Der Kampf gegen den Weltkrieg und den britischen Imperialismus muss sich auf die Arbeiterklasse stützen

Diese Rede hielt Tom Scripps, der stellvertretende Vorsitzende der Socialist Equality Party (UK), auf der diesjährigen internationalen Maikundgebung, die am 30. April stattfand. Alle Reden der Kundgebung können hier angesehen werden: wsws.org/mayday.

Revolutionäre Grüße von der Socialist Equality Party und der IYSSE im Vereinigten Königreich zum heutigen 1. Mai.

Kein Land hat den von den USA geführten Nato-Krieg gegen Russland so enthusiastisch unterstützt wie Großbritannien. Das Vereinigte Königreich hat für Milliarden Pfund hochentwickelte Waffen in die Ukraine geliefert, darunter Challenger-Panzer, und tausende ukrainischer Soldaten ausgebildet.

Tom Scripps an der Internationalen Online-Kundgebung zum 1. Mai 2023

Aus den kürzlich durchgesickerten Pentagon-Dokumenten geht hervor, dass das Vereinigte Königreich das bei weitem größte Nato-Kontingent an Spezialkräften befehligt, die in der Ukraine operieren, was von der Regierung nie öffentlich erklärt wurde.

Großbritanniens rasende Beteiligung am Krieg, sein Blutrausch, speist sich aus der tiefen politischen Krise, mit der die älteste kapitalistische herrschende Klasse der Welt konfrontiert ist.

Der britische Imperialismus - der seit Jahrzehnten eng mit dem amerikanischen Imperialismus verbunden ist - versucht, dem Niedergang seiner weltweiten wirtschaftlichen und politischen Stellung entgegenzuwirken. Dieser Niedergang hat sich seit dem Brexit-Votum im Jahr 2016 für den Austritt aus der Europäischen Union drastisch beschleunigt und wurde durch die Inflationsspirale infolge der Pandemie und des Krieges noch verstärkt.

Die zunehmend verzweifelte wirtschaftliche Lage in Großbritannien führt dazu, dass die herrschende Klasse ihre Ausbeutung der Arbeiterklasse durch brutale Lohnkürzungen und eine Erhöhung des Arbeitstempos verstärkt und die Ausgaben für alle sozialen Dienste zusammenstreicht. Den Arbeitern wird das Vermögen entzogen, das stattdessen in Unternehmensgewinne, Dividenden und Managergehälter fließt und zur Finanzierung immer höherer Militärausgaben herhalten muss.

Politiker und die Presse rufen das „Ende der Friedensdividende nach dem Zweiten Weltkrieg“ aus, was bedeutet, dass das, was von den öffentlichen Dienstleistungen überhaupt noch übrig ist, vollständig auf dem Altar des Kriegs geopfert werden muss.

Kürzungen und Lohnverzicht gehen unweigerlich mit repressiven Gesetzen einher, die das Recht auf Streik, Protest und freie Meinungsäußerung einschränken. Das Vereinigte Königreich spielt weiterhin die Rolle des Kerkermeisters des Weltimperialismus. So hälte es den Antikriegsjournalisten und WikiLeaks-Gründer Julian Assange in seinem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gefangen, wo ihm die Auslieferung an die Vereinigten Staaten droht.

WikiLeaks-Gründer Julian Assange nach einer Gerichtsverhandlung in London, 1. Mai 2019 (AP Photo/Matt Dunham) [AP Photo/Matt Dunham]

Die britische herrschende Klasse verschärft ihre Offensive gegen die Arbeiterklasse, weil sie sich der Tatsache bewusst ist, dass diese soziale Kraft den Kriegen im Ausland entgegensetzen kann und dies mit wachsender Gewissheit tun muss.

Die herrschende Klasse hatte gehofft, den Krieg gegen Russland als Mittel zur Unterdrückung von Klassenkonflikten nutzen zu können, indem sie auf nationaler Einheit gegen einen gemeinsamen Feind beharrte. Aber trotz einer nicht enden wollenden Propaganda ist diese von den Medien treulich vermittelte Botschaft gescheitert. Der Nato-Russland-Krieg fällt mit einem Aufschwung im Klassenkampf zusammen, wie es ihn im Vereinigten Königreich seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat.

Mehr als eine Million Beschäftigte haben seit dem letzten Sommer in einer Welle von Arbeitskämpfen gestreikt und in verschiedenen Sektoren -- Eisenbahn, Liefer- und Zustelldienste, Telekommunikation, Kommunalverwaltung, Bildung und Gesundheitswesen -- die Arbeit niedergelegt. Gegen den Konzerngiganten Amazon gab es spontane Aktionen, und auch auf Bohrinseln und in Raffinerien im ganzen Land kam es zu Streiks.

