Antwort auf die Analyse des IKVI zu den bolivianischen Ereignissen, die im Bulletin (1) veröffentlicht wurde, schrieb Lora:

Im Oktober 1970 okkupierte die Arbeiterklasse die politische Bühne ohne Waffen, als einfache Masse. Damals war klar, dass es unerlässlich wurde, dem politisierten Arbeiter eine Waffe in die Hand zu geben, um den Gorilismo zu besiegen. Zu diesem Zeitpunkt dachten alle – auch wir Marxisten –, dass die Waffen von den regierenden Militärs zur Verfügung gestellt werden würden, die erkennen würden, dass sie nur dann die Gorila-Rechte zumindest neutralisieren könnten, wenn sie sich auf die Massen stützen und sie mit einer angemessenen Bewaffnung ausstatten würden. Dieser Standpunkt war völlig falsch. Er berücksichtigte nicht, dass Torres es vorzog, vor seinen Generalskollegen zu kapitulieren, anstatt die Massen zu bewaffnen, denn diese signalisierten, dass sie den Weg zum Sozialismus einschlagen würden. Ihre Mobilisierung hätte die Armee als Institution ernsthaft in Gefahr gebracht.

So glaubwürdig dieses politische Schuldbekenntnis auch ist, es bedarf einer Korrektur. Kein wahrer Marxist hätte ernsthaft angenommen, dass Torres jemals so handeln würde, wie Lora es sich „vorgestellt“ hatte: Es gehört zum kleinen ABC des Marxismus und geht bis auf die Revolutionen des Jahres 1848 zurück, dass eine linke Fraktion der Bourgeoisie eher den Sieg der Reaktion riskieren würde, als eine sozialistische Revolution der Arbeiterklasse zuzulassen.

1946 hatte sich die POR mit ihrer „These von Pulacayo“ als eng mit der Arbeiterbewegung verbundener Verfechter des orthodoxen Marxismus erwiesen. Wie lässt sich die Kapitulation der POR ein Vierteljahrhundert später erklären?

Zwischen diesen beiden historischen Momenten hatte die Vierte Internationale einen schweren Angriff aus den eigenen Reihen erlitten. Im Jahr 1953 war es zur Spaltung mit der von Michel Pablo geführten Fraktion und zur Gründung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale gekommen, Das IKVI verteidigte den Marxismus gegen die Versuche der Pablisten, die trotzkistische Bewegung in den stalinistischen und nationalistischen Parteien aufzulösen.

Die bolivianische POR gehörte zu den ersten, die das pablistische Programm vollständig umsetzten, noch bevor Pablos bürokratische Einschüchterung der französischen Sektion im Jahr 1953 zur Spaltung der Vierten Internationale geführt hatte. Schon während der Revolution von 1952 gab die POR die „These von Pulacayo“ vollständig auf. Unter Bedingungen, in denen bewaffnete Arbeiter die Straßen kontrollierten, forderte sie, dass der Bergarbeiterführer Lechín und andere Mitglieder des neu gegründeten Bolivianischen Arbeiterverbandes (COB) in das Kabinett von Paz Estenssoro aufgenommen werden sollten, um seine bürgerliche Regierung nach links zu drängen.

In den folgenden Jahren führten die Pablisten solche Versuche vor allem in Lateinamerika zu ihrem logischen Ende. Ihr Motto war die vom Führer der amerikanische Socialist Workers Party, Joseph Hansen, aufgestellte Formel, dass die Revolution mit „stumpfen Instrumenten“, d. h. ohne eine bewusste proletarisch–marxistische Führung, durchgeführt werden könne. Dazu gehörten in erster Linie kleinbürgerliche Guerillaführer wie Fidel Castro und sein argentinischer Gesinnungsgenosse, Ernesto „Che“ Guevara. Letzterer wurde später, im Jahr 1967, bei seinem Versuch, in Argentinien die kubanische Revolution zu reproduzieren, von der CIA und der bolivianischen Armee ermordet.

Guillermo Lora hatte versucht, sich von seiner Unterstützung für Paz Estenssoro im Jahr 1952 und der Politik der Pablisten zu distanzieren. Gleichzeitig lehnte er es jedoch entschieden ab, zur Unterstützung des Internationalen Komitees gegen die Pablisten aufzurufen. Er behauptete, die Bürde der nationalen Aufgaben in Bolivien sei zu groß, um Zeit für internationale Debatten zu haben.

