Eine Ausstellung in Berlin: Der Künstler George Grosz in der Sowjetunion im Jahr 1922

Das kürzlich eröffnete Kleine Grosz Museum in Berlin zeigt derzeit eine Ausstellung über den Besuch des linken deutschen Künstlers George Grosz in der Sowjetunion im Jahr 1922 (1922: George Grosz reist nach Sowjetrussland). Die Ausstellung läuft noch bis zum 1. Mai 2023.

Die Ausstellung zeigt eine Reihe von Zeichnungen und Fotos, die sich mit dieser Reise des Künstlers befassen, sowie eine Reihe weiterer Werke von Grosz, die belegen, dass er mit seiner künstlerischen Arbeit die Kommunistische Partei Deutschlands auch nach 1922 unterstützte.

George Grosz, 1921

Eine Begleitbroschüre zur Ausstellung bietet einen umfassenden Überblick über das betreffende Jahr und geht auf die politischen Entwicklungen sowohl in der Sowjetunion als auch in Deutschland sowie auf die rasch wachsende Zusammenarbeit zwischen führenden Künstlern beider Länder ein. So erfährt man beispielsweise, dass der Volkskommissar für Aufklärung, Anatoli Lunatscharski, Grosz' Werk sehr schätzte, während der neben Lenin wichtigste Führer der Oktoberrevolution, Leo Trotzki, davon weniger beeindruckt war (mehr dazu weiter unten).

Bisher fehlte es an konkretem Material, das Grosz' viermonatigen Aufenthalt in der Sowjetunion beschreibt.

Grosz war ein produktiver Karikaturist und Maler. Die Ausstellung zeigt einige schnell gezeichnete Skizzen von Landschaften in Norwegen, als Grosz und sein Reisebegleiter, der dänische Schriftsteller Martin Anderson Nexö (Autor von Pelle der Eroberer), durch das Land reisten, bevor sie in die Sowjetunion gelangten. Spätere Skizzen gibt es jedoch nicht, obwohl die beiden Männer geplant hatten, ein Buch mit Texten von Nexö und Illustrationen von Grosz zu veröffentlichen.

Während seines Aufenthalts in Moskau und Petrograd nahm Grosz an den Feierlichkeiten zum fünften Jahrestag der Oktoberrevolution teil und besuchte auch die Sitzungen des Vierten Kongresses der Komintern (November-Dezember 1922), wo er Reden sowohl von Wladimir Lenin als auch von Trotzki hörte. Grosz traf sich mit führenden Mitgliedern der Kommunistischen Partei Russlands, vor allem mit Karl Radek und Lunatscharski, sowie mit führenden russischen Künstlern, darunter dem Konstruktivisten Wladimir Tatlin.

Es stellt sich die Frage: Was ist aus dem geplanten Buch mit Illustrationen von Grosz geworden? Die neue Ausstellung in Berlin enthält zwar Material, das aus Recherchen in 2021 noch zugänglichen russischen Archiven stammt, kann diese Frage jedoch nicht vollständig beantworten.

In seiner Autobiografie Ein kleines Ja und ein großes Nein, die er mehr als zwei Jahrzehnte später und zu einer Zeit verfasste, als Grosz mit seinen früheren linken Sympathien gebrochen hatte, äußert er sich ziemlich negativ über seine Reise in die Sowjetunion.

1922 hatte das riesige Land, der erste Arbeiterstaat der Geschichte, einen vierjährigen Bürgerkrieg hinter sich, der von konterrevolutionären weißen Truppen, Kosaken und Schichten der russischen Bourgeoisie geführt wurde, die von Großbritannien, Frankreich, den USA und Japan unterstützt wurden. Ohne auf die Folgen des Krieges und das vom Zarismus überkommene Erbe von Armut und Rückständigkeit einzugehen, stellte Grosz in diesem Buch lediglich fest, dass das Alltagsleben „schmutzig und lausig, die große Mehrheit der Menschen arm und ungebildet und die Funktionäre hinterhältig und unaufrichtig“ seien. Nach Grosz' Meinung befand sich das Land „in einem für westeuropäische Verhältnisse schrecklichen Zustand des Verfalls“. Sein Kapitel über Sowjetrussland fehlte in der ersten amerikanischen Ausgabe des Buches von 1946 und wurde erst 1953 veröffentlicht.

