Erich Vad und die militaristische Agenda hinter dem „Aufstand für Frieden“

In einer aktuellen Perspektive hat die World Socialist Web Site aufgezeigt, dass die Initiatoren des sogenannten „Aufstands für Frieden“ völlig andere Ziele verfolgen als die Mehrheit derer, die den Appell unterzeichnet haben. Während in ganz Europa der Widerstand gegen den Nato-Stellvertreterkrieg in der Ukraine wächst, missbrauchen Sahra Wagenknecht und Co. „die Opposition gegen den Krieg für eine nationalistische und militaristische Agenda“, schrieb die WSWS.

Wie richtig diese Einschätzung ist, unterstreicht die führende Rolle, die Figuren wie Brigadegeneral a.D. Erich Vad in der Initiative spielen. Bei Vad handelt es sich um einen glühenden Militaristen und langjährigen Insider des sicherheitspolitischen Apparats der Bundesrepublik. Auf der Kundgebung, die am Samstag vor dem Brandenburger Tor in Berlin stattfindet, wird Vad neben Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer einen der Hauptredebeiträge halten.

In den Medien warnt Vad regelmäßig vor einem „dritten Weltkrieg“ und kritisiert die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an das ukrainische Militär als „militärische Eskalation“, die eine gefährliche „Eigendynamik“ zu entfalten drohe.

Doch diese Kritik an der offiziellen Kriegspolitik formuliert er als eingefleischter Militarist. In der Talksendung „Maischberger“ führte er jüngst aus: „Ich bin nicht prinzipiell gegen Waffenlieferungen. Ich bin auch kein Pazifist. Ich bin auch nicht prinzipiell gegen Krieg.“ Der Bundesregierung mangele es an „Strategie und Zielsetzung“, um einen „Konflikt mit einer kriegerischen Nuklearmacht“ durchzustehen. Derzeit „verschleißen wir junge Männer mit einer hohen Kampfmoral jeden Tag hundertfach, tausendfach – für nichts“.

Der General weiß, wovon er spricht. Von 1992 bis 1995 war Vad im Internationalen Militärstab der Nato und im Generalsekretariat der Westeuropäischen Union eingesetzt, anschließend diente er im Führungsstab der Streitkräfte im Verteidigungsministerium und im United States Central Command, wo er für „Sonderoperationen in Bosnien und Herzegowina“ zuständig war. Nach einer weiteren Tätigkeit im Auswärtigen Amt unter Joschka Fischer wurde er 2001 verteidigungspolitischer Referent der CDU/CSU-Oppositionsfraktion im Bundestag.

In den Jahren 2006 bis 2013 war Vad Gruppenleiter im Bundeskanzleramt, Sekretär des Bundessicherheitsrates und Militärischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, und trat dabei Beobachtern zufolge als „einflussreichster General der Bundesrepublik“ hervor.

Nachdem Merkel ihn im Jahr 2010 zum General befördert hatte, um ihn länger als vorgesehen im Amt halten zu können, fiel Vad im Afghanistan-Krieg unter anderem die Aufgabe zu, das Kanzleramt im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Kundus-Massaker vor jeglicher Verantwortung abzuschirmen. Aktuell betätigt sich Vad als Rüstungslobbyist im Bundestag und berät unter anderem den Schweizer Waffenhersteller Ruag, sowie den Militärzulieferer Northrop Grumman Litef.

Wenn eine solche Figur die Bundesregierung kritisiert, dann tut sie dies vom Standpunkt der militärischen Interessen des deutschen Imperialismus. Besonders deutlich wird dies, wenn Vad in den Medien den angeblich „maroden“ Zustand der Bundeswehr und ihre „fehlende Einsatzbereitschaft“ beklagt. So bezeichnete er das Bundeswehr-Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das Kanzler Olaf Scholz (SPD) unmittelbar nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Bundestag verkündete, im Mai letzten Jahres als völlig ungenügend, um die deutsche Kriegsbereitschaft als „Daueraufgabe des Staates“ sicherzustellen.

Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland erklärte Vad wörtlich, die Rüstungsindustrie stehe vor der Aufgabe, „Kapazitäten in verschiedensten Bereichen schnellstmöglich zu erhöhen, dabei die vorausgesetzte Qualität zu liefern, auf vergaberechtliche Überprüfungen zu verzichten und die Bundeswehr als Premiumkunden jederzeit bestmöglich zu bedienen“. Dies setze ein „entsprechend hohes Niveau der Verteidigungsausgaben“ voraus.

Ursache der unzureichenden Militarisierung der Gesellschaft seien ein „deutscher Strukturpazifismus“ (Vad in der Neuen Zürcher Zeitung) und eine „unrealistische Hypermoral“ (Vad in Die Presse). Offenbar ist der General erbost darüber, dass Krieg und Aufrüstung aufgrund der deutschen Verbrechen in zwei Weltkriegen in großen Teilen der Bevölkerung verhasst sind.