Dieser nationalistische Ansatz war das Kernelement von Loras Opportunismus, der dazu führte, dass die POR zu einer Volksfrontpolitik überging und die bolivianische Arbeiterklasse dem Regime von General Torres unterordnete. Ohne eine internationale, revolutionäre Perspektive ist es unmöglich, eine wirklich revolutionäre Partei in der Arbeiterklasse aufzubauen und dem nationalen bürgerlichen Druck standzuhalten. Der Kern einer solchen, internationalen Perspektive besteht darin, die Weltpartei der Sozialistischen Revolution aufzubauen und den Revisionismus zu bekämpfen. Im Namen der nationalen Aufgaben in Bolivien lehnte Lora dies alles ab.

Die Resolution zur Unterstützung von Torres trieb die Idee, eine Revolution mit „stumpfen Instrumenten“ durchzuführen, auf die Spitze, indem sie auf die bürgerliche Armee selbst baute. Es war die Politik, die in erster Linie von den Stalinisten vertreten wurde. Im benachbarten Chile unterstützten die Pablisten dieselbe stalinistische Politik in Form der Volksfrontregierung von Salvador Allende. Dem Dichter Pablo Neruda, chilenischer Botschafter in Frankreich, gelang es, die Irreführung durch die Stalinisten und die Verkennung der Gefahren des Faschismus in folgender Phrase auf den Punkt zu bringen: „Was unsere Armee betrifft, so lieben wir sie. Sie ist das Volk in Uniform.“

Die chilenische Armee folgte dem bolivianischen Beispiel und schloss die Reihen um General Augusto Pinochet, während sich Staatspräsident Salvador Allende von der Sozialistischen Partei ähnlich wie Torres verhielt. Er verließ sich auf die Armee und hinderte die Arbeiterklasse an einer revolutionären Erhebung gegen den Kapitalismus.

Chilenischer Diktator Gen. Augusto Pinochet mit dem bolivianischen Diktator Hugo Banzer

Bezeichnenderweise vertraute Lora nicht allein darauf, dass Torres die Arbeiter bewaffnen und sich gegen Banzers Staatsstreich zur Wehr setzen werde. Er verließ sich auch darauf, dass Allende in Chile und Torres' Amtskollege in Peru, General Juan Velasco Alvarado, im Fall eines Angriffs der Banzer-Fraktion dem bolivianischen Regime zu Hilfe eilen würden. Selbstverständlich erfüllte keiner von ihnen die Hoffnungen, die Lora in sie gesetzt hatte.

In Chile bezahlte Salvator Allende im Jahr 1973 mit seinem Leben dafür, dass er General Pinochet mit der Verteidigung des Kapitalismus gegen die Offensive der Arbeiterklasse beauftragt hatte. Zwei Jahre später wurde auch Velasco in Peru von dem rechtsgerichteten General Francisco Bermúdez gestürzt.

In nur fünf Jahren ereigneten sich solcheTragödien in Südamerika in einem Land nach dem andern. Das Schlüsselelement hierzu war die Haltung mehrerer angeblich „trotzkistischer“ Organisationen, die nach der Tragödie von 1971 in Bolivien die Rolle der Stalinisten und von Loras POR systematisch vertuschten. Diese Organisationen verhinderten, dass die internationale Arbeiterklasse die Lehren aus dem Banzer-Putsch ziehen konnte.

Das IKVI erkannte, wie bereits erwähnt, sofort die internationale Bedeutung der Ereignisse in Bolivien. In der Erklärung „Bolivien: Bittere Lehren aus der Niederlage“ wies es auf die entscheidende Rolle der amerikanischen Pablisten von der Socialist Workers Party (2) hin, die Lora als einen der ihren anerkannten und seine Politik von Beginn der Asamblea Popular an unterstützt hatte.

Zwar hatte die SWP zunächst, nach der Spaltung in Argentinien von 1969 zwischen dem Guerillaführer Mario Santucho und dem Peronisten Nahuel Moreno, die pablistische Unterstützung für das Guerillatum halbherzig kritisiert. In der Bolivienfrage entdeckte sie jedoch ein weiteres Mittel, um die trotzkistische Perspektive der Permanenten Revolution anzugreifen. Sie unterstützte die Volksfrontpolitik der POR und der bolivianischen Stalinisten in ihrer Unterordnung der Arbeiterklasse unter das Torres-Regime.