Fotos vom 4. Kongress der Komintern, aus der aktuellen Ausstellung

In seinen Memoiren erwähnt Grosz auch seine Gespräche mit Radek und Lunatscharski im Jahr 1922 und behauptet, dass er deren Befürwortung einer so genannten „proletarischen Kunst“ ablehnte. In seiner Autobiografie schrieb Grosz: „Der Name war schlecht gewählt. Eine proletarische Kultur kann es nicht geben, wenn man den Sinn des Wortes nicht grob entstellt. Der Proletarier entwickelt sich zur Kultur hin, er war also kein Proletarier mehr in dem Sinne, in dem das Wort bisher verstanden wurde.“

In Wirklichkeit war Leo Trotzki der prominenteste Gegner der Vorstellung, dass es möglich sei, eine lebensfähige „proletarische Kunst“, einen Arbeiterstil, zu schaffen, der mit der Entwicklung der bürgerlichen Kultur vergleichbar sei. In seinem Buch Literatur und Revolution (1923) befasste er sich ausführlich mit dieser Frage. Lenin war in dieser Frage sein konsequenter Verbündeter.

Grosz schien, wenn man seiner Autobiografie folgt, mit Trotzki übereinzustimmen, was die Undurchführbarkeit proletarischer Kunst betrifft, aber Trotzki war von den Arbeiten des deutschen Künstlers offensichtlich nicht sehr beeindruckt. Das Ausstellungsmaterial enthält ein Zitat des amerikanischen Sozialisten Max Eastman, der 1922 ebenfalls an Sitzungen der Komintern in Moskau teilnahm. In seinem Buch Love and Revolution erinnert sich Eastman: „Sogar Trotzki, so erinnere ich mich, schob ein Buch mit diesen [Grosz-Karikaturen], das George ihm geschenkt hatte, mit zögernder Geste zur Seite. ‚Mir erscheinen sie eher zynisch als revolutionär‘, sagte Trotzki.“

Um Trotzkis Reaktion zu verstehen, ist es sinnvoll, den Werdegang und die Entwicklung von Grosz, eines der führenden Künstler der Weimarer Republik, genauer zu betrachten.

Georg Ehrenfried Groß, so sein eigentlicher Name, wird am 26. Juli 1893 in Berlin-Mitte als Sohn eines Gastwirtsehepaares geboren. Die Familie lebt im Arbeiterviertel Wedding. Nach dem frühen Tod des Vaters 1902 zieht die Mutter mit dem Sohn nach Stolp in Pommern (heute polnisch Słupsk), wo die Mutter die Bewirtschaftung eines Offizierskasinos übernimmt.

Seine künstlerische Ausbildung erhält er von 1909 bis 1912 an der Königlich Sächsischen Kunstgewerbeschule in Dresden, von der er jedoch verächtlich mitteilt, sie habe vor allem aus der „Wiedergabe von Gipsabgüssen in Originalgröße“ bestanden.

Grosz war, wie er selbst berichtet, in jener Zeit vollkommen unpolitisch, verstand sich dennoch als Teil einer Rebellion gegen die „Obrigkeit“, die er in seiner Schulzeit mit dem Rohrstock und später mit dem Polizeisäbel kennengelernt hat.

Nach dem Diplom kann er mit einem Staatsstipendium in Berlin weiterstudieren. Grosz besucht in Berlin Ausstellungen moderner Kunst, aber auch Jahrmärkte, Kneipen und Tanzlokale. Überall skizziert er Figuren und Szenen. Im Frühjahr 1913 kann er für acht Monate nach Paris gehen, wo er ebenfalls die Atmosphäre und die Menschen studiert. Er nimmt Unterricht im Aktzeichnen und lässt sich von Honoré Daumier und Henri de Toulouse-Lautrec inspirieren.

