Baerbocks „feministische“ Kriegspolitik

Am Mittwoch stellten Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) medienwirksam ihre „Leitlinien für eine feministische Außenpolitik“ vor. Das so absurde wie reaktionäre Projekt verfolgt zwei Ziele: es soll den wirklichen Charakter der deutschen Kriegspolitik verschleiern und wohlhabende Mittelschichten, die auf Fragen der Identitätspolitik fixiert sind, für den deutschen Imperialismus mobilisieren.

Baerbock auf einem informellen Treffen der Nato-Außenminister in Berlin am 15. Mai 2022 [AP Photo/Michael Sohn]

Im Zentrum der Leitlinien steht die Behauptung, die Welt sei „friedlicher und stabiler“, wenn Frauen und feministische Grundsätze eine größere Rolle in der Außenpolitik spielten. Die Leitlinien treten dafür ein, den Anteil der Frauen im Auswärtigen Amt zu erhöhen und „eine Botschafterin für feministische Außenpolitik“ zu ernennen, der ein ganzer Stab „Feministische Außenpolitik“ zugeordnet wird. Ziel sei es, „dass die Grundsätze der feministischen Außenpolitik in alle außenpolitischen Strategien integriert werden“.

An keiner Stelle des Papiers wird wirklich erklärt, was das konkret bedeutet. Aber der beste Beweis für den reaktionären Charakter des Projekts ist Baerbock selbst. Seitdem sie als erste Frau das Auswärtige Amt führt, ist die deutsche Außenpolitik nicht friedlicher geworden, sondern noch kriegerischer und militaristischer. Im vergangenen Jahr wurde mit dem Bundeswehr-Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro nicht nur die größte deutsche Aufrüstungsoffensive seit Hitler auf den Weg gebracht. 82 Jahre nach dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion rollen wieder deutsche Kampfpanzer gegen Russland.

Baerbock gehört zu den Kräften innerhalb der Bundesregierung, die den Kriegskurs am aggressivsten vorantreiben. Sie trommelt unablässig für mehr und noch tödlichere Waffenlieferungen an die Ukraine und spricht offen aus, dass Deutschland und die Nato, Krieg gegen die Atommacht Russland führen. „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander“, erklärte sie in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Ende Januar.

Im Zuge der von den Grünen vehement unterstützten US- und Nato-Kriege im Nahen und Mittleren Osten, Nordafrika und Zentralasien kamen Hunderttausende ums Leben – darunter auch viele Frauen und Kinder. Das gleiche gilt für die deutsch-europäische Flüchtlingspolitik. Tausende Männer, Frauen und Kinder, die vor Krieg, Armut und Unterdrückung fliehen, zerschellen jedes Jahr an der „Festung Europa“.

Bezeichnenderweise brüsten sich die Leitlinien damit, dass Frauen bei der Ausarbeitung dieser mörderischen Politik bereits jetzt eine zentrale Rolle spielen. „Als wir in der NATO im vergangenen Jahr das strategische Konzept verhandelt haben, war es immer wieder eine überregionale Gruppe engagierter Außenministerinnen, die sich abgestimmt und ausgetauscht haben, so dass insbesondere der Fokus auf die menschliche Sicherheit stark verankert wurde,“ heißt es im Papier.

Um welche „menschliche Sicherheit“ es sich dabei handelt, bleibt Baerbocks Geheimnis. Konkret geht es im neuen Strategischen Konzept der Nato um die Vorbereitung auf einen nuklearen dritten Weltkrieg gegen Russland und China. U.a. heißt es darin: „Wir werden einzeln und kollektiv das volle Spektrum an Streitkräften ... liefern, das zur Abschreckung und Verteidigung benötigt wird, und zwar auch für hochintensive dimensionsübergreifende Kriegsführung gegen gleichwertige Wettbewerber, die Kernwaffen besitzen.“

Alle „feministischen“ Phrasen und Konzepte in den Leitlinien – wie „Gender budgeting“, „Gendermainstreaming“ und „Gleichstellung, Diversität und Inklusion“ – bilden lediglich die Begleitmusik zu einer imperialistischen Außenpolitik, die mit militärischen Mitteln durchgesetzt wird. Baerbock und Schulze geben das in ihrem Dokument de facto selbst zu.

„Feministische Außenpolitik hält keine Zauberformel bereit, mit der sich unmittelbare Bedrohungen bewältigen lassen“, schreiben sie. „Russlands Krieg gegen die Ukraine“ zeige, „dass im Angesicht brutaler Gewalt Menschenleben auch mit militärischen Mitteln geschützt werden müssen“. Deshalb sei „feministische Außenpolitik nicht gleichbedeutend mit Pazifismus“. Sie erkenne vielmehr „außenpolitische Realitäten an“ und stelle „sich den daraus erwachsenden Dilemmata. Sie hat sowohl Werte als auch Interessen deutscher Außenpolitik im Blick.“

Mit anderen Worten: es geht letztlich um die Durchsetzung geostrategischer und wirtschaftlicher Interessen. Und wenn es die „außenpolitischen Realitäten“ verlangen, erfordern die „Dilemmata“ eben auch die enge Zusammenarbeit mit den reaktionärsten Regimen der Welt. Hier nur einige Beispiele:

Im vergangenen Juli rollte Baerbock gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dem ägyptischen Militärdiktator Abdelfattah al-Sisi in Berlin den roten Teppich aus. Wenn die Bezeichnung „Massenmörder“, die die Grünen regelmäßig gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ins Feld führen, auf einen Regierungschef zutrifft, dann auf den Schlächter von Kairo.

