Scholz’ Regierungserklärung: Mehr Waffen für Krieg gegen Russland

Obwohl der Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine die Gefahr einer nuklearen Eskalation heraufbeschwört, verschärft die Ampel-Koalition den Krieg. Am Donnerstag äußerte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Regierungserklärung zum EU-Gipfel neue Drohungen gegen Moskau. Im gleichen Atemzug brüstete er sich mit der massiven deutschen Kriegsunterstützung für die Ukraine und versprach weitere Waffen, die auf dem Schlachtfeld den „Unterschied“ machten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner Regierungserklärung zum EU-Gipfel am 20. Oktober 2022 im Bundestag (AP Photo/Markus Schreiber) [AP Photo/Markus Schreiber]

„Als Putin den Krieg im Februar begann, haben manche gemutmaßt: In wenigen Tagen ist die Ukraine besiegt,“ erklärte Scholz am Anfang seiner Rede. Es sei aber „anders gekommen, auch deshalb, weil die Partner der Ukraine, darunter auch wir, das Land unterstützt haben: politisch, finanziell, humanitär und mit Waffen“. Artillerie und Flugabwehr seien nun „genau das, was die Ukraine besonders dringend braucht, und genau das liefern wir, moderne Panzerhaubitzen und Mehrfachraketenwerfer zum Beispiel“.

Auch durch den Panzerringtausch mit Tschechien, der Slowakei, Griechenland und Slowenien bekomme die Ukraine „rund hundert Panzer, mit denen ihre Soldaten sofort umgehen können“, so der Kanzler weiter. Und Deutschland habe der Ukraine „als eines der ersten Länder Anfang Juni moderne Luftverteidigungssysteme zugesagt“. Ein erstes davon habe man „letzte Woche an unsere ukrainischen Freunde übergeben“, und drei weitere würden „so schnell, wie es geht, folgen“. Zudem habe man „Flugabwehrraketen geliefert sowie Gepard-Panzer“.

Hätte Scholz alle deutschen Waffenlieferungen seit Kriegsbeginn aufgezählt, hätte er seine Redezeit massiv überschritten. Berlin überschwemmt die Ukraine regelrecht mit Waffen und ist nach den USA und Großbritannien der drittgrößte Waffenlieferant. Laut der offiziellen Liste der Bundesregierung über „militärische Unterstützungsleistungen für die Ukraine“ hat Berlin allein in der letzten Woche die folgenden Posten geliefert:

  • 1 Luftverteidigungssystem Iris-T SLM
  • 10 Bergepanzer 2* (zuvor 5)
  • 7 schwere und mittlere Brückensysteme
  • 167.000 Schuss Handwaffenmunition
  • 200 Zelte (zuvor 100)
  • 195 Stromerzeuger (zuvor 12)
  • 116.000 Kälteschutzjacken
  • 80.000 Kälteschutzhosen
  • 240.000 Wintermützen

Die tatsächliche Kriegsunterstützung geht dabei weit über Waffenlieferungen hinaus. Laut ARD-Informationen liefert der deutsche Auslandsgeheimdienst BND „militärische nutzbare Daten“ an Kiew und ist damit direkt in die Kriegsführung involviert. Auch bei der Ausbildung der ukrainischen Armee spielt Deutschland eine führende Rolle.

Scholz informierte den Bundestag, dass sich die EU-Außenminister am Montag „auf eine neue Ausbildungsmission für circa 15.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten hier in der EU geeinigt“ hätten. Und „eines der beiden Hauptquartiere wird sich in Deutschland befinden. Bis zum Frühjahr werden wir eine vollständige Brigade mit bis zu 5.000 Soldaten ausbilden.“ Damit unterstreiche Berlin seine „Bereitschaft, uns dauerhaft am Aufbau starker ukrainischer Streitkräfte zu beteiligen“.

Entgegen der offiziellen Beteuerungen der Regierung ist Deutschland damit auch völkerrechtlich Kriegspartei. Bereits wenige Wochen nach Kriegsbeginn hatte ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags festgestellt, dass die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Boden einer Kriegsbeteiligung gleichkommt. „Wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei beziehungsweise Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen“, heißt es darin.

