Deutsche Bank im Fokus der Finanzwelt

Ende letzter Woche richtete sich das Hauptaugenmerk der Finanzwelt auf die Deutsche Bank, die nach Vermögenswerten achtgrößte Bank Europas. Die Spitzen des finanziellen und politischen Establishments beteuerten, dass die Bank grundsolide sei – ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie in Wahrheit in erheblichen Schwierigkeiten steckt.

Es drängt sich förmlich die Frage auf, ob nach der Zwangsübernahme der Schweizer Großbank Credit Suisse durch die UBS die Deutsche Bank die nächste ist, die ihre Segel streichen muss. Im Freitagshandel fiel ihre Aktie zeitweise um bis zu 15 Prozent und beendete den Tag, zum dritten Mal in Folge, mit einem Minus von über 8 Prozent.

Am Montag erholte sich der Kurs zwar etwas, fiel am Dienstag aber erneut um 3 Prozent unter die Marke von 9 Euro. Damit summiert sich der Kursverlust in den letzten vier Wochen auf 23 Prozent. Noch am 27. Januar befand sich die Deutsche Bank-Aktie mit 12,32 Euro auf einem Einjahreshoch.

Ausgelöst wurde der jüngste Kursrückgang durch die Ankündigung der Deutschen Bank, eine Reihe ausstehender Anleihen vor ihrer Fälligkeit im Jahr 2028 zurückzukaufen. Wahrscheinlich verfolgte die Bank das Ziel, mit dieser Entscheidung den Finanzmärkten zu zeigen, dass ihre Liquiditätslage weiterhin gesichert sei. Offensichtlich aber hatte es genau den gegenteiligen Effekt, und die Anleger waren nach wie vor nicht überzeugt.

Die Zinssätze für fünfjährige Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) – ein Finanzinstrument, mit dem sich Anleger gegen einen Ausfall ihrer Schulden absichern – stiegen rapide, was bedeutet, dass zumindest für eine Kategorie von Anleihen die Ausfallwahrscheinlichkeit bei 30 Prozent liegt. Dieser Wert ist Berichten zufolge sogar höher als das Niveau während der Krise von 2008.

Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, auf deren Jahrespressekonferenz Anfang Februar 2023 in Frankfurt am Main. [AP Photo/Michael Probst, pool]

Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte umgehend auf den Einbruch der Aktienmärkte und wies Vergleiche zwischen der Deutschen Bank und der Credit Suisse vehement zurück.

Nach dem Gipfeltreffen der Europäischen Union am Freitag in Brüssel erwiderte Scholz auf die Frage, ob es ihr ebenso wie der Schweizer Bank ergehen könnte: „Es gibt keinen Anlass, sich irgendwelche Gedanken zu machen. Die Deutsche Bank hat ihr Geschäftsmodell grundlegend modernisiert und neu organisiert und ist eine sehr profitable Bank.“

Schöne Worte, jedoch belehrt uns die Geschichte eines Besseren! Die Deutsche Bank ist wie die Credit Suisse für ihre dubiosen Machenschaften bekannt und wurde 2011 im Bericht des US-Senats über den 2008er Crash wegen ihrer starken Beteiligung am Subprime-Betrug besonders hervorgehoben.

Scholz bescheinigte den europäischen Banken „eine hohe Stabilität“ und sowie eine „hervorragende Kapitalausstattung“, was der Arbeit der Behörden in den letzten Jahren und den „Anstrengungen der Banken selbst“ zu verdanken sei.

In der Tat nahm die Deutsche Bank während der letzten vier Jahre eine massive Umstrukturierung vor, die zu Tausenden von Entlassungen und einer Abkehr von riskanteren Geschäften führte. Allerdings bestehen weiterhin Vorbehalte hinsichtlich ihres Geschäfts mit amerikanischen Gewerbeimmobilien, das durch die Zinserhöhungen der US-Notenbank (Fed) im vergangenen Jahr und dem durch die Pandemie bedingten Rückgang der Nachfrage nach Büroflächen stark beeinträchtigt wurde.

Überdies stellte die Financial Times fest, dass „das inländische Privatkundengeschäft der Bank kaum rentabel arbeitet“.

Angesichts dermaßen zersetzender Kommentare verwundert es nicht, dass sich neben Scholz weitere europäische Regierungschefs schützend vor die Bank warfen.

