Hessisches Landesarbeitsgericht weist Berufung der WISAG-Busfahrer ab

Am Mittwoch, den 7. September, hat das Landesarbeitsgericht Hessen die Berufungsanträge von 14 ehemaligen Vorfeld-Busfahrern am Frankfurter Flughafen gegen die WISAG Ground Service GmbH abgewiesen. Der Fall zeigt beispielhaft, dass sich Arbeiter im Kampf gegen skrupellose Konzerne nicht auf die Justiz verlassen können.

Neun der von WISAG entlassenen Busfahrer vor dem Landesarbeitsgericht Hessen in Frankfurt am Main, 7. September 2020

In den zwei aufeinanderfolgenden Verhandlungen ergriffen mehrere Busfahrer mutig das Wort und schilderten die Umstände ihrer Entlassung, gegen die sie schon seit zwei Jahren kämpfen.

Im Herbst 2020 hatte WISAG versucht, die Busfahrer im Rahmen eines „Betriebsübergangs“ zu einer neuen Firma namens Sky City Bus GmbH zu schicken, die offensichtlich eine Strohfirma von WISAG selbst war. Wer das nicht akzeptierte, wurde vom Gelände vertrieben; ihm wurde mit sofortiger Wirkung jede weitere Lohnzahlung gestrichen.

Ein Arbeiter schilderte dem Gericht, was die Busfahrer vor zwei Jahren erlebt hatten: „Im Jahr 2020 waren wir in Kurzarbeit, als im September plötzlich das Gerücht umging, dass die Bus- und Push-Abteilung aufgelöst werden soll. Am 25. September, einem Freitag, lud uns Geschäftsführer Dietrich in den Konferenzraum ein, wo er das Urteil über uns sprach: Die Leasingverträge unserer Busse seien ab Montag abgelöst. Danach sagte er: ‚Euch Busfahrer geht es noch am besten, denn wir haben eine Firma, wo ihr weiterarbeiten könnt.‘ Das war die Sky City Bus, die jedoch erst im März zuvor gegründet worden war. Ihr Geschäftsführer war ein ehemaliger WISAG-Kollege; die Firma hatte selbst keine Busfahrer, keine eigenen Busse und auch kein eigenes Kapital, um welche zu leasen. Dorthin sollten wir überwechseln.“

Wie der Arbeiter berichtete, hatte der Betriebsrat schon über ihre Köpfe weg zugestimmt. Die Busfahrer wehrten sich gemeinsam dagegen, gingen zum Rechtsanwalt und sammelten Unterschriften, dass der Betriebsrat nicht in ihrem Namen handle. Sie weigerten sich, freiwillig zu Sky City Bus überzuwechseln, „denn es war klar, dass etwas nicht stimmte“.

Am 1. Oktober kamen sie morgens normal zur Schicht und boten ihre Arbeitskraft an. „Wir sagten WISAG: ‚Wir können alles machen, egal was es ist!‘ Wir sollten jedoch in die (schon gekündigten!) Leasingbusse einsteigen und für Sky City Bus fahren. Das wollten wir nicht. Da erklärte uns der Geschäftsführer, wir sollten das Gelände innerhalb von 15 Minuten verlassen. Wir konnten nicht einmal unsere Sachen aus dem Spind holen. Und das nach über 20 Jahren, in denen wir am Flughafen gearbeitet haben!“

Der Klägeranwalt Dr. Wolfgang Trieb bestätigte, dass man den Busfahrern die Pistole auf die Brust gesetzt hatte. Er sagte: „Wir halten den Übergang zu Sky City Bus für einen Vorwand (…) Das Ganze war eine unseriöse Konstruktion. Die Arbeiter mussten das als Manöver auffassen, was dazu führen sollte, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren würden. Offen gesagt: Sie mussten zur Ansicht kommen, dass ihr Arbeitsplatz nicht sicher sei, und das nach über 20 Jahren. Schon die kurze Frist von wenigen Tagen, in denen sie sich entscheiden sollten, war eine unzumutbare Härte.“

Tatsächlich hatte der WISAG-Konzern schon kurz zuvor in Berlin die Arbeitsplätze mithilfe von Ausgründungen und Lohndumping massiv angegriffen und 350 Beschäftigte entlassen. Aufgrund der Corona-Pandemie nahm WISAG seine Chance auch in Frankfurt wahr und begann, gestützt auf Gewerkschaft und Betriebsrat, seine Stammbelegschaft zu verringern und durch vermehrten Einsatz von Leiharbeitern zu kompensieren. Nach den Busfahrern wurden dann auch 200 Bodenarbeiter, später noch 80 Reinigungskräfte kurzfristig vor die Tür gesetzt.

Nach demselben Modell schließt WISAG jetzt zum 1. Oktober 2022 in Berlin zwei Dienstleister der WISAG Passage Service und schickt einen Teil der Beschäftigten zu schlechteren Konditionen in eine neue Firma, während die übrigen entlassen werden.