Scholz selbst hatte zu diesem Zeitpunkt noch vor der Gefahr eines nuklearen dritten Weltkriegs gewarnt. Ende April erklärte er in einem Interview mit dem Spiegel, man müsse alles tun, „um eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und einer hochgerüsteten Supermacht wie Russland, einer Nuklearmacht, zu vermeiden“. Es gehe darum, „eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt“.

Seitdem machen Scholz und die Ampel jedoch genau das Gegenteil und befeuern den Konflikt immer weiter – nun auch auf nuklearer Ebene. Aktuell nehmen Tornados der Bundeswehr an der Nato-Atomübung „Steadfast Noon“ teil. In einem Bericht des Bundeswehrverbands heißt es dazu: „Geübt wird unter anderem das Szenario der nuklearen Teilhabe. So waren in Vergangenheit auch regelmäßig die Tornados des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 aus Büchel involviert. Trainiert wird, wie man die in unterirdischen Bunkern gelagerten US-Atomwaffen unter die Kampfjets montiert.“

Die WSWS hat bereits davor gewarnt, dass die von den USA angeführte Atomwaffenübung in der hochgradig aufgeheizten Kriegsatmosphäre das Risiko einer schweren Fehleinschätzung in sich birgt. Was ist, wenn das russische Militär nach den jüngsten Nukleardrohungen der Nato davon ausgeht, dass es bei der „Übung“ in Wirklichkeit um die konkrete Vorbereitung von Atomschlägen geht? Im Kalten Krieg hätte die Nato-Übung „Able Archer“ 1983 beinahe einen Atomkrieg ausgelöst, weil die Führung der Sowjetunion zum Schluss gekommen war, dass Washington tatsächlich einen Angriff mit Nuklearwaffen plane.

Hinter dem Kriegswahnsinn, der das Überleben der gesamten Menschheit gefährdet, stehen eine Reihe von Faktoren. Zum einen ist die herrschende Klasse mit der tiefsten Krise des kapitalistischen Systems seit den 1930er Jahren konfrontiert. Wie damals sieht sie im Krieg ein Mittel, die Spannungen – allen voran die explosive soziale Opposition von Arbeitern und Jugendlichen – zu kontrollieren und nach außen abzulenken.

Zum anderen geht es um geopolitische Ambitionen. Seit der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie haben die Nato-Mächte Russland systematisch eingekreist, mit dem Ziel, das rohstoffreiche Land zu unterjochen und auszubeuten. Moskaus Einmarsch in die Ukraine war reaktionär, aber in letzter Konsequenz eine verzweifelte Reaktion des kapitalistischen Putin-Regimes auf die imperialistische Kriegspolitik.

Um die eigene Kriegsoffensive zu rechtfertigen, arbeitet die herrschende Klasse mit der bekannten Propaganda. Die Bundestagssitzung begann mit einem zynischen Verweis auf die Verbrechen des deutschen Imperialismus in der Ukraine. „Die Erinnerung an das Menschheitsverbrechen der Shoah ist und bleibt unerlässlich. Das ist Teil der historischen Verantwortung Deutschlands“, erklärte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), als sie den ukrainischen Holocaust-Überlebenden Roman Schwarzman als Gast auf der Bundestagstribüne begrüßte. „Etwa anderthalb Millionen Jüdinnen und Juden wurden in der Ukraine ermordet. Mehr als 2000 Tatorte des Massenmordes liegen auf dem Gebiet der heutigen Ukraine.“

All das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die herrschende Klasse Deutschlands im Ukrainekrieg wieder an ihre verbrecherische Großmachtpolitik anknüpft. Bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg versuchte der deutsche Imperialismus, sich die Ukraine einzuverleiben und Russland militärisch zu unterwerfen, und beging dabei schreckliche Verbrechen. Insgesamt wurden im Vernichtungskrieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion etwa 30 Millionen Menschen ermordet.

