Perspektive

Finnlands Nato-Mitgliedschaft bereitet eine noch größere Eskalation des Kriegs gegen Russland vor

Am Montag kündigte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg an, dass Finnland am heutigen Dienstag als 31. Mitglied des US-geführten Militärbündnisses aufgenommen werde. Ende letzter Woche hatte die Türkei als letztes Nato-Mitglied dem Vorschlag zugestimmt.

Stoltenberg rühmte sich, dass dies „der schnellste Ratifizierungsprozess in der modernen Geschichte der Nato“ gewesen sei und der Beitritt „innerhalb weniger Tage“ erfolgen werde. Diese Geschwindigkeit ist kein Zufall. Sie steht in engem Zusammenhang mit den Plänen der USA für eine Frühjahrsoffensive in der Ukraine, die mit einer umfangreichen militärischen Aufrüstung an der russischen Grenze einhergehen wird.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (Mitte) spricht mit dem finnischen Verteidigungsminister Antti Kaikkonen (rechts) und dem finnischen Außenminister Pekka Haavisto (links) vor einem Treffen in Brüssel, 20. März 2023 [AP Photo/Olivier Matthys]

Die Vereinigten Staaten, Deutschland und andere Nato-Mitglieder entsenden Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und tausende von in Nato-Ländern ausgebildeten ukrainischen Soldaten in den Konflikt, während sie gleichzeitig Pläne für die Stationierung von zehntausenden Nato-Truppen in der Nähe der russischen Grenze schmieden.

Derzeit grenzen fünf Nato-Staaten an Russland: Estland, Lettland, Litauen, Polen und Norwegen. Mit dem Beitritt Finnlands wird sich die Nato-Grenze de facto verdoppeln. Das Land weist mit 830 Meilen unter allen Ländern Europas die längste Landgrenze zu Russland auf.

Die finnische Grenze ist nur 160 Kilometer von St. Petersburg entfernt, einem der wichtigsten wirtschaftlichen und politischen Zentren Russlands. Finnland kontrolliert wichtige Seewege, die von Russland genutzt werden, und spielt eine wichtige Rolle im Kampf um die Vorherrschaft in der Ostsee und der Arktis.

Die erweiterte Landgrenze zwischen der Nato und Russland wird gegenwärtig massiv aufgerüstet. Am 18. März meldete Politico: „In den kommenden Monaten wird das Bündnis seine Bemühungen um die Zusammenführung von Ausrüstung entlang der Ostflanke des Bündnisses beschleunigen und zehntausende Streitkräfte benennen, die den Verbündeten kurzfristig zu Hilfe kommen können.“

Die „Ostflanke“ der Nato ähnelt zunehmend den Kampflinien der Ostfront im Zweiten Weltkrieg, die sich von Finnland bis zur Ukraine erstreckte. Die Aufnahme Finnlands in das Nato-Bündnis ist von enormer historischer Bedeutung, da das Land während des Zweiten Weltkriegs ein wichtiger Verbündeter Nazi-Deutschlands war und eine entscheidende Rolle im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion spielte – unter anderem bei der Belagerung von Leningrad, dem heutigen St. Petersburg.

Die Entscheidung, die Nato weiter auszudehnen, untergräbt auch alle Behauptungen, die von der Biden-Regierung und den Medien über einen „unprovozierten Krieg“ aufgestellt wurden. Nach der Darstellung, die das Weiße Haus verbreitet, handelt es sich bei dem Krieg in der Ukraine um einen „optionalen Krieg“ („War of Choice“), der im Februar 2022 von einem einzigen Mann begonnen wurde. Putin hat den Krieg begonnen, und nur Putin kann ihn beenden – indem er die russischen Truppen dorthin zurückzieht, wo sie letztes Jahr waren, wie das Weiße Haus immer wieder behauptet.

Auch wenn der Konflikt zwischen USA/Nato und Russland an der ukrainischen Grenze ausgebrochen ist, so ist er doch das Ergebnis eines jahrzehntelangen Bestrebens des US-Imperialismus, Russland einzukreisen, zu schwächen und letztlich aufzuspalten und zu zerstückeln, um einen Konflikt mit China vorzubereiten.

Während und nach der Auflösung der Sowjetunion setzten sich die Vereinigten Staaten aktiv für die Aufnahme der osteuropäischen Staaten in die Nato ein und schürten gleichzeitig nationalistische Bewegungen in Russland, um Instabilität zu schaffen und das Land zu spalten.

Seit 1990 sind 13 Staaten der Nato beigetreten, wodurch sich ihre Mitgliederzahl praktisch verdoppelt hat. In diesem Zeitraum wurde die Grenze der Nato um 1300 Kilometer nach Osten verschoben.

