Rechtsextremer Angriff auf Moschee in Halle

Am vergangenen Sonntag hat ein 55-jähriger Mann mit einer Luftdruckwaffe aus seiner Wohnung heraus auf das Islamische Kulturcenter Halle Saale e.V. geschossen. In der Moschee nahmen rund 100 Menschen am Mittagsgebet teil. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich drei Besucher vor dem Gebäude, die miterlebten, wie die Projektile aus dem Fenster des gegenüberliegenden Mehrfamilienhauses in die Fassade einschlugen. Nur durch Glück wurde niemand verletzt.

Die angegriffene Moschee in Halle (Foto: Facebook-Seite Islamisches Kulturcenter Halle Saale e.V.)

Polizeibeamte stellten am gleichen Tag den Tatverdächtigen und beschlagnahmten in seiner Wohnung „eine entsprechende Langwaffe zum Verschießen von Diabolos und eine Gasdruckpistole“. Der Staatsschutz habe „die Ermittlungen aufgenommen“. Die Polizei teilte auch mit, dass „nach erstem Erkenntnisstand“ der Mann „bisher nicht mit politisch motivierten Straftaten in Erscheinung getreten“ sei.

Nach einem Verhör wurde der Mann wieder freigelassen. Laut einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft habe es „mangels Straftat für einen Haftantrag keinen Grund gegeben“, berichtet MiGAZIN. Der Online-Zeitschrift zufolge erklärte die Sprecherin sogar, es gäbe „Zweifel darüber, ob überhaupt auf die Moschee oder auf Menschen geschossen worden sei.“

Die Aussagen der Zeugen und Betroffenen sowie die Faktenlage stehen in völligem Widerspruch zum Handeln und den Aussagen von Polizei und Staatsanwaltschaft.

„Die Schüsse zielten auf unsere Gemeindemitglieder, von denen einer auf dem Rollstuhl sitzt. Sie waren zum Beten in die Moschee gekommen“, erklärte der Vorstand der muslimischen Gemeinde Djamel Amelal. „Drei Projektile schlugen auf Kopfhöhe ein, sie wurden vor Ort gefunden und von der Polizei gesichert. Das war eindeutig ein Anschlag auf Muslime.“

Die Projektile sind nachweislich an der frisch gestrichenen Moscheemauer eingeschlagen. Die Schäden sind auf einem Video klar dokumentiert. Allein in Anbetracht dieser Umstände hätte der Täter wegen versuchter Körperverletzung und Sachbeschädigung festgenommen werden können.

Hinzu kommt, dass die Moschee nicht zum ersten Mal beschossen oder anderweitig beschädigt wurde. Allein 2018 wurde die Moschee zweimal attackiert und Besucher der Moschee angeschossen. Beim ersten Vorfall am 2. Februar schoss ein Täter im benachbarten Wohnhaus – nach Vermutung der Polizei mit Diabolo-Geschossen – auf einen 34-jährigen Syrer, der an der Hand verletzt wurde. Am 30. Juni wurden zwei Männer, die einen Bildungskurs besuchen wollten, von Geschossen getroffen. Einer wurde leicht verletzt.

Bereits in den Jahren davor hatten sich die Angriffe auf die Moschee gehäuft. 2017 wurden zu Freitagsgebetszeiten mehrfach Böller in eine Gruppe von Betenden geworfen. 2015 schug ein Mann in Begleitung zweier Frauen nachts Scheiben ein und rief dabei rechtsextremistische Parolen.

Halle ist ein Hotspot rechtsextremer Gewalt. Nach Angaben der mobilen Opferberatung gab es 2020 in Sachsen-Anhalt 155 rechts motivierte Angriffe, darunter ein versuchter Mord und 124 Körperverletzungen. Der Landkreis Halle steht in den Jahresberichten zur rechten Gewalt in Deutschland immer wieder an oberster Stelle.

Am 9. Oktober 2019 attackierte der Rechtsextremist Stephan Balliet die Synagoge in Halle und erschoss zwei Menschen vor dem Gebäude. Ein Massaker an den rund 70 Juden, die in der Synagoge Jom Kippur feierten, ereignete sich nur deshalb nicht, weil die Sicherheitstür dem Attentäter standhielt. Im Manifest, das Balliet kurz vor seiner Bluttat veröffentlichte, schrieb er, dass er ursprünglich vorhatte „eine Moschee oder ein antifaschistisches Kulturzentrum zu stürmen“.

