Russland schickt Soldaten in die Ostukraine, Biden kündigt Sanktionen an

Am Montag überschlugen sich die Ereignisse in der Krise zwischen Russland und der Nato über die Ukraine. Am Morgen wurde gemeldet, dass zwei Aufklärungs- und Sabotageeinheiten des ukrainischen Militärs in die russische Region Rostow eingedrungen sind. Am Abend schickte Putin russische Truppen in die ostukrainischen Separatistenrepubliken Donezk und Lugansk, die er kurz zuvor als „unabhängig“ anerkannt hatte.

Angehörige der 82. Luftlandedivision der US-Army reinigen vor der Verlegung von Fort Bragg (North Carolina) nach Polen ihre Waffen, 14. Februar 2022 (AP Photo/Nathan Posner) [AP Photo/Nathan Posner]

Inmitten der unablässigen Kriegspropaganda der westlichen Medien und der kriegerischen Reden von US-Präsident Joe Biden und seinem Außenminister Antony Blinken sind die Kämpfe zwischen der von den USA finanzierten ukrainischen Armee und den prorussischen Separatisten in der Ostukraine seit Donnerstag eskaliert. Es kam zu tausenden Verstößen gegen den Waffenstillstand, der im Jahr 2015 ausgehandelt wurde.

Der Bürgerkrieg begann nach dem Putsch in Kiew im Februar 2014. Der Putsch wurde von den USA in großem Umfang finanziert und unterstützt und von rechtsextremen Kräften wie dem Rechten Sektor und dem Asow-Bataillon inszeniert. Der Konflikt hat bereits mehr als 14.000 Todesopfer gefordert und mindestens 3,5 Millionen Menschen – fast ein Zehntel der ukrainischen Bevölkerung – von humanitärer Hilfe abhängig gemacht.

Seit Donnerstag wird die zivile Infrastruktur in ganz Donezk, einschließlich der Kindergärten und Schulen, vom ukrainischen Militär mit Artillerie beschossen. Laut den Separatisten in Donezk wurde am Montag ein Zivilist durch Beschuss des ukrainischen Militärs getötet.

Am Freitag begannen die Separatisten in Donezk und Lugansk mit Massenevakuierungen der Zivilbevölkerung nach Russland, ausgenommen sind nur Männer zwischen 18 und 55 Jahren. Berichten zufolge sind bisher mindestens 49.000 Menschen in Russland eingetroffen, die meisten in der Region Rostow. Seit Freitag wurden kilometerlange Schlangen von Autos gemeldet, die darauf warten, die Grenze zu überqueren.

Allein aus Donezk könnten bis zu 700.000 Frauen, Kinder und Alte evakuiert werden. Nachdem ein Großteil dieser Menschen bereits vor ihrer erzwungenen Flucht völlig verarmt waren, droht ihnen jetzt der Verlust nahezu ihrer gesamten Habe sowie eine soziale und gesundheitliche Katastrophe in Russland, wo zuletzt über 150.000 neue Fälle von Covid-19 an einem einzigen Tag gemeldet wurden.

Als die Kämpfe am Wochenende eskalierten, riefen die separatistischen Behörden alle zum Kampf einsatzfähigen Männer auf, sich zu bewaffnen.

Am Montagnachmittag Moskauer Ortszeit wurde gemeldet, dass der russische Geheimdienst FSB und Truppen des Innenministeriums bei einem Feuergefecht fünf ukrainische Soldaten getötet und einen gefangen genommen haben. Am Freitag berichteten die russischen Medien außerdem, in Rostow nahe der ukrainischen Grenze seien ukrainische Bomben explodiert.

Ebenfalls am Montagnachmittag berief Putin eine Sondersitzung des russischen Nationalen Sicherheitsrats ein, bei der er erklärte, die Lage im Donbass sei „kritisch“ geworden. An dem Treffen beteiligten sich außerdem die Anführer der Separatisten aus den so genannten „Volksrepubliken“ Donezk (DNR) und Lugansk (LNR). Beide wurden nach dem Putsch in Kiew 2014 von prorussischen Separatisten gegründet. Während des Treffens sprach sich ein russischer Regierungsvertreter nach dem anderen für die Anerkennung dieser Republiken als „unabhängig“ aus.

Am Montagabend Moskauer Ortszeit hielt Putin eine einstündige Rede an die Nation. Er begann mit einer antikommunistischen Hetztirade, in der er die Oktoberrevolution von 1917 verurteilte und behauptete, die Ukraine sei ein „Geschöpf“ des „bolschewistischen, kommunistischen Russlands“ gewesen. Ein Großteil der restlichen Rede diente der Verherrlichung des russischen Zarenreichs und verschiedener zaristischer Generäle.

Er wies auf die systematische Einkreisung Russlands durch die Nato hin und klagte, der frühere US-Präsident Bill Clinton habe im Jahr 2000 „äußerst kühl“ auf die Frage reagiert, ob die USA Russlands Beitritt zur Nato unterstützen würden. Daraufhin schilderte der russische Präsident ausführlich die Auswirkungen des von den USA unterstützten Putschs von 2014 für Russland. Laut Putin hat der Putsch die Ukraine faktisch in eine „Kolonie“ und eine „Marionette“ der USA verwandelt.

Putin wies darauf hin, dass die Ukraine sich seit März 2021 durch die Annahme einer neuen Militärstrategie offen auf einen Krieg mit Russland vorbereitet hat. Er erklärte, die USA und die Nato hätten Russland „ein Messer an die Kehle“ gesetzt, indem sie Russlands Forderungen nach Sicherheitsgarantien ignoriert und faktisch die Ukraine bewaffnet haben. Er behauptete außerdem, die Kiewer Regierung verübe einen „Völkermord“ an Russen in der Ostukraine und habe faktisch die Minsker Abkommen von 2015 ignoriert.