Grosz liest auch viel und vertieft sich dabei in Autoren wie Strindberg, Gustave Le Bon, Tolstoi und Nietzsche. Die recht misanthropische Einstellung des jungen Künstlers zu dieser Zeit wurde am Vorabend des Ersten Weltkriegs besonders deutlich. Während er in Berlin in Armut lebt, versucht Grosz, sich wie ein Dandy zu kleiden, um sich von der Masse zu distanzieren, für die „das Dümmste, Dümmste und Geschmackloseste gut genug ist“ (Grosz in einem Brief von 1933).

Wie viele andere junge Künstler dieser Zeit meldet sich Grosz bei Kriegsausbruch 1914 freiwillig zum Militärdienst, wird aber 1915 nach einer Operation wegen einer Nasennebenhöhlenentzündung vorläufig als dienstuntauglich entlassen. 1916 anglisierte er seinen Namen in George Grosz, ähnlich wie sein Freund John Heartfield (eigentlich Helmut Herzfeld), um gegen den deutschen Nationalismus und den antibritischen Hurrapatriotismus zu protestieren.

Wie viele seiner europäischen Zeitgenossen – darunter auch sein späterer Freund Bertolt Brecht – betrachtete Grosz Amerika bzw. eine romantisch-mythische Vorstellung von Amerika als freies, demokratisches Land mit großer Begeisterung.

Da er sich nach der Krankheit nicht wieder zum Dienst meldet, soll Grosz nach eigenen Angaben als Deserteur erschossen werden und wird nur durch das Eingreifen seines Mäzens Harry Graf Kessler gerettet. Im Januar 1917 wird Grosz erneut eingezogen, erleidet aber bereits zwei Tage später einen Nervenzusammenbruch. Unter Depressionen und Halluzinationen leidend, wird er in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Dort griff er einen Offizier an. Auf der Grundlage eines Gutachtens des berühmten Psychiaters Magnus Hirschfeld wird er schließlich Ende April 1917 wegen Dienstuntauglichkeit aus dem Militärdienst entlassen.

„Krieg war für mich Grauen, Verstümmelung und Vernichtung“, erklärt er. Noch während des Krieges erscheinen Gedichte und Lithografien von ihm in Franz Pfemferts Zeitschrift Die Aktion und in der Zeitschrift Neue Jugend, die von Heartfield und seinem Bruder Wieland Herzfelde herausgegeben und gedruckt wurde.

Dada und die Novembergruppe

Nach Kriegsende schloss sich Grosz der Berliner Dada-Bewegung an, die mit wilden Provokationen das Bildungsbürgertum und die Kunstszene der Stadt aufmischen wollte. Viele der dadaistischen Experimente haben bis heute Auswirkungen auf die Kunstwelt, darunter die Aktions- und Performancekunst, die freie Kombination von Wort und Bild und die Kunst der Collage, die von so unterschiedlichen Künstlern wie Hannah Höch, Heartfield und Grosz selbst damals entwickelt wurde.

George Grosz: Daum heiratet im Mai 1920 ihren pedantischen Automaten George, John Heartfield ist sehr froh darüber. Berlinische Galerie

Voller Abscheu über den Krieg wenden sich Grosz und viele Künstler und Intellektuelle in dieser Zeit nach links. Während des Spartakusaufstandes 1919 wird Grosz verhaftet, kann aber entkommen. Zusammen mit seinen Freunden Wieland Herzfelde, John Heartfield und dem Theaterregisseur Erwin Piscator tritt Grosz 1919 der neugegründeten Kommunistischen Partei bei. Sein Parteibuch erhält Grosz persönlich von Rosa Luxemburg. Er wird Mitglied der Novembergruppe, einer Künstlervereinigung, die sich als radikal und revolutionär versteht und eng mit dem sogenannten Arbeitsrat für Kunst zusammenarbeitet. Die KP-Führer Rosa Luxemburg und ihr Genosse Karl Liebknecht wurden während der Ereignisse von rechten Freikorps ermordet.

Als die Novembergruppe entgegen den ursprünglichen Zielen ihren politischen Anspruch weitgehend aufgab, bildete sich eine Opposition aus Grosz, Otto Dix und anderen KPD-nahen Künstlern. Sie wollten „ein Ausdruck der revolutionären Kräfte, ein Instrument der Notwendigkeiten unserer Zeit und der Massen sein ...“ (Veröffentlicht in der Zeitschrift Der Gegner, II/8-9, 1920/21)

Diese Persönlichkeiten begrüßten in der Oktoberrevolution die Möglichkeit einer Zukunft ohne Krieg und soziales Elend. Grosz suchte nach einem neuen „Realismus“, einer „Kunst, die Partei ergreift“ und der politischen und sozialen Situation gerecht wird.