Vorneweg eilte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der im Dienst der Finanzmärkte nicht vor diktatorischen Maßnahmen zurückschreckt, um die Renten anzugreifen. Er suggerierte, dass Spekulanten hinter dem Rückgang der Deutsche-Bank-Aktien stecken, und gab dann die obligatorische Erklärung ab, dass die Rahmenbedingungen für das europäische Bankensystem weiterhin äußerst robust seien.

Ebenso meldete sich der niederländische Premierminister Mark Rutte zu Wort und erklärte, die europäische Bankenunion und ihr Aufsichtssystem seien sicher und lieferten „absolute Gewissheit, dass die europäischen Banken sicher sind“.

Die Europäische Zentralbank (EZB) selbst gab keine offizielle Erklärung ab. Damit führt sie offenbar ihre Politik zum Thema der Credit Suisse fort, indem sie weiterhin beherzigt, dass Stellungnahmen die Situation noch verschlimmern könnten.

Allerdings wurden der Presse Äußerungen der EZB-Präsidentin Christine Lagarde vom Eurozone-Gipfel zugespielt. Dort soll sie beteuert haben, das Bankensystem der Eurozone sei „hochgradig resilient“ und verfüge über „umfangreiche Kapital- und Liquiditätsreserven“.

Dabei versuchte sie Befürchtungen zu zerstreuen, wonach die Zinserhöhungen der Zentralbanken im „Kampf gegen die Inflation“ – in Wahrheit geht es um die Unterdrückung von Lohnforderungen – zu wachsenden Problemen auf den Finanzmärkten führen.

Lagardes Meinung nach kann die EZB die Zinssätze anheben, um die Inflation zu bekämpfen, und gleichzeitig die Banken mit mehr Liquidität unterstützen. „Unser finanzpolitisches Arsenal ist bei weiten nicht erschöpft, und wir sind stets in der Lage, beides anzugehen“, soll sie gesagt haben.

Die Finanzanalysten sind in ihrer Beurteilung über die Auswirkungen der Entwicklungen bei der Deutschen Bank tief gespalten.

Stuart Graham von Autonomous Research sagte, dass sich die Anleger zwar Sorgen um die Bank machten, sein Unternehmen aber wegen ihrer „robusten“ Kapital- und Liquiditätsposition „relativ entspannt“ bleibe.  „Wir haben keinerlei Bedenken hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit der Deutschen Bank oder ihrer Vermögenswerte. Um es ganz klar zu sagen - die Deutsche ist NICHT die nächste Credit Suisse.“

Allerdings stellt sich die Frage, warum er es für erforderlich hält, dies so stark zu betonen.

Die Financial Times zitiert Andrew Coombs, einen Analysten der Citibank mit den Worten, dass die Anleger versuchten sich einen Reim auf den starken Aktienverfall zu machen, dies aber in „einem irrationalen Markt“ unmöglich sei.

Allerdings gibt es auch gänzlich andere Meinungen. Der Chefanalyst der Online-Handelsfirma IG, Chris Beauchamp, sagte: „Es sieht so aus, als ob die Bankenkrise noch nicht vollständig ausgestanden sei. Wir sind immer noch nervös und fürchten, dass ein weiterer Dominostein fällt. Und die Deutsche Bank ist eindeutig der nächste, den jeder im Kopf hat, ob zu Recht oder nicht.“

Wie die Australian Financial Review (AFR) berichtete, sagte Stuart Cole, der Chefmakroökonom von Equiti Capital, dass die Deutsche ähnlich wie die Credit Suisse dastehe. „Um endlich wieder auf einem soliden Fundament aufbauen zu können, hat sie verschiedene Umstrukturierungen und Führungswechsel durchgeführt, aber bisher scheint keine dieser Bemühungen erfolgreich gewesen zu sein“, erklärte er.

Die AFR berichtete auch über die Äußerungen von Naeem Aslam, Chief Investment Officer bei Zaye Capital Markets, der auf die steigenden Kosten von Kreditausfallversicherungen für die Deutsche Bank hinwies. Er schrieb in einer E-Mail-Notiz, die Deutsche sei „zu groß, um zu scheitern“, und falls sie dennoch gerettet werden müsste, würde dies „das unmittelbare Schicksal für viele weitere besiegeln“.