Über die ideologischen Grundlagen von Vads Kriegspolitik hat die WSWS bereits im Jahr 2010 in einem Hintergrundartikel ausführlich berichtet. Der General publiziert in deutschnationalen Journalen aus dem Umfeld des rechtsradikalen „Instituts für Staatspolitik“ und ist erklärter Anhänger des Staatsrechtlers Carl Schmitt, der als „Kronjurist des Dritten Reiches“ zu den wichtigsten intellektuellen Wegbereitern und Bewunderern Hitlers zählte.

In einem Artikel mit dem Titel „Freund oder Feind – Zur Aktualität Carl Schmitts“, der im April 2003 in der rechtsextremen Zeitschrift Sezession erschien, befürwortete Vad Schmitts Konzeption eines „europäischen Großraums“, der „einen adäquaten Machtanspruch erheben“ und mit „angemessenen geopolitischen und geostrategischen Maßnahmen“ gegen „raumfremde Mächte“ vorgehen müsse. Anzustreben, so Vad, sei eine „gleichberechtigte Partnerschaft mit Amerika“, zu deren Umsetzung die damalige „politische Führung“ jedoch zu schwach sei.

Schmitts „Kollaboration mit dem NS-Regime“ verteidigte Vad im selben Artikel unter Bezugnahme auf den verstorbenen rechtsradikalen Historiker Ernst Nolte damit, dass dieses „allein in der Lage schien, den vollständigen Zusammenbruch zu verhindern“. In einem Text für die rechtsextreme Junge Freiheit wandte sich Vad gegen die Wehrmachts-Ausstellung und erklärte, es sei „nicht hinreichend erkennbar, dass vieles, was damals – insbesondere im Partisanenkrieg und bei Repressalien sowie Geiselerschießungen – geschah, vom damaligen Kriegsrecht gedeckt war“.

Dass ein derartiger Revisionist und aggressiver Militarist wie Vad eine prominente Figur beim sogenannten „Aufstand für Frieden“ ist, ist kein Versehen. Seine politische Orientierung und Ziele stimmen im Kern mit denen von Sahra Wagenknecht und ihrem Ehemann Oskar Lafontaine überein. Beide vertreten wie Vad ein extrem nationalistisches Programm und verfolgen das Ziel, den deutschen und europäischen Militarismus vor allem gegenüber den USA zu stärken.

In seinem jüngsten Buch bezeichnet Lafontaine „die Europäer, allen voran Deutschland“ als „treueste Vasallen“ der USA. Um „die Befreiung Europas von der militärischen Vormundschaft der USA“ durchzusetzen, sei „eine eigenständige europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ notwendig, so Lafontaine. Ein „gemeinsames Verteidigungsbündnis zwischen Deutschland und Frankreich“ müsse ferner in der Lage sein, seine militärischen Interessen sowohl gegen die USA, als auch gegen Osteuropa durchzusetzen.

Was Wagenknecht betrifft, so forderte sie in ihrer 2021 erschienenen Hetzschrift „Die Selbstgerechten“ die Schaffung eines nationalen „Schutzraums“, der sich gegen „linksliberalen Kosmopolitismus“, „urbane Eliten“, Flüchtlinge und Einwanderer richten müsse. Sowohl Lafontaine als auch Wagenknecht haben deutlich gemacht, dass ihre Initiative auch AfD-Politikern und rechtsextremen Akteuren offen steht, solange sie ihre Reichskriegsflaggen verbergen und auf „politische Propaganda für abstruse Ziele“ verzichten.

Die extrem rechte Agenda der führenden politischen Köpfe hinter dem Friedensappell ist eine Warnung. Mit Militaristen, Nationalisten und Rechtsextremen kann man keine Bewegung für den Frieden aufbauen. Wer die Waffenlieferungen und das Kriegstreiben der Bundesregierung und ihrer Nato-Verbündeten ablehnt und die Gefahr eines dritten Weltkriegs stoppen will, braucht eine klare politische Perspektive und Orientierung.

Die einzige Möglichkeit, eine Katastrophe zu verhindern, besteht in der Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus und die nationalen Eliten, die sich in jedem Land Tag für Tag am Krieg bereichern. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale und seine Sektionen – in Deutschland die Sozialistische Gleichheitspartei – kämpfen dafür, der weit verbreiteten Opposition gegen Krieg einen progressiven Ausdruck zu verleihen und sie mit einem sozialistischen Programm zu bewaffnen.

Zu diesem Zweck werden die World Socialist Web Site und die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) am Samstag um 19 Uhr eine Online-Veranstaltung ausrichten, auf der führende Sozialisten aus Deutschland, Australien und den USA allen Spielarten des Nationalismus und Militarismus entgegentreten und eine Strategie für die Arbeiterklasse und die Jugend entwickeln, um dem imperialistischen Krieg ein Ende zu setzen.

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