Die Bewegung wäre allerdings noch größer ohne die aktiven Bemühungen der Gewerkschaftsführer, jeden Ausbruch des Klassenkampfs zu isolieren und zu unterdrücken.

Die Socialist Equality Party interveniert in die Arbeiterkämpfe in ganz Großbritannien. Sie argumentiert, dass der Kampf zur Verteidigung des Lebensstandards untrennbar mit dem Kampf gegen den imperialistischen Krieg gegen Russland verbunden ist. Beide erfordern eine internationale sozialistische Perspektive für eine gemeinsame Offensive der Arbeiter in aller Welt gegen die großen Konzerne und Regierungen.

Streikende Assistenzärzte am Royal Bournemouth Hospital, 13. März 2023

Wir vertreten diese Perspektive gegenüber all denjenigen, die behaupten, dass sich der Widerstand gegen Krieg auf Labour und die Gewerkschaften stützen müsse, und die letztlich die kapitalistische Regierung unterstützen.

Vor 20 Jahren führte die „Stop the War Coalition“ in Großbritannien eine millionenstarke Massenbewegung gegen die Invasion des Irak an -- und sie führte sie in die Sackgasse der Unterstützung für die „Linken“ in der Labour Party und in der Gewerkschaftsbürokratie. Gleichzeitig warb sie für die Unterstützung des französischen und deutschen Imperialismus als vermeintlich friedlicheres Gegengewicht zu Washington.

Heute sind Frankreich, Deutschland und alle europäischen Mächte trotz ihrer tiefgreifenden Spannungen mit dem US-Imperialismus alle voll in den Krieg gegen Russland involviert.

Der „linke“ Rest der Labour Party hat seine Antikriegshaltung generell aufgegeben; Sir Keir Starmer behauptet heute, Labour sei die „Partei der Nato“. Der ehemalige Schattenkanzler unter Jeremy Corbyn, John McDonnell, führt sogar eine Fraktion an, die offen für den Krieg eintritt.

Corbyn, der ehemalige Vorsitzende der „Stop the War Coalition“, äußert sich auch noch nach seinem Ausschluss aus der Parlamentsfraktion kaum noch zum Thema Krieg. Er darf nicht mehr als Labour-Abgeordneter kandidieren, doch seine feige Loyalität gegenüber der rechtsgerichteten Labour Party ist so stark wie zu seiner Zeit als Parteivorsitzender.

Die Gewerkschaftsbürokratie unterstützt mit überwältigender Mehrheit die Beteiligung des Vereinigten Königreichs am Krieg in der Ukraine. Letztes Jahr verabschiedete der Trades Union Congress eine Resolution, in der er eine „sofortige Erhöhung der Verteidigungsausgaben“ forderte. Die Gewerkschaften spielen die entscheidende Rolle für Ordnung an der Heimatfront, indem sie den Klassenkampf unterdrücken und alles in ihrer Macht Stehende tun, um einen Generalstreik zu verhindern, der die krisengeschüttelte Regierung zu Fall bringen würde.

Die Socialist Equality Party steht gegen diese Sabotage und den Verrat der Gewerkschaften am Klassenkampf, indem sie für die Gründung unabhängiger Arbeiterorganisationen eintritt, um die Macht an die Basis zu übertragen.

Unsere Partei steht auch im Gegensatz zu Nato-Gegnern wie George Galloway, der mit der NO2NATO-Kampagne ein Bündnis vorschlägt, in dem rechte und rechtsextreme Kräfte mitspielen. Grundlage hierfür soll eine angeblich gemeinsame Antikriegsposition sein, und man orientiert sich an den „aufstrebenden“ kapitalistischen Mächten, vor allem an China. Damit sollen dem US-Imperialismus angeblich die Flügel gestutzt werden, und eine friedliche „multipolare Welt“ soll daraus entstehen.

Ein solches Programm würde eine Katastrophe für die Arbeiterklasse bedeuten. Die US-Pläne für einen Krieg mit China sind bereits weit fortgeschritten, auch wenn sie derzeit gegen Russland kämpfen. Die einzige Antwort, die das russische und das chinesische Regime haben, ist eine Kombination aus nationalistischem Militarismus und politischen Manövern in einem zum Scheitern verurteilten Versuch, eine Einigung mit den imperialistischen Aggressoren zu erzielen.

Mit unseren Schwesterparteien in der Vierten Internationale veranstalten die SEP und die IYSSE öffentliche Versammlungen zum Krieg in der Ukraine. Wir verankern damit die notwendigen sozialistischen Prinzipien und das historische Verständnis, das eine echte Antikriegsbewegung auf der Basis der internationalen Arbeiterklasse beseelen muss.

Wir bilden einen neuen revolutionären Kader in den Traditionen des Trotzkismus aus, denn der Trotzkismus ist die einzige Grundlage, auf der die internationale sozialistische Bewegung wiederaufgebaut werden kann.

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