Knapp einen Monat vor dem Putsch hatte die SWP-Zeitschrift Intercontinental Press in Bezug auf Bolivien erklärt: „Um die demokratischen Rechte der Arbeiter mit Waffen zu verteidigen, haben die Gewerkschaften offenbar das Torres-Regime kritisch unterstützt – eine 'Unterstützung', die perfekt zu Lenins Definition passt: 'wie der Strick einen Gehängten stützt'.“ Dieser Verweis auf Lenin ist eine groteske Fehlinterpretation seiner Anweisungen der 1920er Jahre an die britische Kommunistische Partei in ihrer Beziehung zur Labour Party. Die SWP versuchte damit, der Kapitulation der POR vor der bürgerlichen Torres-Diktatur eine Aura der „Orthodoxie“ zu verleihen.

Der Artikel im Bulletin entlarvte die absurde Gleichsetzung des bürgerlichen Torres-Regimes mit der britischen Labour Party der 1920er Jahre, hinter der die Masse der britischen Arbeiterklasse stand. Der liquidatorischen Perspektive der Pablisten stellte er die Analyse des IKVI gegenüber: „Das Potential für den Aufbau der trotzkistischen Bewegung in Lateinamerika ist jetzt extrem groß. Grundlegend dafür ist, dass heute der Kampf der Kolonialvölker mit dem Kampf der Arbeiter in den fortgeschrittenen Ländern zusammenfällt. Dieser Kampf schließt jetzt die mächtige amerikanische Arbeiterklasse – insbesondere nach der neuen Wirtschaftspolitik Nixons – ebenso ein wie die europäische.“

Das IKVI entlarvte Loras Verrat, doch die Entwicklung des Potenzials der Arbeiterklasse stieß auf große Hindernisse innerhalb internationaler Tendenzen, die vorgaben, gegen den Pablismus zu kämpfen. Die wichtigste von ihnen war die französische OCI, deren Führer Pierre Lambert früher einmal eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der pablistischen Linie gespielt hatte. So hatte er sich dem „Entrismus sui generis“ in die sozialdemokratischen und stalinistischen Massenparteien entgegengestellt.

Die OCI verteidigt Lora und bricht mit dem Internationalen Komitee

Schon vor 1971 war die OCI eine ganze Zeitlang in eine zentristische Entwicklung abgedriftet. Seit Jahren proklamierte sie die Notwendigkeit des „Wiederaufbaus der Vierten Internationale“. Damit leugnete sie die Bedeutung der Spaltung von 1953 mit dem Pablismus, bzw. die damit verbundene Kontinuität der trotzkistischen Bewegung.

In Frankreich selbst widmete sie sich immer inniger der „Einheit der Linken“. Seit dem Jahr 1969 verteidigte sie die gemeinsame Wahlplattform der stalinistischen KPF mit der Sozialistischen Partei. Als diese Parteien aufgrund opportunistischen Kalküls diese „Einheit“ aufgaben, und die offizielle „Linke“ vier verschiedene Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen aufstellte, kritisierte die OCI sie scharf für die „Zerstörung der Klassenfront des Proletariats“.

In diesem Kontext stand das Auftreten der OCI auf der Essener Jugendversammlung der IKVI im Juli 1971, als sie der Welt Loras POR als angebliche IKVI-Sektion präsentierte. Nicht nur lud die OCI zu dieser Versammlung POR-Delegierte ein, sondern bezeichnenderweise auch mehrere Delegierte der POUM, der alten zentristischen Partei Spaniens. Die POUM hatte entscheidend dazu beigetragen, in Spanien den Weg für den faschistischen Sieg zu ebnen. Sie hatte sich 1936 der Volksfrontregierung angeschlossen und die Arbeiterklasse angesichts der Offensive Francos und des stalinistischen Verrats politisch entwaffnet.

Einen Monat nach dem Putsch, im September 1971, verurteilte die OCI alle, die auf die Mitverantwortung der POR für die Niederlage in Bolivien hinwiesen, als „Feinde der Diktatur des Proletariats, Agenten der Konterrevolution und bewusste oder unbewusste Feinde der Vierten Internationale ...“

Dieses Getöse diente dazu, die Lehren aus Bolivien vor der südamerikanischen Arbeiterklasse zu verbergen, und trug dazu bei, den Weg für die blutigen Niederlagen der folgenden Jahre zu ebnen. Das Verschweigen dieser Lehren dient bis heute der Sache des Revisionismus. Guillermo Lora als „orthodoxen Trotzkisten“ hochzuhalten, der 1971 das Beste getan hätte, was man tun konnte, ist eine gemeinsame Linie all derer, die zwar die Politik des pablistischen Vereinigten Sekretariats, sich in der Castro-Guerilla aufzulösen, ablehnen, aber darauf bestehen, dass die Vierte Internationale zerstört worden sei und „wieder aufgebaut“ werden müsse. Diese Formulierung soll den Verrat dieser Organisationen in der Vergangenheit und in der Gegenwart vertuschen und gleichzeitig die Tür für prinzipienlose Bündnisse mit allen möglichen revisionistischen Tendenzen offen halten.