Im Malik Verlag der Brüder Herzfeld(e) erscheint ab 1919 die Zeitschrift Die Pleite mit großformatigen Grosz-Zeichnungen, bissigen Karikaturen der sozialdemokratischen Parteiführer Friedrich Ebert und Gustav Noske, die die blutige Niederschlagung der Novemberrevolution 1918 und des Spartakusaufstandes angeordnet hatten, sowie Karikaturen von Militärs wie General Erich Ludendorff.

Die „Kunstlump“-Kontroverse

Die Umarmung des Kommunismus und der Arbeiterklasse durch Grosz und Heartfield ging nicht reibungslos vonstatten. Im Zuge der Straßenkämpfe in Dresden zwischen Arbeitern und Militärs, die 1920 den rechtsextremen Kapp-Putsch unterstützten, fielen Schüsse, die die Semper-Galerie der Stadt trafen, in der sich berühmte Sammlungen von Gemälden, Skulpturen und Fotografien befanden.

Ein Gemälde von Peter Paul Rubens wurde von einer Kugel getroffen, und Oskar Kokoschka, der expressionistische Künstler und Professor an der Dresdner Akademie der Bildenden Künste, gab eine Erklärung ab, in der er die Beschädigung eines wertvollen Kunstwerks bedauerte und argumentierte, dass das Gemälde mehr wert sei als das Leben der Menschen, die bei der Konfrontation getötet wurden. Grosz und Heartfield antworteten mit einer Breitseite gegen Kokoschkas Auffassung und die bürgerliche Kunst im Allgemeinen. Sie betitelten ihn „Der Kunstlump“. Grosz schrieb: „Wir begrüßen mit Freude die Kugeln, die in die Galerien und Paläste, in die Meisterwerke von Rubens, statt in die Häuser der Armen und der Arbeiterklasse schwirren.“

George Grosz, Revolution, 1925 [Photo: George Grosz Estate]

Natürlich verurteilen Kommunisten Kugeln, die auf Arbeiter zielen, aber Grosz' freudige Begrüßung von Kugeln, die auf ein „Meisterwerk“ treffen, ermutigten Ultralinke und Anarchisten, die das gesamte Erbe der bürgerlichen Kultur und Kunst anprangerten. Die „Kunstlump“-Kontroverse machte deutlich, dass es Grosz und Heartfield nicht gelungen war, mit der Art der Ultralinken und der Bohème zu brechen, die Trotzki in Literatur und Revolution und anderen Werken jener Zeit so scharf kritisierte.

In der Tat ähneln Grosz' Bemerkungen in seinem „Kunstlump“-Artikel auffallend den törichten Kommentaren des russischen Dichters Wladimir Majakowski. In den Dekreten des von ihm mitbegründeten Komitees der Futuristen forderte Majakowski ein Ende der „Gefangenschaft der Kunst in den Lagerräumen des menschlichen Genies, in Palästen, Kunstgalerien, Bibliotheken und Salons“. Raffael solle man wie einen Weißgardisten behandeln, und, so Majakowski: „Es ist an der Zeit, dass Kugeln an die Wände der Museen spritzen.“

„Siegfried Hitler“

Aufgrund seiner Erfahrungen im Krieg und danach, im Zuge der Niederschlagung der Novemberrevolution, erkannte Grosz, dass das Gespenst des Faschismus in der „demokratischen“ Weimarer Republik durchaus koexistieren und sogar gedeihen konnte. Grosz skizzierte Vertreter des Staatsapparates und der Rechten, die in ihrem Kampf gegen das Proletariat nicht vor den Methoden der Diktatur und des Polizeistaates zurückschreckten.