Auf dieser Grundlage behauptete Putin, die Anerkennung der separatistischen Gebiete der selbsternannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk sei die einzige Möglichkeit, Russlands Sicherheitsinteressen zu gewährleisten.

Direkt nach der Rede unterzeichnete Putin zwei Dekrete, mit denen er Donezk und Lugansk als „unabhängige“ Staaten anerkannte und die Vorbereitung von Freundschaftsverträgen zwischen den Republiken und Russland ankündigte. In den Dekreten hieß es, bis ein solches Abkommen unterzeichnet sei, werde das russische Verteidigungsministerium beiden Republiken Truppen zur Verfügung stellen, um „den Frieden zu gewährleisten“. Kurze Zeit später gab Putin den Befehl zur Entsendung von russischen Truppen nach Donezk und Lugansk.

Putins Rede löste den schwersten Zusammenbruch der russischen Aktienmärkte – mehr als 14 Prozent – seit der Krise von 2008 aus. Da Montag in den USA ein Feiertag war, fand ein Großteil der Abverkäufe durch europäische und regionale, darunter russische, Investoren statt. Einige der größten Unternehmen und Banken Russlands, darunter der staatliche Ölkonzern Rosneft und die Sberbank, verloren zwischen 21 und 25 Prozent an Wert. Auf den internationalen Märkten stieg der Preis für Öl der Marke Brent auf 97 Dollar und damit auf den höchsten Preis seit 2014.

US-Präsident Joe Biden verurteilte Putins Entscheidung sofort als Verstoß gegen die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine und unterzeichnete ein Dekret, das jeden Handel mit Donezk und Lugansk verbietet. Er beschrieb die Anerkennung der DNR und LNR als „ungewöhnliche und außergewöhnliche Bedrohung für die nationale Sicherheit und die Außenpolitik der USA“. Jedem, der mit den beiden Volksrepubliken Handel treibt oder ihre Behörden finanziell unterstützt, droht in Zukunft ein Einreiseverbot in die USA.

Bisher haben nur die Huthi-Rebellen im Jemen, die seit Jahren einen Bürgerkrieg gegen das von den USA unterstützte Saudi-Arabien führen, Russlands Anerkennung von Donezk und Lugansk unterstützt. Der nicaraguanische Präsident Daniel Ortega gab an, er unterstütze Putins Entscheidung, erkannte aber die separatistischen Republiken noch nicht offiziell an.

Vertreter der US-Regierung kündigten weitere Sanktionen ab Donnerstag an. Auch die EU, Großbritannien, Japan und Australien kündigten schwere Sanktionen an.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der bereits mit Biden gesprochen hatte, erklärte in einer kurzen Fernsehansprache an die Nation, seine Regierung sei nur am „Frieden“ interessiert – und dies trotz ihres Säbelrasselns und ihrer offiziellen Militärstrategie. Er bezeichnete Putins Anerkennung der Volksrepubliken als Bedrohung für die territoriale Integrität der Ukraine und erklärte, die Ukraine habe unter diesen Bedingungen das Recht auf „Selbstverteidigung“.

Im Vorfeld der Eskalation von Montag haben die USA und die Nato in verantwortungsloser Weise die Spannungen mit Russland verschärft, indem sie unter anderem 5.000 Fallschirmjäger nach Polen geschickt, 300 Javelin-Raketen an die Ukraine verkauft und eine Flut von Kriegspropaganda entfesselt haben.

Die sich entwickelnde Kriegsgefahr ist der Höhepunkt der jahrzehntelangen Anstrengungen, Russland einzukreisen und die gesamte ehemalige Sowjetunion zu unterwerfen, um die globale Hegemonialstellung des US-Imperialismus aufrechtzuerhalten.

In grundlegender Hinsicht liegt die Ursache des Kriegskurses im Niedergang des US-Imperialismus und der tiefen Krise des kapitalistischen Weltsystems, die sich durch die Corona-Pandemie deutlich beschleunigt hat. Gerade die herrschende Klasse der USA sitzt auf einem sozialen Pulverfass und steigert sich in einen Kriegsrausch hinein, weil sie verzweifelt versucht, einen Weg zu finden, um die immensen sozialen Spannungen nach außen zu lenken und innerhalb der herrschenden Klasse die Reihen zu schließen.

Die Dynamik dieser Prozesse gerät zusehends außer Kontrolle. Das Internationale Komitee warnte in seiner Erklärung vom 15. Februar: „Ein Krieg mit Russland in der Ukraine, wie auch immer er beginnt oder in den Anfangsphasen verläuft, wird sich nicht eindämmen lassen. Er wird sich nach einer unkontrollierbaren Logik ausweiten. Jeder Staat in der Region wird in den Konflikt hineingezogen werden. Das Schwarze Meer mit seinen sieben Anrainerstaaten wird sich in einen Hexenkessel eskalierender Konflikte verwandeln, die sich über Transkaukasien, die Region des Kaspischen Meeres, Zentralasien und darüber hinaus ausbreiten.“

Arbeiter und Jugendliche müssen die notwendigen Schlüsse ziehen: Die einzige Möglichkeit, die Gefahr eines Weltkriegs abzuwenden, liegt im Aufbau einer sozialistischen Antikriegsbewegung und einer revolutionären Führung innerhalb der Arbeiterklasse.

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