Es war also keineswegs an den Haaren herbeigezogen, wenn die WISAG-Busfahrer sich im Oktober 2020 weigerten, freiwillig zu Sky City Bus zu wechseln.

In der Gerichtsverhandlung stand ein Arbeiter auf und sagte: „Wegen der Politik von WISAG bin ich heute kaputt. Mein Leben wurde im September 2020 zerstört. Haben wir denn nicht das Recht auf Widerspruch? Wir haben diese Firma [als Acciona] gegründet und aufgebaut. WISAG hat sie erst viel später übernommen, da gaben sie uns eine Garantie auf sieben Jahre. Bei der Sky City Bus sollte es eine Garantie von gerade mal sechs Monaten sein. Weil wir das nicht wollten, haben sie uns innerhalb von 15 Minuten rausgeworfen und mit der Polizei bedroht.“

Der Richter ging nicht auf die Ausführungen ein, sondern wischte alles mit dem Argument beiseite, WISAG habe „die unternehmerische Entscheidung“ getroffen, am Flughafen keine Busfahrten mehr durchzuführen. „Das ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens“, sagte er. „Emotional“ könne er nachvollziehen, was die Arbeiter sagten, aber rechtlich stehe es auf einem anderen Blatt.

Vorsitzender Richter war Matthias Kreutzberg-Kowalczyk, der vor zehn Jahren an das hessische Landesarbeitsgericht kam. Damals hatte er in einem seiner ersten Verfahren zugunsten von Fraport/Lufthansa/DLS gegen einen Streik der Vorfeld-Lotsen entschieden. Er hatte sowohl den Streik als auch einen geplanten Solidaritätsstreik der Lotsen im Tower rundheraus für illegal erklärt.

Auch in dem WISAG-Verfahren am letzten Mittwoch machte Kreutzberg-Kowalczyk immer wieder deutlich, dass er von Anfang an die Absicht hatte, die Berufung abzuweisen. Wiederholt erklärte er, der Arbeitgeber (also WISAG) habe „seine Schritte im Jahr 2020 gut begründet“, und einmal sagte er: „Die Erfolgsaussichten der Berufung sind nicht rosig.“

Die Wirtschaftskanzlei, die WISAG vertrat, kam ausführlich zu Wort. Für den WISAG-Konzern des Frankfurter Oligarchen und Milliardärs Claus Wisser (SPD) und seines Sohns Michael Wisser tritt regelmäßig die Anwaltskanzlei Schweibert Lessner & Partner auf.

Die Anwältin Dr. Ulrike Schweibert behauptete, die Busfahrer seien im Grunde an allem selbst schuld. „Es ist richtig, dass das alles kurzfristig war“, so Schweibert. „Aber es war alles glasklar. Sie mussten sich überlegen, ob sie in den gleichen Bussen wie zuvor mit denselben Kollegen dieselbe Arbeit weitermachen wollten oder nicht.“

Zwar räumte sie ein: „Es ist richtig, dass Sky City Bus letztlich nicht funktioniert hat“, aber jedenfalls habe es sich nicht um Willkür gehandelt. Da die Busfahrer das Angebot abgelehnt hätten, hätten sie sich selbst alles Weitere zuzuschreiben. Zu den Busfahrern sagte Schweibert: „Sie haben selbst entschieden, das Angebot nicht anzunehmen, deshalb ist das in Ihrem Fall eine selbst verschuldete Arbeitslosigkeit.“

Die Arbeiter wiesen jedoch wiederholt nach, dass sie ihre Arbeitskraft angeboten hatten. Und in der Tat gab und gibt es zahlreiche Beschäftigungsfelder, die sie auch jetzt noch machen könnten, für die der Konzern jedoch immer wieder Leiharbeiter und neue Kräfte einstellt.

Dies wurde auch bei dem zweiten Termin an diesem Vormittag deutlich, als es um einen einzelnen Busfahrer ging. Dessen Anwalt Hans Wüstehube sagte: „Der Kläger war seit über 20 Jahren am Flughafen beschäftigt, er hat als Pushback-Fahrer, beim Gepäckverladen, beim Wassertanken, überall gearbeitet. Er hätte schon durch die Sozialauswahl geschützt werden müssen. Es gab zweifellos Stellen bei WISAG in anderen Bereichen. Der Arbeitgeber hat sämtliche Scheine des Klägers in seinen Akten. Er weiß, dass der Kläger jede andere Tätigkeit hätte ausüben können.“

Der Arbeiter selbst ergänzte: „Ich bin mit 47 Jahren doch kein alter Mann. Ich habe alle diese Tätigkeiten auch schon bei Acciona gemacht. Ich habe sämtliche Scheine für alle Tätigkeiten auf dem Flughafenvorfeld. Da waren immer wieder Stellen frei – das war bekannt.“ Nach der Verhandlung sagte der Arbeiter der WSWS: „WISAG war von Anfang an entschlossen, uns loszuwerden.“

Der Richter wies die Ausführungen jedoch zurück, indem er wortwörtlich die Argumente der Gegenseite übernahm: Andere Stellen seien nicht vergleichbar oder nicht vorhanden gewesen. „Die Vergleichbarkeit ist nicht gegeben“ – das in einem Konzern mit 50.000 Beschäftigten! Die Kläger seien als Busfahrer beschäftigt gewesen, das stehe in ihrem Vertrag.