Im Jahr 1998 stimmte der US-Senat dafür, die Nato um Polen, Ungarn und die Tschechische Republik zu erweitern. „Dies ist in der Tat der Beginn von weiteren 50 Jahren Frieden“, sagte Joe Biden, damals Senator. Am 15. Juni 2001 erläuterte US-Präsident George W. Bush in einer Rede in Warschau seinen „Plan zur Erweiterung der Nato“, in dessen Zuge ein Ring von Ländern geschaffen werden solle, der „von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer“ reichen würde.

Im Jahr 2004 wurde die Nato erneut ausgedehnt und um sieben weitere Länder erweitert: Estland, Lettland, Litauen, die Slowakei, Slowenien, Bulgarien und Rumänien. Alle diese osteuropäischen Staaten waren während des Kalten Krieges entweder Teil der Sowjetunion oder deren Satellitenstaaten.

Kroatien und Albanien traten der Nato im Jahr 2009 bei. Montenegro trat 2017 bei, und Nordmazedonien trat 2020 bei.

Der Ukrainekrieg selbst wurde durch die Weigerung der Biden-Regierung angezettelt, über Russlands Forderung nach einer Garantie gegen eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zu verhandeln. Die Invasion war die reaktionäre und skrupellose Antwort der Putin-Regierung – die eine Fraktion der russischen Oligarchie vertritt – auf die imperialistische Einkreisung.

Als die Clinton-Regierung im Jahr 1997 eine Kampagne lancierte, die Tschechische Republik, Ungarn und Polen in die Nato aufzunehmen, räumte George F. Kennan – Stratege des Kalten Krieges und Urheber der „Containment“-Theorie – ein, dass „irgendwie und irgendwo beschlossen worden ist, die Nato bis an die Grenzen Russlands auszuweiten“. Er warnte davor, dass „die Erweiterung der Nato der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der gesamten Nachkriegszeit sein würde“.

In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten haben das gesamte politische Establishment und die US-amerikanischen Medien die Nato-Osterweiterung und die Bemühungen, einen Konflikt mit Russland zu provozieren, begrüßt. Dieses Kriegsfieber wurde von der Erklärung begleitet, dass jede Opposition gegen die Nato-Erweiterung „russische Propaganda“ sei.

Über den im vergangenen Jahr ausgebrochenen Konflikt schrieb der Politikwissenschaftler John Mearsheimer: „Im Westen herrscht die Ansicht vor, dass Russland ein irrationaler, unnahbarer Aggressor ist, der ein Großrussland nach dem Vorbild der ehemaligen Sowjetunion schaffen will. Daher trage es allein die volle Verantwortung für die Ukraine-Krise.“

Doch, so fuhr er fort, „diese Geschichte ist falsch. Der Westen, und insbesondere Amerika, ist hauptverantwortlich für die Krise, die im Februar 2014 begann. Sie hat sich inzwischen zu einem Krieg entwickelt, der nicht nur die Ukraine zu zerstören droht, sondern auch das Potenzial hat, zu einem Atomkrieg zwischen Russland und der Nato zu eskalieren.'

In dem Bemühen, alle rationalen Gedanken über den Krieg in einem Strom von Kriegspropaganda zu ertränken, wird die Vorgeschichte des Krieges in jeder Darstellung des Krieges in den US-Medien ignoriert.

Im Vorwort zu Dreißig Jahre Krieg: Amerikas Griff nach der Weltherrschaft 1990–2020 schrieb David North, Vorsitzender der internationalen Redaktion der World Socialist Web Site, über die Bedeutung der Erklärung des damaligen Präsidenten Barack Obama, dass die USA zur Verteidigung des Nato-Mitglieds Estland in den Krieg ziehen würden.

Wie groß ist wohl der Prozentsatz der amerikanischen Bevölkerung, der weiß, dass Präsident Barack Obama die USA formell verpflichtet hat, das kleine baltische Estland im Falle eines Konflikts mit Russland zu verteidigen? Die Medien haben es taktvoll vermieden, den Präsidenten zu fragen, wie viele Menschen im Falle eines Atomkriegs zwischen USA und China oder Russland oder beiden zugleich sterben würden.

Die Nato-Erweiterung um Finnland hebt die Gefahr eines direkten Krieges zwischen den USA und Russland, den beiden größten Atommächten, auf ein neues Niveau.

Obwohl im Ukrainekrieg bereits hunderttausende Menschen ihr Leben verloren haben, sind die Vereinigten Staaten entschlossen, den Konflikt massiv auszuweiten und ganz Europa und die gesamte Menschheit mit einer Katastrophe zu bedrohen. Dieser Krieg muss gestoppt werden. Es ist dringend notwendig, eine internationale Massenbewegung gegen den Krieg aufzubauen, die auf die wachsenden Kämpfe der Arbeiterklasse ausgerichtet und mit einem sozialistischen Programm bewaffnet ist.

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