Ungeachtet der Beteuerungen von Regierungsvertretern und Finanzbehörden über die neue „Widerstandsfähigkeit“ des Bankensystems aufgrund der Vorschriften und Verfahren, die als Reaktion auf die Krise von 2008 eingeführt wurden, haben die Folgen der Credit-Suisse-Krise diese Illusion völlig entzaubert.

Denn der Schweizer Regierung, der Nationalbank und der Aufsichtsbehörde Finma wurde zu Recht vorgeworfen, dass sie sich für die Bankenrettung eigenmächtig über das vereinbarte Verfahren hinwegsetzten.

Daher versuchten die Beteiligten in einer Reihe von Erklärungen, veröffentlicht im Verlauf der letzten Tage, sich zu verteidigen. Hätten sie sich an die Regeln gehalten und eine staatliche Übernahme und eine Stabilisierung, eine sogenannte „Abwicklung“, organisiert, wäre es zu einer systemischen Krise des Bankensystems gekommen, so die Beamten.

Die erste Erklärung gab die Finma bereits am Donnerstag ab. Darin beteuerte sie, dass sie aufgrund der Dringlichkeit der Situation einseitig handeln musste. Später am gleichen Tag führte Thomas Jordan, der Präsident der Schweizerischen Nationalbank, aus, dass eine „Abwicklung“ die Gefahr eine Systemkrise bedeutet hätte.

Eine Ab­wicklung der Bank wäre unter normalen Umständen theoretisch möglich gewesen, sagte Jordan. Aber wegen der Bankenkrise in den USA und der enormen Nervosität auf den Finanzmärkten sei das Umfeld unsicher und fragil. „In einer solchen Phase eine Abwicklung zu initiieren hätte zum Auslöser für eine globale Finanzkrise werden können.“

Damit hat Jordan wohl mehr gesagt, als ihm vermutlich lieb ist. Denn wenn eine Abwicklung nur unter „normalen“ Umständen, nicht aber in einer Krise möglich ist, dann ist sie im Falle eines größeren Zusammenbruchs wie der Credit-Suisse-Krise überhaupt nicht möglich.

In einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung vom Samstag ging die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter sogar noch weiter, inndem sie kurzerhand das gesamte globale Regulierungssystem in Frage stellte, das nach dem Crash von 2008 geschaffen wurde, um eine Neuauflage zu verhindern.

Sie erklärte, dass das Befolgen der Notfallprotokolle für den Zusammenbruch von Großbanken, wie im Fall der Credit Suisse, „eine internationale Finanzkrise ausgelöst hätte“.

„Ich persönlich bin zu dem Schluss gekommen“, sagte sie, „dass eine global tätige, systemrelevante Bank nicht einfach nach dem ‚too big to fail‘-Plan abgewickelt werden kann. Rechtlich wäre dies zwar möglich. In der Praxis wäre der wirtschaftliche Schaden jedoch beträchtlich.“

Die Konsequenzen aus dieser Aussage sollten ernsthaft überdacht werden.

Denn sie bedeutet, dass die unzähligen Diskussionsstunden, an denen die obersten Regierungsebenen, Finanzaufsichtsbehörden, Vertreter großer Banken und Finanzunternehmen beteiligt waren, und die Erstellung komplexer Computermodelle, die eine Krise wie die von 2008 oder noch Schlimmeres verhindern sollten, völlig wertlos sind.

Die gewaltigen Gefahren, die von dem toxischen Banken- und Finanzsystem ausgehen, müssen als das wahrgenommen werden, was sie tatsächlich darstellen: Sie gefährden den Wirtschaftsablauf und damit die Arbeitsplätze, den Lebensstandard und die Existenzgrundlage von Milliarden Arbeitern und ihren Familien in aller Welt. Deshalb können die existenziellen Risiken auch nicht durch irgendeine Art von „Reform“ des Systems beendet werden. Es gibt keine einzige derartige Reform! Die Erfahrungen der letzten 15 Jahre bezeugen dies.

Angesichts der sich ständig verschärfenden Banken- und Finanzkrise sind die sozialistischen Argumente für die Abschaffung des Privateigentums an den Banken und Finanzgiganten und deren Überführung in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle unbestreitbar geworden.

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