Anwalt Wüstehube konterte: „In der Praxis sieht das doch anders aus: Der Unternehmer setzt sie immer da ein, wo es notwendig ist. Dabei sagt der Arbeitgeber: ‚Ich gebe dir jetzt den Vertrag als Busfahrer‘ – weil er gerade Busfahrer braucht. Es ist genau anders herum: Der Arbeitgeber brauchte Busfahrer, also ist es ein Busfahrervertrag.“

Darauf antwortete der Richter: „Das mag ja alles sein. Aber auch wenn es taktisch anders ist: Verträge muss man schließen, und davon muss man ausgehen.“ WISAG habe sowohl die Vergleichbarkeit als auch die Sozialauswahl „rechtlich verträglich“ gehandhabt. „Das kann der Arbeitgeber so machen.“

Zum Schluss boten die Klägeranwälte in beiden Verfahren ihre Bereitschaft an, sich mit WISAG gegen eine gewisse Abfindung zu einigen. Einer der Anwälte sagte: „Wo wir mittlerweile angekommen sind, zwei Jahre nach dem Fall, da könnten wir uns eine Einigung auf kleinem Niveau vorstellen. Die Sinnhaftigkeit, wieder zurückzukehren, wird immer geringer – auch wenn es am Flughafen derzeit Arbeit ohne Ende gibt.“

Interview mit entlassenem WISAG-Busfahrer, Aptoulkasim Terzi

Die WISAG-Anwälte lehnten brüsk ab: „In diesem Verfahren gibt es keinen Spielraum für eine Einigung.“ Und Schweibert erklärte: „Es gab zu viel Auseinandersetzung, die ganze Story. Das war eine ärgerliche Situation. Die Busfahrer hatten eine Alternative – sie haben sie nicht angenommen. Deshalb wollen wir keine Einigung.“ Später sagte sie: „Die Kollegen haben unheimlich emotional reagiert. Es begann gleich mit der Klage, dann sind sie zum Landtag gerannt, die IGL hat sich eingeschaltet (...) Die ganze Auseinandersetzung hat den Konzern geschädigt. Es hört einfach nicht auf.“

Daraufhin konstatierte der Richter: „Offenbar ist die Bereitschaft zur Einigung zerrüttet.“ Er habe sich eine andere Antwort erhofft. Im Urteil übernahm er dann offensichtlich die Argumente der Konzernanwälte.

Anwalt Wüstehube konstatierte, es sei unter diesen Bedingungen „verständlich, wenn diese Arbeiter am Ende ihren Glauben an die Rechtsstaatlichkeit verlieren“.

Hätte die Wirtschaftsanwältin Schweibert offen gesprochen, dann hätte sie wohl das Folgende sagen müssen: „Der Hauptgrund, warum wir euch weder entschädigen noch wiedereinstellen, liegt darin, dass ihr euch zusammen mit rund 200 entlassenen Kollegen in Frankfurt als einzige gegen die Entlassungen zur Wehr gesetzt habt. Das können wir nicht dulden, das könnte Schule machen. Euer Slogan: ‚Heute wir – morgen ihr‘, den ihr während des Hungerstreiks und auf Kundgebungen verbreitet habt, könnte sich über den ganzen Flughafen ausbreiten, denn unser Modell wird ja auch von den anderen Flughafenkonzernen immer stärker übernommen.“

Aus dem Urteil müssen Arbeiter die Konsequenzen ziehen. Genauso wenig wie auf die bürgerlichen Politiker, die Gewerkschaften und die Medien können sie sich auf die Justiz verlassen, um an ihr Recht zu kommen. Nur wenn sie sich an die gesamte Arbeiterklasse wenden und unabhängig von alle pro-kapitalistischen Organisationen zusammenschließen, können sie die dafür notwendige Kraft entfalten.

Die WISAG-Arbeiter haben sich unabhängig von Verdi organisiert und Widerstand geleistet. Sie haben vor der Verdi-Zentrale einen schwarzen Kranz abgelegt, da die Gewerkschaft für sie keinen Finger gerührt hatte. Jetzt müssen sie sich an alle Arbeiter wenden, um die Arbeitsplätze und Errungenschaften am Flughafen gemeinsam zu verteidigen, und ein unabhängiges Aktionskomitee aufbauen, das sich mit der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees verbindet.

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