Die Jüdische Gemeinde in Halle verurteilte in einem Statement die Attacke auf die Moschee. „Ein bewaffneter Angriff auf Gläubige und Besucher eines Gottesdienstes ist ohne Zweifel eine schwere Straftat.“ Dabei spiele „es keine Rolle, wo geschossen wird, wer der Täter oder die Täterin ist und gegen welche Religionsgemeinschaft die Waffen eingesetzt werden“. Genauso wie jüdische Gemeinde damals „die uneingeschränkte Solidarität aus der breiten Bevölkerung erfahren“ habe, wolle man „nun unsere Solidarität mit den Gläubigen und Besuchern der halleschen Moschee zum Ausdruck bringen“.

Twitter-User kritisierten die Rolle der staatlichen Sicherheitsbehörden. „In Halle können offensichtlich weder Synagogen noch Moscheen geschützt werden“, schrieb einer. Nach dem Anschlag an Yom Kippur 2019 hatten sowohl der Zentralrat der Juden als auch die Jüdische Gemeinde schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben, da die Synagoge trotz vorheriger Warnungen nicht geschützt worden war.

Wie damals bekundeten Vertreter der Regierungsparteien nach dem Angriff auf die Moschee ihr „Entsetzen“, ihre „Erschütterung“ und ihre „Solidarität“. Es handelt sich um die gleichen Parteien, die für die rechte Gewalt verantwortlich sind. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht. In den letzten Jahren haben Vertreter aller etablierten Parteien gegen Flüchtlinge, besonders aus muslimisch geprägten Ländern, gehetzt und in vielen Bereichen die Politik der AfD übernommen.

Das wird aktuell vor allem auch in der Pandemie sichtbar. Die mörderische Durchseuchungspolitik, die in Deutschland bereits mehr als 117.000 Menschen das Leben gekostet hat, entspricht den Forderungen der AfD nach einer Aufhebung aller Schutzmaßnahmen. Um die „Profite vor Leben“-Politik gegen den wachsenden Widerstand durchzusetzen, hofiert die herrschende Klasse gezielt rechtsextreme Kräfte. So werden die Demonstrationen der Corona-Leugner von Politik und Medien regelmäßig als Proteste „besorgter Bürger“ bezeichnet.

In Wirklichkeit handelt es sich mehrheitlich um rechtsextreme Aufmärsche, die auch von Teilen der Sicherheitsbehörden offen unterstützt werden. Im Umfeld von Querdenker-Demonstrationen ist es immer wieder zu Angriffen auf Gegendemonstranten und Migranten gekommen, ohne dass die Polizei einschritt. Wiederholt solidarisierten sich Polizisten sogar mit den rechtsextremen Aufmärschen.

Die rechtsextremen Strukturen im Staatsapparat werden systematisch geschützt. 2020 gab es in Sachsen-Anhalt zahlreiche Meldungen über faschistische Äußerungen innerhalb der Polizei. Einem Bericht der Amadeu Antonio Stiftung zufolge wird der Pächter einer Kantine in einer Magdeburger Kaserne der Bereitschaftspolizei von den dortigen Beamten als „Jude“ bezeichnet. In anonymen Chatgruppen seien Darstellungen von Frauen mit SS-Uniform und Hakenkreuz-Armbinde geteilt worden. Im September ist eine Polizistin aus Sachsen-Anhalt lediglich beurlaubt worden, nachdem bekannt wurde, dass sie dem Halle-Attentäter Balliet bewundernde Briefe geschrieben hatte.

Die Liste ließe sich fortsetzen. Am vergangenen Montag, nur einen Tag nach den Schüssen auf die Moschee, veröffentlichte der MDR einen Bericht, wonach eine Auszubildende in der Justizvollzugsanstalt Halle Verbindungen zu einem bekannten Neonazi pflegte. Sie befand sich seit August 2021 in der Ausbildung und stellte ihre rechtsextremen Ansichten öffentlich auf Instagram zur Schau.

Man muss es deutlich aussprechen: Die herrschende Klasse hat nicht nur das ideologische Klima, sondern auch die politischen Strukturen für die Zunahme der rechtsextremen Hetze und Gewalt in Deutschland geschaffen.

„Sehr besorgniserregend in 2020“ sei die „Verbreitung antisemitischer Verschwörungsmythen und Verharmlosungen der Shoa durch eine zunehmend erstarkende Coronaleugner*innenbewegung, verbunden mit immer aggressiverem Auftreten gegen Kritiker*innen und Journalist*innen“, warnt die Mobile Opferberatung in ihrem Jahresbericht.

Auch die Angriffe auf Muslime haben zugenommen. Dem Innenministerium zufolge gab es im vergangenen Jahr mindestens 901 islamfeindliche und antimuslimische Straftaten.

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