Beim heutigen Vorgehen gegen Russland arbeitet Berlin in der Ukraine mit den politischen Nachfahren der gleichen faschistischen Kräfte zusammen, die im Zweiten Weltkrieg mit den deutschen Nazis gegen die Sowjetunion kämpften und den Massenmord an den ukrainischen Juden unterstützten. Dazu gehören rechtsextreme Milizen wie der Rechte Sektor oder das berüchtigte Regiment Azow, aber auch „Diplomaten“ wie der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrej Melnyk, der ein offener Parteigänger des ukrainischen Faschisten, Antisemiten und Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera ist.

Der im Kern faschistische Charakter der deutschen Kriegsoffensive zeigt sich auch im Plan, sich nach zwei verlorenen Weltkriegen wieder zur führenden Militärmacht Europas aufzuschwingen. In seiner Rede pries Scholz „das Sondervermögen für die Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden, „die Refokussierung unserer Streitkräfte auf die Landes- und Bündnisverteidigung“, „die Übernahme größerer Verantwortung an der östlichen Flanke der Allianz“ und seine Prager Vorschläge zur „Sicherheitszusammenarbeit in Europa“.

Letztere zielen darauf ab, den Kontinent auch militärisch unter deutscher Führung zu organisieren. Er freue sich, „dass die Idee einer engeren europäischen Kooperation bei der Luftverteidigung so schnell von 14 europäischen Ländern aufgegriffen wurde, die dabei mit uns zusammenarbeiten wollen“, frohlockte Scholz. Das geplante deutsch-europäische Raketenabwehrsystem sei „genau die Art von Synergie, die Art von kluger Arbeitsteilung, wie wir sie für die Sicherheit Europas jetzt brauchen“.

Die Regierungserklärung unterstrich, dass die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Militärmacht auch die Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten zuspitzt. Arrogant lehnte der Kanzler die Forderungen nach einem europäischen Gaspreisdeckel ab, obwohl ein solcher von den meisten europäischen Ländern – darunter Frankreich, Spanien und Italien – gefordert wird. „Ein politisch gesetzter Preisdeckel“ berge „das Risiko, dass die Produzenten ihr Gas dann anderswo verkaufen und wir Europäer am Ende nicht mehr Gas bekommen, sondern weniger“, erklärte Scholz.

Mit „Europäer“ meint Scholz Deutschland. Um sich die aufgrund der Kriegspolitik gegen Russland knappen Gas-Ressourcen auf dem Weltmarkt zu sichern, hat die deutsche Regierung einen „wirtschaftlichen Abwehrschirm von bis zu 200 Milliarden Euro“ (Scholz) aufgelegt. Dieser verschärft nicht nur die sozialen Gegensätze in Deutschland – der Großteil der Summe fließt in die Taschen der Großkonzerne und Reichen –, sondern auch die nationalen Spannungen innerhalb der EU. Viele Mitgliedsländer laufen gegen das Paket Sturm, weil es aus ihrer Sicht einer Handelskriegsmaßnahme Berlins gegen andere EU-Staaten gleichkommt.

Die gesamte aktuelle Entwicklung bestätigt die historische Perspektive des Marxismus und der Vierten Internationale. „Ein einigermaßen vollständiger wirtschaftlicher Zusammenschluss Europas von oben herab, durch Verständigung zwischen kapitalistischen Regierungen ist eine Utopie“, schrieb Leo Trotzki bereits 1917. Er erklärte die notwendige Vereinigung Europas „zu einer revolutionären Aufgabe des europäischen Proletariats in seinem Kampf gegen den imperialistischen Protektionismus und dessen Waffe, den Militarismus“.

Die objektiven Bedingungen für diesen Kampf entwickeln sich rasch. Die aktuellen Proteste und Streiks in Frankreich, Großbritannien und anderen europäischen Ländern sind Teil eines internationalen Aufschwungs des Klassenkampfs. Die entscheidende Aufgabe besteht darin, die Massenopposition gegen Inflation, Sozialkahlschlag, Krieg und die Durchseuchungspolitik in der Pandemie mit einer klaren politischen Perspektive und Führung auszustatten. Das erfordert den Aufbau von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale als Bestandteil des Kampfs für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

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