Bundesregierung schafft kostenlose Corona-Bürgertests ab

Während sowohl die Infektionszahlen als auch die Hospitalisierungen in Deutschland wieder rapide ansteigen, lässt die Bundesregierung dem Virus freien Lauf und baut die letzten bestehenden Corona-Maßnahmen ab.

Am Freitag verkündete Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das Ende der kostenlosen Corona-Bürgertests. Noch vor wenigen Tagen hatte er einen unkonkreten 7-Punkte-Plan zur Bekämpfung der drohenden Herbstwelle vorgelegt, dessen Hauptfokus auf Impfungen und Testen lag. Nun ist klar, dass selbst diese Bereiche nicht ausgebaut, sondern weiter abgebaut werden.

Corona-Testzentrum in Frankfurt (AP Photo/Michael Probst)

Ab dem 1. Juli soll ein Test in einer öffentlichen Teststation drei Euro kosten. Lediglich vulnerable Gruppen, wie Kinder bis fünf Jahre, Frauen zu Beginn der Schwangerschaft und Besucher von Kliniken und Pflegeheimen können sich weiterhin kostenlos testen lassen.

Die Folgen der Entscheidung sind weitgehend. Für viele Menschen, die sich regelmäßig testen, bedeutet das eine hohe zusätzliche finanzielle Belastung, die vor allem Arbeiter und sozial Schwache kaum schultern können.

Mit dem Abschaffen der kostenlosen Tests wird die bereits völlig unzureichende Datenlage über das tatsächliche Infektionsgeschehen noch dünner ausfallen. Lauterbach selbst erklärte, dass bereits jetzt nur etwa die Hälfte der Corona-Infektionen tatsächlich erfasst würden. Ohne die Bereitstellung kostenloser Tests wird die Dunkelziffer noch weiter steigen.

„Ich will keinen Hehl daraus machen, ich hätte die kostenlose Bürgertests für alle gern weitergeführt“, erklärte Lauterbach zynisch. In Wirklichkeit liegt die Entscheidung auf der Linie, die die Ampel-Koalition von Anfang an verfolgt hat. Seit ihrer Amtsübernahme hat sie alle verbliebenen Schutzmaßnahmen beendet und damit im Kern die Forderungen der rechtsextremen AfD in die Tat umgesetzt.

Lauterbach begründet die Abschaffung der kostenlosen Tests mit „der angespannten Haushaltslage, die uns im Herbst erwartet“. Die „Wahrheit“ sei, dass man sich die Tests „leider nicht leisten“ könne.

Wen will Lauterbach für dumm verkaufen? Die Bundesregierung hat gerade ein „Sondervermögen Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Sie ist schlicht nicht bereit, das Geld für die Tests und andere Gesundheits- und Schutzmaßnahmen auszugeben. Die Kosten werden stattdessen auf die Arbeiterklasse abgewälzt, die bereits mit steigenden Heiz-, Miet- und Lebensmittelkosten zu kämpfen hat.

Die Entscheidung macht deutlich, dass die Regierung auch unter Bedingungen einer massiven neuen Infektionswelle keine Maßnahmen mehr ergreifen wird. Durch das Abschaffen der kostenlosen Bürgertests entfällt nicht nur die Grundlage für die Wiedereinführung beschränkter Maßnahmen wie 3G (Getestet, Geimpft, Genesen) und 2G+ (Geimpft oder Genesen, mit zusätzlichem Test). Die gesamte „Corona-Herbststrategie“ enthält keine einzige verpflichtende Schutzmaßnahme.

