Tarifergebnis öffentlicher Dienst

Stimmt gegen die Lohnsenkung und bereitet den Vollstreik vor!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Tarifergebnis, das Verdi am Samstagabend mit Bund und Kommunen vereinbart hat und zur Annahme vorschlägt, bedeutet massive Reallohnkürzungen. Nachdem wir das öffentliche Leben in den letzten drei Jahren unter den widrigsten Arbeitsbedingungen aufrechterhalten haben, erhalten wir jetzt Kürzungen unserer Reallöhne, die in der bundesdeutschen Geschichte beispiellos sind.

Wir rufen Euch deshalb auf, bei der Mitgliederbefragung mit „Nein“ zu stimmen und mit uns Kontakt aufzunehmen. Wir bauen das Aktionskomitee Öffentlicher Dienst auf, um einen echten Vollstreik vorzubereiten und Verdi das Verhandlungsmandat zu entziehen. Nur so können wir unsere Löhne verteidigen und für angemessene Arbeitsbedingungen kämpfen.

Das wollen wir mit allen interessierten Kolleginnen und Kollegen am Dienstag, den 2. Mai um 20 Uhr in einem Online-Treffen diskutieren. Hier findet Ihr den Link zum Treffen, an dem Ihr anonym teilnehmen könnt, und könnt Euch für das Aktionskomitee registrieren.

Das jetzige Ergebnis ist eine einzige Provokation. Angesichts einer Inflation bei Energie und Lebensmitteln von mindestens 20 Prozent und explodierenden Mieten sollen wir bis einschließlich Februar 2024 überhaupt keine tabellenwirksame Lohnerhöhung erhalten! Die 3.000 Euro Inflationsausgleich, die wir bis dahin in monatlichen Raten erhalten sollen, ändern daran nichts, denn die Preise werden anschließend ja nicht wieder fallen, während unsere Löhne auf dem niedrigen Niveau verbleiben.

Die tabellenwirksame Lohnerhöhung kommt erst im März 2024, wenn die Preise weiter gestiegen sein werden. Statt der geforderten 500 Euro oder 10,5 Prozent bei zwölf Monaten Laufzeit – was schon viel zu wenig gewesen wäre, um die Inflation ernsthaft auszugleichen – sollen wir uns jetzt mit 200 Euro plus 5,5 Prozent, mindestens 340 Euro mehr bei einer Laufzeit von 24 Monaten zufrieden geben. Auf zwölf Monate gerechnet sind das nur 170 statt 500 Euro!

Auch bei den etwas höheren Gehaltsgruppen sieht es nicht viel besser aus. Auf 12 Monate Laufzeit gerechnet wäre das etwa bei einer Erzieherin (in Entgeltgruppe S8a/Stufe 6) nur 5,4 statt der geforderten 10,5 Prozent mehr Lohn. Bei einem Müllwerker (in Entgeltgruppe EG3/Stufe3) 6,7 und bei einer Pflegefachkraft (in Entgeltgruppe P8/Stufe 4) gerade einmal 5,8 Prozent.

Es fiel Verdi-Chef Frank Werneke sichtlich schwer, diese massiven Reallohnkürzungen schönzureden. So schwer, dass er sogar den Verzicht der Arbeitgeber, an vielen Krankenhäusern inmitten der Inflation Nominallohnkürzungen durchzusetzen, als großen Erfolg feierte. Als ob sich irgendein Vertreter der Gewerkschaft oder von Bund und Ländern in einer unserer Kliniken auch nur hätte sehen lassen können, wenn sie das gewagt hätten!

Aber auch so ist das Ergebnis ein Schlag ins Gesicht. Wir haben in den letzten drei Jahren die Patientenversorgung in den kaputtgesparten Kliniken mit viel zu wenig Personal gewährleistet, wir haben die Stadtreinigung und öffentlichen Nahverkehr unter Pandemiebedingungen aufrechterhalten und wir sind in den Jobcentern oder Jugendbehörden mit dem wachsenden Elend und der Verzweiflung konfrontiert. Und jetzt soll uns das mit der massiven Kürzung unserer Reallöhne gedankt werden. Das wird die Personalsituation weiter verschärfen und die öffentliche Daseinsvorsorge in den Zusammenbruch führen.

Die Kürzung unserer Löhne ist eine bewusste politische Entscheidung. Während es heißt, für uns sei kein Geld da, wurden im März allein die Militärhilfen an die Ukraine von drei auf 15 Milliarden Euro fast verfünffacht. Für die Aufrüstung der deutschen Armee stehen nicht nur die 100 Milliarden aus dem Sondervermögen, sondern auch laufend steigende Jahresmittel zur Verfügung. Hunderte Milliarden gingen im Zuge der Pandemie auch an die großen Unternehmen und die Superreichen. Der jetzige Abschluss kostet den Bund selbst bei vollständiger Übernahme für die Beamten hingegen weniger als fünf Milliarden Euro!

