Gründet Aktionskomitees, um einen Generalstreik in Großbritannien zu führen!

In Großbritannien kämpfen derzeit Hunderttausende von Arbeitern gegen die brutale Offensive der Regierung und der Unternehmer gegen ihre Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen.

Am Mittwoch haben Beschäftigte der Royal Mail und der Universität zum zweiten Mal innerhalb von weniger als einer Woche gemeinsam gestreikt, und dieses Mal waren 4.000 Dozenten der Oberstufe dabei. Zusammen sind es knapp 190.000 Beschäftigte. Die Streiks der Eisenbahner und der Beschäftigten im Gesundheitswesen sollen im Dezember fortgesetzt werden.

Am Donnerstag und Freitag letzter Woche beteiligten sich 115.000 Postangestellte, 70.000 Universitätsmitarbeiter und 50.000 schottische Lehrer an einem zweitägigen Streik. Der Arbeitskampf mit einer knappen Viertelmillion Streikender war bisher die größte Arbeitsniederlegung seit Beginn des „Sommers der Unzufriedenheit“ – der mittlerweile bis in den Winter dauert. Letzte Woche fand außerdem ein fünfter Streik statt, an dem sich 21.000 Mitglieder der Lokführergewerkschaft ASLEF beteiligten.

Im Nationalen Gesundheitsdienst, dem National Health Service (NHS), sind noch vor Jahresende, am 15. und 20. Dezember, zwei weitere Streiktage geplant. Daran sollen sich bis zu 300.000 Mitglieder des Royal College of Nursing beteiligen. Außerdem soll es acht weitere Streiktage für 40.000 Mitglieder der Gewerkschaft Rail, Maritime and Transport (RMT) geben. Wenn die Streiks nicht noch abgesagt werden, könnten sich Hunderttausende weitere NHS-Beschäftigte von Unison und GMB [beides Gewerkschaften im öffentlichen Dienst] beteiligen, daneben 30.000 Hebammen des Royal College of Midwives, 15.000 Rettungssanitäter der GMB, 45.000 Assistenzärzte von British Medical Association und 60.000 Physiotherapeuten.

Streikposten von Postbeschäftigten in Bradford, 24. November 2022

Der treibende Faktor, der die Streikwelle anheizt, ist die grassierende Inflation, die bei den seit Jahren stagnierenden Einkommen die Reallöhne schrumpfen lässt. Eine globale Wirtschaftskrise wird durch die Auswirkungen der Pandemie und des Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine noch verschärft. Die Streikwelle zeigt die Entschlossenheit von Millionen von Arbeitern, sich gegen die Unternehmer und eine konservative Regierung zu wehren, die das Geld in die großen Konzerne, an die Superreichen und in den britischen Militärapparat fließen lässt.

Die Entwicklung ist Teil eines explosiven Ausbruchs des Klassenkampfs auf internationaler Ebene. Auf die schlimmste Lebenshaltungskostenkrise seit Generationen reagieren öffentliche Bedienstete in Portugal, Ölraffineriearbeiter in Frankreich und den Niederlanden, Eisenbahner in Österreich und Belgien, sowie Eisenbahner und Universitätsangestellte in den USA mit Streiks. Am 2. Dezember findet in Italien ein 24-stündiger Generalstreik gegen die Sparmaßnahmen statt, an dem sich Beschäftigte des öffentlichen und privaten Sektors beteiligen. Der öffentliche Nah- und Fernverkehr, die Schulen, das Gesundheitswesen, die Logistik und die Müllabfuhr sind davon betroffen. Der Eisenbahnerstreik in Belgien dehnt sich in dieser Woche auf mehrere Tage aus.

Aber in jedem Land hat die Arbeiterklasse es mit einem Gewerkschaftsapparat von gut betuchten Bürokraten zu tun, die sich im Interesse der Konzerne und des Staats der Unterdrückung des Klassenkampfs verschrieben haben.

Immer und immer wieder haben die Arbeiter die Erfahrung gemacht, dass sie frontal in Konflikt geraten mit einer Gewerkschaftsbürokratie, die ihre Kämpfe sabotiert, und einer Labour Party, die de facto mit den Tories verbündet ist. Auch wenn die Gewerkschaften zu Streiks aufrufen, beschränken sie sich auf das offizielle Ziel, die Regierung unter Druck zu setzen, damit sie entweder den immer noch weit unter der Inflation liegenden Lohnabschlüssen zustimme, oder dass sie „beiseitetrete“ und den Unternehmern die Möglichkeit verschaffe, dies zu tun.

Im Gegenzug bieten die Gewerkschaften an, Angriffe wie Massenentlassungen und Erhöhung des Arbeitsdrucks durchzusetzen. Dabei berufen sie sich auf ihre langjährige korporatistische Zusammenarbeit, auch wenn die Weigerung ihrer Mitglieder, sich zu beugen, diese Zusammenarbeit gerade stört.

Die Mitglieder der RMT sind ein Paradebeispiel dafür. Sie haben den ganzen Sommer und Herbst über gekämpft, und ihr Generalsekretär Mick Lynch gilt als besonders kämpferischer Gewerkschaftsführer. Dabei verhandelt er in seinen Gesprächen mit Network Rail und den Zugbetreibern über eine potentielle Lohnerhöhung von einem Prozentpunkt bei einem Lohnangebot von 4 Prozent in diesem und 4 Prozent im nächsten Jahr, plus eine Prämie von 500 Pfund. Mit dem Abschluss geht einher, dass die RMT Kürzungen und den Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen akzeptiert, bloß unter der Bedingung dass es „freiwillige“ Entlassungen sein sollen.