Bereits auf einer Fotolithografie von 1923 stellt Grosz „Siegfried Hitler“ dar, der, so ein Kommentator, „ein Bärenfell und andere Attribute aus der germanischen Mythologie“ trägt. Grosz fügt ein Zitat Hitlers hinzu: „Ich schlage vor, dass ich die Führung der deutschen Regierung übernehme“ und „Morgen wird es entweder eine nationale Regierung in Deutschland geben oder wir werden tot sein. Es gibt keine andere Alternative.“

Grosz reagierte auch sehr empfindlich auf die bürokratische Entartung in der Sowjetunion, die ihn dazu brachte, seine politischen Ansichten zu hinterfragen. 1923, nach dem Scheitern der deutschen Oktoberrevolution, reagierte Grosz, wie viele seiner künstlerischen und intellektuellen Zeitgenossen, mit wachsender Skepsis gegenüber der Arbeiterklasse. Die Arbeiter werden in seinem künstlerischen Schaffen zunehmend zu einer leidenden und manipulierbaren Masse. Grosz trat 1923 aus der KPD aus, blieb aber Anhänger und engagierte sich in der internationalen Roten Hilfe.

Zusammen mit Brecht und anderen führenden Kulturschaffenden in Deutschland kannte Grosz Trotzkis Opposition zu Stalin und seine Kritik an der verhängnisvollen Politik des „Sozialfaschismus“ der Stalinisten, bei der alle Mitglieder der SPD als Faschisten denunziert wurden. Die stalinistische Politik sabotierte eine Einheitsfront zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern und schuf die Voraussetzungen dafür, dass Hitler 1933 die Macht übernehmen konnte.

Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise karikiert Grosz in seinem Blatt Weltpolitiker (1931) weitsichtig die Situation zwei Jahre vor Hitlers Machtübernahme: Der britische Premierminister Ramsay MacDonald, der französische Premierminister Pierre Laval und der belgische Premierminister Henri Jaspar spielen Karten über die Zukunft Europas. Im Hintergrund zerschneidet der deutsche Reichskanzler Heinrich Brüning mit einem Rasiermesser eine Weltkarte. Vorne rechts sitzt Josef Stalin, der unbekümmert über seinem eigenen Spiel brütet. Weit davon entfernt, Stalin als Hoffnung des internationalen Proletariats darzustellen, zeichnet ihn Grosz als einen Mann, der bereit ist, sich den Machtspielen der führenden kapitalistischen Nationen anzupassen.

Während Nazi-Schläger sein Atelier plünderten, floh Grosz 1933 aus Deutschland an Bord eines Schiffes nach Amerika. Da es ihm nicht gelang, in den USA ein breites Publikum für seine Kunst zu finden, und er von der politischen Entwicklung in Deutschland bitter enttäuscht war, stand Grosz dem Kommunismus zunehmend feindselig gegenüber und wetterte auch heftig gegen den Trotzkismus.

Um Grosz' Bedeutung als Künstler zusammenzufassen, kann es hilfreich sein, sich an Trotzkis Einschätzung von Majakowski, einem Zeitgenossen und linken Künstlerkollegen, zu erinnern. „Ohne Übertreibung kann man sagen“, schrieb Trotzki im Mai 1930 nach dem Selbstmord des Dichters, „dass Majakowski den Funken eines Genies hatte. Aber es war kein harmonisches Talent. Denn woher sollte die künstlerische Harmonie in diesen Jahrzehnten der Katastrophe kommen, in der unversiegelten Kluft zwischen zwei Epochen? In Majakowskis Werk stehen die Gipfel neben abgrundtiefen Entgleisungen. Geniestreiche werden von trivialen Strophen, ja sogar von lauter Vulgarität getrübt“.

Grosz' sensibles künstlerisches Wesen und sein politisches Gespür ermöglichten es ihm, mehr als viele seiner Künstlerkollegen in Deutschland zu jener Zeit, wichtige gesellschaftliche Entwicklungen in seiner Kunst zu erfassen, anschaulich darzustellen und sogar vorherzusagen. Durch den Krieg traumatisiert und in die gesellschaftlichen Umwälzungen der Weimarer Zeit und die nachfolgenden Tragödien gestürzt, konnte sich Grosz jedoch nicht voll entfalten. Die Umstände hinderten ihn letztlich daran, um mit Trotzkis Worten zu sprechen, sich auf „harmonische Weise“ weiterzuentwickeln und reifer zu werden.

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