Großbritannien: Johnson-Regierung beschließt „Sterben mit Covid“-Strategie

Die britische Regierung hat eine „Leben mit Covid“-Strategie vorgestellt. Bei der Rede von Premierminister Boris Johnson vor dem Parlament wurde jedoch deutlich, dass es sich eigentlich um ein „Sterben mit Covid“ handelt. Johnson kündigte an:

  • Ab sofort werden Schüler und Schulpersonal und Schüler nicht mehr zweimal wöchentlich getestet.
  • Ab Donnerstag enden die gesetzliche Verpflichtung zur Selbstisolierung nach einem positiven Test, die routinemäßige Ermittlung von Kontaktpersonen und die Zahlung von Unterstützungsleistungen bei Selbstisolierung.
  • Ab dem 24. März endet die Covid-Krankengeldregelung.
  • Ab dem 1. April gibt es keine kostenlosen Bürgertests mehr.

Jedes Wort, das zur Verteidigung dieser mörderischen Politik gesagt wird, basiert auf einer Lüge. Johnson sagte der BBC am Sonntag: „Wir sind jetzt einen Schritt näher an der Rückkehr zur Normalität und geben den Menschen endlich ihre Freiheiten zurück, während wir uns und andere weiterhin schützen.“

Premierminister Boris Johnson (Mitte) auf der Pressekonferenz in der Downing Street am Montag (Screenshot aus dem Video/Boris Johnson/Twitter)

Die Strategie der konservativen Regierung basiert auf der Abschaffung aller Schutzmaßnahmen und wird nicht zur „Normalität“ führen.

Professor Robert West, Mitglied der Scientific Advisory Group on Emergencies (SAGE), erklärte gegenüber Times Radio, die Regierung habe „die eigene Verantwortung für die Versorgung ihrer Bevölkerung abgegeben“. Und weiter: „Es sieht so aus, als ob die Regierung akzeptiert, dass das Land mit 20.000 bis 80.000 Covid-Toten pro Jahr leben muss, und nicht wirklich etwas dagegen unternehmen wird.“

Mittelfristige Szenarien, die SAGE am 10. Februar in einem Briefing vorstellte, das kaum Aufmerksamkeit erfuhr, geben Anlass zu noch größerer Sorge. Professor Maggie Rae, Präsidentin der Fakultät für öffentliche Gesundheit, nannte das Ende der kostenlosen Tests „unverständlich“. Es gibt keine solide wissenschaftliche oder medizinische Grundlage für die Politik der Regierung.

Johnson legte in einem BBC-Interview seine wahren Beweggründe offen: „Wir brauchen Menschen, die viel zuversichtlicher sind und wieder arbeiten können... Wir müssen nicht weiterhin 2 Milliarden Pfund pro Monat [für Tests] ausgeben.“

Für die Superreichen ist jede Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitsschutzes eine staatlich subventionierte Unterbrechung der Profitakkumulation, die beendet werden muss. Ihre „neue Normalität“ bedeutet nicht, das Virus zu bekämpfen. Vielmehr werden die Menschen dem Virus zwangsweise ausgesetzt. Die Kampagne „Arbeiten bis zum Umfallen“ hat ihren Höhepunkt erreicht, da die 95-jährige britische Monarchin als königliches Gesicht für die Propaganda gewonnen werden konnte. „Queen schwört, mit Covid weiterzuarbeiten“, jubelte der Daily Telegraph; „Queen (95) von Covid getroffen... aber sie schwört, weiterzuarbeiten“, die Sun; der Mirror berichtete: „Queen mit Covid, aber sie macht weiter“. Die Metro brachte das unvermeidliche „Queen keeps calm and carries on“, und der Daily Mail pries „Die Queen: ein Beispiel für uns alle, wie man mit Covid umgeht“.

Die Redaktionen haben sich in einen solchen Rausch versetzt, dass niemand in den Leitmedien die Frage stellt, ob es eine gute Idee ist, das Leben des britischen Staatsoberhauptes in einer Zeit extremer politischer Krisen, auch innerhalb der Monarchie, zu riskieren.

Die zweite Lüge besteht darin, dass Covid-19 angeblich in den Griff zu bekommen ist, indem, wie Johnson es ausdrückte, „die persönliche Verantwortung gefördert wird“. Er fügte zynisch hinzu: „Es ist sehr wichtig, dass wir vorsichtig bleiben.“

Und wie genau? In einem Interview mit Sky News sagte Wirtschaftsminister Paul Scully gestern, dass Menschen, die sich mit Covid infizieren, „wie bei jeder übertragbaren Krankheit zu Hause bleiben... aber es liegt an ihnen selbst oder an ihrem Arbeitgeber“. Tatsächlich wird es ganz und gar „an den Arbeitgebern liegen“, wobei die Arbeiter doppelt unter Druck gesetzt werden, da sie nicht einmal Zugang zu begrenzten Zahlungen bei Erkrankung und freiwilliger Quarantäne haben.

Ohne kostenlose Tests werden die meisten Menschen zudem keine Möglichkeit haben, herauszufinden, ob sie überhaupt eine Covid-Infektion haben oder nicht. Das Virus wird sich ungehindert ausbreiten können.