Dies ist nicht weit entfernt von den Vereinbarungen, die schon bei ScotRail getroffen wurden: gerade mal 5 Prozent für ein Jahr, plus 750 Pfund, wobei neue Technologien und Kürzungen akzeptiert werden. Auch bei Transport for Wales ist es ähnlich: Ein Plus von 4,5 Prozent wird durch „Produktivitätselemente“ auf 6,6 Prozent erhöht. Mick Lynch hat auch Gespräche mit Verkehrsminister Mark Harper geführt, der das Treffen anschließend als „produktiv“ bezeichnete und erklärte, die Regierung sei zum Glück die „kriegerischen Monster“ losgeworden, „mit denen wir es früher zu tun hatten“.

Die Gewerkschaft Communication Workers Union (CWU) hat sich bei British Telecomunications (BT) gerade auf einen Tarifabschluss unterhalb der Inflationsrate geeinigt. Das hat den Vorstandsvorsitzenden Philip Jansen dazu veranlasst, die Gewerkschaft als „wichtigen Partner“ bei „unseren Umstrukturierungsplänen und der Umsetzung der Kosteneinsparungen von 3 Milliarden Pfund“ zu loben.

CWU-Generalsekretär Dave Ward hat sich schon bereit erklärt, einem Angebot von 9 Prozent bei Royal Mail zuzustimmen und dabei „vernünftige Veränderungen“ zu akzeptieren.

Die Tory-Regierung stützt sich auf die Gewerkschaftsbürokratie, um die Massenopposition zu demobilisieren. Auf dieser Grundlage bereitet der Staat eine rücksichtslose Offensive vor. Sie basiert auf einem effektiven Anti-Streik-Gesetz, das Mindestdienstleistungen während eines Arbeitskampfs zwingend vorschreibt. Das Gesetz geht mit Geldstrafen von bis zu einer Million Pfund einher.

Die Times hat auch über Pläne berichtet, Angehörige der Streitkräfte einzusetzen, um Arbeitskämpfe im NHS zu brechen. Wie schon beim Streik der Notärzte 1989–1990 soll dabei das Protokoll „Military Aid to Civil Authorities“ zum Einsatz kommen. Dies könnte ausgeweitet und gegen alle streikenden Arbeiter eingesetzt werden. Wie ein Minister dazu erklärte, hätten bei einbrechendem Winter „viele Menschen [von den Störungen] die Nase voll“.

In der Politik verbreiten die Gewerkschaften mit der Labour Party zusammen die Lüge, dass es bis zur Wahl einer Labour-Regierung unter Sir Keir Starmer unmöglich sei, viel zu erreichen. Dabei wäre eine Starmer-Regierung bloß ein Wechsel an der Spitze. Sie würde die Kriegspolitik der Tories gegen die Arbeiter im eigenen Land fortsetzen und den Nato-Krieg gegen Russland weiter eskalieren.

Starmer erklärte diesen Monat gegenüber dem Unternehmerverband Confederation of British Industry, seine „Nato-Partei“ sei „für eine Partnerschaft bereit“, um Produktivität und Gewinne zu steigern und den Arbeitern Sparmaßnahmen aufzuerlegen. Sie werde „den Anteil der Schulden an unserer Wirtschaft verringern“. Zu dem Zweck werde er einen Rat für Industriestrategie einrichten, so Starmer, der sich auf „eine echte Partnerschaft zwischen Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften“ stützen werde.

Auf diese politische Verschwörung zur Durchsetzung von Sparmaßnahmen, Militarismus und Krieg müssen die Arbeiter reagieren.

Für sie besteht die grundlegende Aufgabe darin, dem Gewerkschaftsapparat die Kontrolle über ihr Schicksal zu entreißen. In jedem Betrieb müssen demokratisch gewählte Aktionskomitees aufgebaut werden, die sich in der wachsenden Streikwelle für die Einheit der Kämpfe und ihre Ausweitung auf einen Generalstreik einsetzen, mit dem Ziel, die Tories zu stürzen. Dies muss Teil der globalen Offensive der Arbeiterklasse sein, die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) aufzubauen.

Allerdings wirft der Sturz der Tories die Frage auf, was an ihre Stelle treten soll, da Labour keine Alternative bietet. So muss jeder Kampf gegen die Tories auch ein Kampf gegen Labour sein. Und das muss jetzt beginnen.

Die Socialist Equality Party ruft die Arbeiter auf, sofortige Parlamentswahlen zu verlangen, und zwar nicht erst, wenn die Gewerkschaftsbürokratie die Massenopposition der Arbeiterklasse verraten und ausverkauft hat. Dies muss unter Bedingungen geschehen, in denen der Klassenkampf neue und explosive Dimensionen annimmt.

Bei jeder Parlamentswahl wird die SEP kandidieren und dafür kämpfen, die Arbeiterklasse gegen die Sparpolitik, für die Eliminierung von Covid-19 und für ein Ende des Kriegs politisch zu organisieren. Wir werden dies in Opposition zu all denen tun, die versuchen, die Arbeiterklasse an Labour zu binden: die Gewerkschaftsbürokratie, die pseudolinken und stalinistischen Gruppen, sowie Jeremy Corbyn und die sogenannte Labour-„Linke“.

Wir rufen die Arbeiter, die mit diesem Programm übereinstimmen, auf, sich noch heute mit der SEP in Verbindung zu setzen.

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