Für die OCI war die Verteidigung Loras ein wichtiger Schritt in der Entwicklung ihrer Strategie der „Einheit der Linken“, in deren weiterem Verlauf sie mehrere Mitglieder ausbildete, die später in hohe Ämter aufstiegen. Beispiele sind der ehemalige französischen Premierminister Lionel Jospin (PS), sowie mehrere hohe Funktionäre der ehemaligen Lula-Regierung der Arbeiterpartei (PT) in Argentinien.

Militär mit politischen Gefangenen während des Putschs 1971

Trotz der Spaltung mit der OCI wurde die Bedeutung der bolivianischen Ereignisse für den Kampf um den Trotzkismus erst anderthalb Jahrzehnte später völlig erklärt, als das IKVI von der britischen WRP spaltete und damit den orthodoxen Trotzkismus wiederherstellte. In der IKVI-Erklärung aus dem Jahr 1985 heißt es:

Obwohl die bolivianischen Ereignisse der Spaltung unmittelbar vorausgingen, behauptete die SLL [die Vorgängerorganisation der britischen WRP] bald, sie seien nur von untergeordneter Bedeutung, und die Spaltung im Internationalen Komitee hätte bereits in Essen stattgefunden, als die OCI gegen die Resolution zum dialektischen Materialismus stimmte. Dies war eine verlogene Polemik. Die Ereignisse in Bolivien – bei denen die OCI Lora politische Rückendeckung gab – waren von enormer historischer Bedeutung für die internationale Arbeiterklasse, insbesondere für das Proletariat von Lateinamerika. Es wäre unermesslich wichtig gewesen, dass das IKVI diese Erfahrung auf das Genaueste analysiert hätte – genauso wie Trotzki die Ereignisse in China, Deutschland und Spanien analysierte –, um die konterrevolutionäre Bedeutung des Zentrismus in der gegenwärtigen Epoche zu entlarven. Es reichte nicht aus, festzustellen, dass Lora und die OCI Unrecht hatten. Vom Standpunkt des Marxismus und der Entwicklung des IKVI als Weltpartei der Sozialistischen Weltrevolution her, wäre es wichtiger gewesen, dieses Ereignis als eine strategische Erfahrung des internationalen Proletariats aufzuwerfen und zu behandeln. Dies war umso notwendiger, als das bolivianische Proletariat seit langem in Beziehung zur Vierten Internationale gestanden hatte. (3)

Pseudolinke verteidigen Lora heute immer noch

Es gibt Politiker, die Guillermo Lora noch heute als Bannerträger des Marxismus verteidigen. Ein Beispiel sind die Nachfolger Nahuel Morenos. Jahrzehntelang hatten sie versucht, die Auflösung in der Guerilla mit der Unterstützung der bürgerlich-nationalistischen peronistische Bewegung in Argentinien in Einklang zu bringen, und später schlossen sie ein Bündnis mit der OCI. Im Jahr 2009 verfasste Eduardo Molina in La Izquierda Diario nach Loras Tod einen Nachruf, in dem es heißt: „Bis zu seinen letzten Tagen bewahrte Guillermo Lora seinen kämpferischen Willen, seine Unnachgiebigkeit gegen das bürgerliche Regime und gegen die Klassenkollaboration mit der Bourgeoisie, wie auch seine Verteidigung der Banner des Marxismus, der Arbeiterrevolution und des Sozialismus. Dies tat er in einer Epoche, in der nicht wenige Linke und ehemalige Trotzkisten diese schließlich aufgaben, um sich bürgerlichen Parteien oder dem Populismus der MAS (4) anzuschließen.“

Die ehemaligen politischen Partner des OCI-Chefs Lamberts in Lateinamerika standen jahrzehntelang unter der Führung des Argentiniers Jorge Altamira. Ihre aktuelle Bilanz des bolivianischen Staatsstreichs von 1971 findet sich in dem bekannten [auf spanisch und portugiesisch erschienen] Werk des Historikers Oswaldo Coggiola, „Geschichte des Trotzkismus in Argentinien und Lateinamerika“. Coggiola ist Mitglied von Altamiras Organisation Política Obrera (PO) und gilt in akademischen Kreisen als einer der wichtigsten Historiker des lateinamerikanischen Marxismus.