Milliarden für die Reichen und für Krieg auf der einen und Lohnkürzungen für uns Pfleger, Erzieher und Müllwerker auf der anderen Seite. Das ist die Politik hinter diesem Tarifergebnis.

Wenn wir uns dagegen zur Wehr setzen wollen, müssen wir uns unabhängig im Aktionskomitee Öffentlicher Dienst zusammenschließen und Verdi das Verhandlungsmandat entziehen. Denn die Gewerkschaft arbeitet aufs engste mit Regierung und Unternehmen zusammen und unterstützt diese Politik. Die Tarifverhandlungen waren ein abgekartetes Spiel und sollten uns daran hindern, in den Vollstreik zu gehen.

Die Verhandlungsführer dieser Tarifrunde sind allesamt eingefleischte Sozialdemokraten. Verdi-Chef Werneke ist seit über 40 Jahren Mitglied der SPD. Auf der „Gegenseite“ saßen mit der Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge für die Kommunen und Bundesinnenministerin Nancy Faeser für den Bund zwei Sozialdemokratinnen. Diese drei und ihre jeweilige Entourage verhandeln nicht. Sie beratschlagen, wie die Reallohnsenkungen gegen uns durchgesetzt werden können.

Schon im Herbst des vergangenen Jahres, als Krieg und Corona-Pandemie die Inflation trieben, hatten sich alle DGB-Gewerkschaften, Konzernvertreter und die Ampelkoalition unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt. Mit den damals in der Konzertierten Aktion beschlossenen Inflationsausgleichszahlungen sollen nicht die Verluste aus 2021 und 2022 ausgeglichen werden – da sollen wir komplett in die Röhre schauen – sondern die geringen Löhnerhöhungen in 2023 und 2024 schöngerechnet werden. Genauso haben das dann die Gewerkschaften umgesetzt, nun auch Verdi bei uns.

Jetzt will uns Verdi weismachen, dass ein Streik nichts bringen würde und nicht mehr herauszuholen sei. Das ist angesichts der horrenden Ausgaben für die Aufrüstung offensichtlicher Blödsinn. Verdi unterstützt vielmehr die Politik des Kriegs und der Sozialkürzungen und ist deshalb selbst gegen ernsthafte Streiks. Die vereinzelten Warnstreiks dienten nur dazu einen echten Vollstreik zu verhindern.

Doch eben ein solcher Streik ist notwendig, um unsere Rechte zu verteidigen. Er würde die Beschäftigten bei der Post, wo Verdi gerade gegen den erklärten Willen der Mitglieder einen Streik verhindert hat, bei der Bahn und in vielen anderen Bereichen begeistern und mitreißen. Er würde ganz ohne Zweifel auf die Unterstützung der großen Mehrheit der Bevölkerung stoßen und eine breite Bewegung gegen die Kürzungs- und Kriegspolitik anstoßen.

Unser Streik wäre Teil einer Bewegung, die sich in ganz Europa entwickelt. In Frankreich demonstrieren Millionen gegen Macrons Rentenkürzungen, in Großbritannien streiken hunderttausende gegen Lohnkürzungen und Streikverbote und auch in Spanien, Portugal, Belgien und den Niederlanden kam und kommt es zu wichtigen Streiks. Die wichtigste Aufgabe besteht darin, diese Kämpfe zu einer bewussten europäischen Bewegung zu machen, die sich gegen die Bereicherung der Reichen und die Aufrüstung richtet.

Verdi will genau das verhindern und ist deshalb bereit, unseren Streik wie zuvor bei den Kollegen der Post zu sabotieren. Deshalb rufen wir Euch auf, Euch dem Aktionskomitee Öffentlicher Dienst anzuschließen, um den Streik unabhängig von Verdi vorzubereiten. Diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die Mitglied bei Verdi sind, rufen wir auf, bei der Mitgliederbefragung mit „Nein“ zu stimmen und den Abstimmungsprozess genau zu überwachen.

Wir werden Kontakt zu den Beschäftigten anderer Bereiche und anderer Länder aufnehmen, um eine breite und schlagkräftige Bewegung von unten aufzubauen. Unser Treffen am 2. Mai um 20 Uhr organisieren wir zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen des Post-Aktionskomitees, die über ihre Erfahrungen berichten. Und wir laden Gäste aus anderen europäischen Ländern ein. Den Link zum Treffen, an dem ihr auch anonym teilnehmen könnt, findet ihr hier. Registriert euch unterhalb dieses Artikels, um am Aktionskomitee teilzunehmen oder schickt eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340.

Loading