Die sieben Punkte konzentrieren sich im Wesentlichen auf eine Impfkampagne und die Beschaffung von Impfstoffen, die an die Omikron-Variante angepasst sind. Einen erneuten Vorstoß für eine Impfpflicht schloss Lauterbach jedoch bereits aus, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung eine solche unterstützen würde. Begriffe, wie „Lockdown“ oder selbst „Maskenpflicht“ sucht man vergebens. Stattdessen erklärt das Dokument explizit: „Kitas und Schulen müssen offenbleiben.“

Der siebte Punkt bezieht sich auf eine „Novelle des Infektionsschutzgesetzes“, das am 23. September ausläuft. Neue Maßnahmen würden damit, wenn überhaupt, frühestens Ende September in Kraft treten. Lauterbach erklärte, dass er darüber mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Austausch stehe. Buschmann ist berüchtigt dafür, dass er regelmäßig im AfD-Stil gegen die geringsten Schutzmaßnahmen ins Feld zieht.

Erst am 15. Juni erklärte er in der Sendung Maischberger: „Man darf aber auch nicht unterschätzen, was übermäßige, falsch angewandte Maßnahmen mit der Gesellschaft machen. Unser Ziel muss sein, Gesundheitsschutz mit unserer Identität als freiheitliche Gesellschaft zu verbinden.“ Unter „Freiheit“ versteht der FDP-Mann das uneingeschränkte Anhäufen von Profiten, auch wenn es Millionen Menschenleben kostet.

Im Kern steht Lauterbach für die gleiche „Profite vor Leben“-Politik. Vor wenigen Tagen erklärte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: „Ich glaube, dass wir alle hier das gleiche Ziel haben: mit möglichst wenigen Freiheitseinschränkungen – der Lage angepasst – schnell reagieren zu können.“

Dabei ist sich die Regierung bewusst darüber, dass sie mit ihrer Politik eine weiteren Herbst mit sehr hohen Todeszahlen heraufbeschwört. Auf der Pressekonferenz nach der Gesundheitsministerkonferenz erklärte Lauterbach: „Wir müssen mit einer schweren Corona-Welle leider rechnen. Die Sommerwelle hat jetzt schon begonnen, aber im Herbst wird es schwieriger werden.“

Das Strategiepapier der Bundesregierung nennt drei mögliche Szenarien, die der Corona-Expertenrat der Bundesregierung ausgearbeitet hat. Als wahrscheinlichstes Szenario gilt das zweite Szenario: „Die durch SARS-CoV-2 hervorgerufene Krankheitslast bleibt ähnlich wie bei den jüngst zunehmenden Omikron-Varianten BA.4, BA.5 und BA.2.12.1. Über die gesamte kältere Jahreszeit kommt es zu einem gehäuften Auftreten von Infektionen und Arbeitsausfällen.“ Tatsächlich ist dieses Szenario bereits erreicht.

Die infektiöseren Varianten BA.4 und BA.5 machen laut Robert Koch-Institut zusammen schon jetzt 56 Prozent des Infektionsgeschehens aus. Das führt – trotz der warmen Temperaturen – zu einem massiven Anstieg der Infektionen. Mit 618 Infektionen pro Hunderttausend Einwohner ist die 7-Tage-Inzidenz etwa 23 Prozent höher als vor einer Woche. Insbesondere unter Älteren breitet sich das Virus stark aus. Vergangene Woche kam es zu 119 Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen – das sind 25 mehr, als vor einer Woche. Insgesamt 50 Menschen sind dabei gestorben.

Die Anzahl der schweren Verläufe nimmt auch in der Gesamtbevölkerung zu. Die adjustierte Hospitalisierungsinzidenz stieg letzte Woche auf sieben an, was etwa 5500 Hospitalisierungen pro Woche entspricht. Die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Patienten stieg von 670 in der Vorwoche auf 780.

Bis dato sind in Deutschland auf Grund der Weigerung der Regierung, das Virus durch die notwendigen wissenschaftlichen Maßnahmen zu eliminieren, mehr als 140.000 Menschen an Covid-19 gestorben. Viele weitere werden folgen, wenn es nach dem Willen der herrschenden Klasse geht. Laut dem Stragiepapier der Bundesregierung könnte sich das „wahrscheinlichste Corona-Herbst-Szenario“ über „einen langen Zeitraum erstrecken“. Dabei sei – „ohne weitere Maßnahmen zu ergreifen – von ca. 1500 Corona-Toten pro Woche auszugehen“.

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