Man muss bedenken, dass seine „Geschichte“ im Jahr 2006 veröffentlicht wurde – also nicht in der Hitze des Gefechts des Banzer-Putschs, sondern 35 Jahre später. Lange zuvor schon hatte Lora aus dem Exil heraus die POR angewiesen, eine „Antiimperialistische Revolutionäre Front“ (FRA) mit der MNR und Torres selbst, sowie natürlich mit den Stalinisten, zu schmieden.

In seinem Kapitel über die Ereignisse in Bolivien im Jahr 1971 wiederholt Coggiola die Logik der OCI-Erklärung und weist jede Kritik an der POR mit der Feststellung zurück: „Derartige Kritik war wertlos, denn sie beruhte auf der Annahme, dass die Massen immer bereit seien, die Macht zu übernehmen.“

Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Situation in Bolivien hoffnungslos und die politische Richtung der Stalinisten und Pablisten, einschließlich Lora, irrelevant gewesen sei, da die Massen „nicht bereit waren, die Macht zu übernehmen“.

Coggiola fährt dann fort und betont seine Unterstützung für die Abspaltung der OCI vom Internationalen Komitee unter der Parole, die Vierte Internationale müsse „wiederaufgebaut“ werden. Dies hatte es der OCI erleichtert, nicht nur mit Lora zusammenzuarbeiten, sondern Bündnisse mit allen möglichen bürgerlichen Kräften in Frankreich und im Ausland zu schmieden. Coggiola schreibt: „Das Neue bestand darin, dass die Versammlung [die Asamblea Popular] die Fiktion des IKVI gesprengt hatte.“

Er fährt fort: „Die Krise innerhalb des IKVI machte Platz für eine neue internationale Gruppierung. Zu einer in Paris einberufenen Konferenz lud die OCI auch die Política Obrera ein (bis dahin ohne internationale Zugehörigkeit, obwohl seit 1969 in Kontakt mit der POR), wie auch die peruanische POMR (Revolutionäre Marxistische Arbeiterpartei), Abspaltung der Revolutionären Avantgarde Castros unter Führung von R. Napurí (ex-Praxis).“

Coggiola möchte seine Leser glauben machen, dass der entscheidende Faktor, der die revolutionäre Entwicklung der POR und ihrer Verbündeten behinderte, die Fesseln waren, die ihnen das Internationale Komitee auferlegt hatte, während das IKVI selbst nur eine „Fiktion“ gewesen sei.

Er verschweigt jedoch die Bündnisse, die die POR unmittelbar nach dem Putsch geschmiedet hatte, ganz zu schweigen von denjenigen in den folgenden Jahrzehnten. Die Partei hatte damit ihre Unterordnung unter die Militärs vertieft und sich immer stärker auf Appelle an die Nachwuchsoffiziere in den Streitkräften konzentriert.

Auch informiert Coggiola seine Leser nicht darüber, zu welchen Ergebnissen die „Freiheit“ vom IKVI geführt hatte, und das aus gutem Grund. Das war die „Freiheit“, flüchtige und opportunistische Allianzen mit jeder Strömung des Revisionismus zu schmieden, die Coggiolas eigene Política Obrera und die OCI zuvor noch angeprangert hatten – nur um zusehen zu müssen, wie diese Allianzen vor ihren Augen zerplatzen.

Die OCI selbst brach das Bündnis mit der PO und der POR und beschuldigte deren Führer, CIA-Agenten zu sein, noch ehe sie sich immer mehr in der französischen SP und in Brasilien in Lulas Arbeiterpartei (PT) festsetzte.

Sowohl die Política Obrera als auch die OCI versuchten später, jede für sich eine „Einheit“ mit ihrem früheren argentinischen Erzfeind Nahuel Moreno zustande zu bringen. Diese Bündnisse wurden ausnahmslos unter demselben Vorwand geschmiedet, den auch Lora und die Pablisten selbst vorbrachten, wenn sie behaupteten, dass die „nationale“ Arbeit jede prinzipielle Diskussion über Programm und Geschichte unmöglich mache, dass Programm und Geschichte der „echten“ Bewegung nicht im Wege stehen dürften. Fünfzig Jahre später, im Jahr 2018, ging Coggiolas Política Obrera schließlich dazu über, ein Bündnis mit den Stalinisten der Vereinigten Kommunistischen Partei Russlands (OKP) einzugehen.