Die dritte Lüge besagt, dass die Kombination aus der Omikron-Variante und dem Impfprogramm jede ernsthafte Bedrohung durch Covid beseitigt hat. Das Vereinigte Königreich befinde sich „in einer anderen Welt“, sagte Johnson am Sonntag. „Ich möchte die Probleme der Pandemie mit einem impfstoffgestützten Ansatz angehen.“

Es sind Johnson und seine Anhänger, die „in einer anderen Welt“ leben oder versuchen, den Mythos einer solchen zu verkaufen. Omikron bringt ebenfalls eine erhebliche Zahl an Opfern mit sich, wobei die langfristigen Auswirkungen der Infektion noch unbekannt sind. Impfungen, ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Covid-19, werden durch die Abschaffung anderer Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit ständig untergraben, so dass das Virus weiter zirkulieren und sich neue Varianten entwickeln können.

Wie der wichtigste wissenschaftliche Berater der Regierung, Sir Patrick Vallance, gestern zugab, gibt es „keine Garantie“, dass die nächsten Varianten weniger schwerwiegende Verläufe hervorrufen: „Wir gehen davon aus, dass es weitere Varianten geben wird, und diese könnten auch schwerer sein.“

Bis Anfang dieses Monats wurden im Vereinigten Königreich bereits mehr als 1.000 Fälle der noch leichter übertragbaren Untervariante BA.2 von Omikron festgestellt. Vorläufige Ergebnisse einer Studie an der Universität Tokio deuten darauf hin, dass diese Variante möglicherweise schwerer verläuft und resistenter gegen Behandlungen ist. Auch Deltakron, eine Kreuzung aus den Delta- und Omikron-Varianten, wurde im Vereinigten Königreich bestätigt.

Trotz zusätzlicher Impfungen nimmt die Immunität durch die Impfung ab. Eine aktuelle Studie des US-amerikanischen Zentrums für Seuchenkontrolle an dreifach Geimpften ergab, dass der Schutz vor Krankenhausaufenthalten von 91 Prozent in den ersten zwei Monaten auf 78 Prozent nach vier Monaten abnahm. Der Schutz vor einer akuten Behandlung in der Notaufnahme sank von 87 Prozent auf 66 Prozent. Nach mehr als fünf Monaten sank die Wirksamkeit auf 31 Prozent, wobei die Forscher anmerken, dass die Schätzung „ungenau ist, da nur wenige Daten zur Verfügung standen“.

Die Pläne für eine vierte Impfung im Vereinigten Königreich, die gestern von Gesundheitsminister Sajid Javid angekündigt wurden, beschränken sich auf Menschen ab 75 Jahren, Immunsupprimierte und Bewohner von Altersheimen.

Wie SAGE-Berater Professor West gegenüber Times Radio erklärte, wäre er „sehr überrascht“, wenn die Strategie „Leben mit Covid“ angesichts der wirtschaftlichen Kosten von Long Covid und Hospitalisierungen kosteneffizient wäre. Damit unterschätzt er jedoch die Brutalität des geplanten Vorgehens.

Die von der Regierung bevorzugte Politik der „Herdenimmunität“ bestand von Anfang an darin, das Leben der Alten und klinisch Schwachen gegen die Profite der Reichen einzutauschen. Ihre Angriffe auf die Sozialversicherung und die Unterfinanzierung des Nationalen Gesundheitsdienstes zeigen, dass sie nicht die Absicht hat, sich um alte und gebrechliche Menschen zu kümmern. Sie sterben zu sehen, wird als positiver Segen betrachtet, wie Johnson im Oktober 2020 mit seiner berüchtigten Erklärung „No more fucking lockdowns“ deutlich machte: „Sollen sich die Leichen doch zu Tausenden auftürmen!“

Die Labour Party und die Gewerkschaften lassen Johnson freie Hand. Er gab seine Erklärung vor einem Parlament im Halbschlaf ab.

Der Vorsitzende der Labour-Partei, Sir Keir Starmer, brachte pro forma einige Bedenken vor, die in einer Woche vergessen sind, und stellte dem einen Plan der Labour Party entgegen, der obszönerweise den Titel „Gut mit Covid leben“ trägt. Dieser soll eine verantwortungsvollere Version der Regierungspolitik darstellen. In Bezug auf die Tests sagte er: „Wenn man zehn Minuten vor Schluss 2:1 führt, nimmt man nicht einen seiner besten Verteidiger raus.“

Das Vereinigte Königreich ist allerdings nicht „2:1 in Führung“, vielmehr sind bereits 180.000 Menschenleben an die Pandemie verloren gegangen.

Die Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbandes Trades Union Congress, Frances O'Grady, stimmte Johnson zu: „Wir freuen uns alle darauf, unser Leben weiterzuführen.“ Dann appelleiert sie an seine kriminelle Regierung, „das Land und die öffentliche Gesundheit an die erste Stelle zu setzen“, indem sie die kostenlosen Tests beibehält und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verbessert. Weder sie noch andere Gewerkschaftsführer haben die Absicht, dafür zu kämpfen.

Johnsons Ankündigung gilt für England, während die dezentralen Regierungen von Schottland, Wales und Nordirland ihre eigenen Zeitpläne verfolgen. Doch egal, wie sehr sie heute versuchen, gegenüber den Tories zu punkten, sie werden in Kürze nachziehen, wie sie es während der gesamten Pandemie getan haben.

Im Inland mit der Pandemie und im Ausland mit den Kriegsplänen gegen Russland zieht die Johnson-Regierung mit ihren Unterstützern die Arbeiterklasse in den Abgrund. Die Arbeiter müssen dringend einen gemeinsamen Kampf gegen Covid-19 und die Kriegsgefahr organisieren. Die einzige Grundlage dafür ist der Kampf für den internationalen Sozialismus.

Loading