Al-Sisi, der sich vor fast genau zehn Jahren nach Massenprotesten gegen den islamistischen Präsidenten Mohamed Mursi an die Macht putschte, führt ein vom Westen unterstütztes Terrorregime. Zehntausende politische Gefangene schmoren in den Foltergefängnissen des Landes, Proteste und Streiks sind gesetzlich verboten und regimekritische Medien und Organisationen werden unterdrückt.

Al-Sisis blutige Diktatur begann mit einem Massaker, das Human Rights Watch als das „schlimmste Ereignis ungesetzlicher Massentötungen in der modernen Geschichte Ägyptens“ bezeichnete. Im August 2013 stürmten von al-Sisi kommandierte Armee- und Polizei-Kräfte zwei Protestcamps von Putschgegnern in der ägyptischen Hauptstadt Kairo und töteten mehr als 1000 Personen, darunter zahlreiche Frauen (!) und Kinder. Seitdem wurden immer wieder Protestierende von Sicherheitskräften umgebracht.

Weitere wichtige Bündnispartner der Bundesregierung sind die ultra-reaktionären Golfmonarchien, in denen Frauen, Gastarbeiter und Minderheiten nicht einmal auf dem Papier über elementare Grundrechte verfügen. Erst vor wenigen Tagen traf Baerbock im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz mit dem saudi-arabischen Außenminister Prinz Faisal al-Saud zusammen, um „Sicherheitsfragen“ in der Region zu besprechen.

Baerbock und der saudi-arabische Außenminister Prinz Faisal al-Saud auf der Münchner Sicherheitskonferez 2023 [AP Photo/Sven Hopee/Pool Photo]

Das saudische Regime führt seit Jahren einen mörderischen Krieg im Jemen, der bereits Hunderttausenden das Leben gekostet hat. Öffentliche Hinrichtungen mit dem Schwert sind in Saudi-Arabien an der Tagesordnung, und Regimegegner werden auf Geheiß der Regierung beiseitegeschafft. So war etwa der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman direkt in den bestialischen Mord am saudi-arabischen Journalisten und Regimegegner Jamal Khashoggi involviert.

Es passt ins Bild, dass die Leitlinien Saudi-Arabien und Ägypten mit keinem Wort erwähnen. Dagegen findet sich ein ausführlicher Abschnitt zum Iran. Wie immer werden Menschenrechtsverletzungen nur in Bezug auf die Länder erwähnt, die im Fadenkreuz des deutschen Imperialismus stehen. „Bündnispartner“ werden dagegen hofiert und über den grünen Klee gelobt.

In Baerbocks Dokument nimmt das absurde Züge an. So wird das Scheichtum Katar, das für seine mörderische Ausbeutung von Arbeitsmigranten und Migrantinnen berüchtigt ist – allein beim Bau der Fußballstadien für die WM 2022 sind Tausende ums Leben gekommen – ernsthaft als Vorkämpfer für Frauenrechte dargestellt. So habe die „von Deutschland, Großbritannien, Katar und den Vereinten Nationen gemeinsam veranstaltete humanitäre Geberkonferenz für Afghanistan im März 2022 … einen Schwerpunkt auf die humanitäre Lage von Frauen und Mädchen“ gelegt, heißt es in den Leitlinien.

Wenn das Dokument „feministische“ Forderungen erhebt oder davon spricht, „unsere humanitäre Hilfe zu 100 % mindestens gendersensibel … umzusetzen“, hat das nichts mit dem Kampf für Frauenrechte zu tun. Es geht darum, Frauen und Minderheiten in den von der Bundesregierung ins Visier genommenen Ländern für die Durchsetzung imperialistischer Ziele und die Unterdrückung des Klassenkampfs zu missbrauchen.

„Bei Maßnahmen der Krisenprävention, Stabilisierung und Friedensförderung“ – die bekannten Euphemismen für das Führen völkerrechtswidriger Angriffskriege, die anschließende brutale Besatzung und die Errichtung von Stellvertreterregimes – „beziehen wir Frauen und marginalisierte Menschen systematisch ein, berücksichtigen geschlechtsspezifische Risiken und intersektionale Vulnerabilitäten,“ heißt es in den Leitlinien.

Der deutsche Imperialismus hat eine lange und dunkle Geschichte, wenn es darum geht, seine verbrecherische Außenpolitik mit hochtrabenden Phrasen zu bemänteln. Im Ersten Weltkrieg rechtfertigten die kaiserliche Regierung und die kriegslüsternen Mittelschichten, die sie unterstützten, die deutsche Kriegsmaschinerie im Namen der Verteidigung der deutschen Kultur. Heute tun sie es unter anderem im Namen des „Feminismus“. Die dahinter stehenden räuberischen Interessen sind die gleichen.

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