Baut das Internationale Komitee der Vierten Internationale in Lateinamerika auf!

Der Banzer-Putsch in Bolivien war der Startschuss zu einer konterrevolutionären Offensive der herrschenden Klassen und des Imperialismus auf dem ganzen lateinamerikanischen Kontinent.

Die Arbeiterklasse konnte diese Offensive nicht zurückschlagen, und die Verantwortung dafür liegt bei all denjenigen, die die Arbeiter in der einen oder anderen Form kleinbürgerlichen und bürgerlichen Parteien unterordneten, denn diese Parteien sind ihrem Wesen nach dem Sozialismus feindlich und gerade deshalb unfähig, dem Imperialismus entgegenzutreten.

In einer Zeit der tiefen Krise nicht nur des Weltkapitalismus, sondern auch der stalinistischen Bürokratie in der Sowjetunion und den deformierten Arbeiterstaaten, sowie der nationalistischen Bewegungen der ganzen Welt verwarfen diese Kräfte die Grundlagen, auf denen sie einmal als Sektionen der Vierten Internationale gegründet worden waren. Diese Krise hat die Theorie der Permanenten Revolution und die trotzkistische Einschätzung des Stalinismus in vollem Umfang bestätigt.

Fünfzig Jahre später steht das kapitalistische Weltsystem vor seiner schwersten Krise seit den 1930er Jahren. Und diese Krise stellt die Umwälzungen der 1970er Jahre bei weitem in den Schatten. Angesichts einer wiedererstarkenden Arbeiterklasse und aus Angst vor einer sozialistischen Revolution bewegen sich die kapitalistischen herrschenden Klassen aller Länder rasch nach rechts.

Erst vor zwei Jahren wurde die bankrotte bürgerlich-nationalistische Regierung von Evo Morales durch einen Putsch abgesetzt. Die Pablisten hatten sie als einen weiteren „neuen Weg zum Sozialismus“ und sogar als „Sozialismus des einundzwanzigsten Jahrhunderts“ gepriesen. Der Putsch, der Morales absetzte, ging erneut von Santa Cruz aus und wurde von derselben Falange getragen, die bereits im Jahr 1971 Banzer unterstützt hatte.

In Chile und Kolumbien haben die von den USA ausgebildeten Sicherheitskräfte im Verlauf von Massenunruhen mehrere Demonstrierende ungestraft entführt und umgebracht. Im benachbarten Brasilien errichtet der faschistische Präsident Bolsonaro die Diktatur der herrschenden Klasse in enger Abstimmung mit den amerikanischen Faschisten, die am 6. Januar 2021 versucht haben, das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen gewaltsam zu kippen. Überall auf der Welt wenden sich die herrschenden Klassen autoritären Herrschaftsmethoden zu, um sich für große Klassenkämpfe zu wappnen.

Auch die Arbeiter müssen gewappnet sein. Das bedeutet in erster Linie, dass sie Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale aufbauen müssen. Dem IKVI ist es gelungen, die pablistischen Liquidatoren zu besiegen. Es hat alle bankrotten stalinistischen und bürgerlich-nationalistischen Regime, denen sich die Pablisten in die Arme warfen, überlebt.

Anmerkungen:

1) Bulletin, Zeitung der Workers League, der Vorgängerorganisation der Socialist Equality Party

2) Die Socialist Workers Party (SWP), hatte seit Ende der 1950er Jahre zunehmend einen revisionistischen Kurs eingeschlagen und 1963 mit dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale gebrochen, das sie gegen den Pablismus maßgeblich initiiert und mit aufgebaut hatte.

3) Vierte Internationale, Jg. 13, Nr. 1, Sommer 1986, „Wie die Workers Revolutionary Party den Trotzkismus verraten hat. 1973-1985“, S. 15]

4) MAS (Movemento al Socialismo) ist eine pseudolinke Gruppierung in Argentinien, die 1882 von dem Renegaten des Trotzkismus Nahuel Moreno als Nachfolger des Partido Socialista de los Trabajadores (PST) gegründet und von diesem bis zu seinem Tod 1987 geführt wurde.

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