Medikamentenknappheit zeigt Rücksichtslosigkeit des Kapitalismus

In Europa gibt es einen alarmierenden Mangel an kindgerechten Medikamenten, der die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gefährdet. Am 27. April 2023 haben Kinderärzte in einem offenen Brief an die Ministerinnen und Minister für Gesundheit der Länder Deutschland, Frankreich, Südtirol (Italien), Österreich und Schweiz darauf aufmerksam gemacht und Maßnahmen gefordert, um „eine ausreichende Produktion und Bevorratung wichtiger Arzneimittel der pädiatrischen Grundversorgung in Europa sicherzustellen“.

Der Präsident des Berufsverbands der Kinder und Jugendärzte, Thomas Fischbach, warnte in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung vor einem gravierenden Mangel an Medikamenten für Kinder im kommenden Herbst und Winter. Fischer, der Mitunterzeichner des offenen Briefs ist, kommentierte die Situation so: „Wir behandeln schon jetzt fernab der Leitlinien, und der nächste Herbst steht vor der Tür. Wir werden wieder in eine Versorgungsnot geraten, die noch schlimmer werden könnte als zuletzt.“

Kind mit Covid-19 im Krankenhaus [Photo: Medical University of South Carolina]

Der alarmierende Engpass bei kindgerechten Medikamenten ist ein europaweites Phänomen, das auf die Profitinteressen der Pharmakonzerne sowie auf die Politik der kapitalistischen Regierungen zurückzuführen ist.

Die Pharmaunternehmen konzentrieren sich auf die Produktion von profitablen Medikamenten für Erwachsene und vernachlässigen die Entwicklung von kindgerechten Medikamenten, da der Markt dafür kleiner ist und die Profitmargen geringer sind. Das führt dazu, dass die Ärzte gezwungen sind, Erwachsenenmedikamente zu verschreiben, die für Kinder nicht geeignet sind und schwerwiegende Nebenwirkungen haben können.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) betont, dass Kinder oft andere Dosierungen und Darreichungsformen von Medikamenten benötigen als Erwachsene. Der Mangel an kindgerechten Medikamenten zwingt Ärzte oft dazu, unzureichende oder risikoreichere Medikamente zu verschreiben, was eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit darstellt.

Im Brief heißt es: „Kinder und Jugendliche benötigen vergleichsweise wenige Medikamente, die aber nicht ohne Weiteres austauschbar sind. Insbesondere Antibiotika, Fieber- und Schmerzmittel, Medikamente gegen Asthma sowie Impfstoffe stellen den unverzichtbaren und essentiellen Basisbedarf dar.“

Laut Brief treffen „die Auswirkungen staatlicher Sparmaßnahmen und Preisreglementierungen [...] den Medikamentensektor für Kinder und Jugendliche besonders stark… Dabei sind die Medikamentenkosten bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu Erwachsenen marginal.“

Der momentane Mangel an Medikamenten betrifft aber nicht nur die Präparate für Kinder. Deutschlandweit fehlen in Apotheken unter anderem Hustensäfte, Asthmamittel, Blutdrucksenker, Schmerzmittel und Krebsmedikamente. Zudem warnte die deutsche Krankenhausgesellschaft vor einem zunehmenden Medikamentenmangel in den Kliniken.

Die Situation im Gesundheitssystem ist aber nicht nur bei den Medikamenten angespannt. Auch sonst wird überall gespart.

Die Situation in den Krankenhäusern wurde in den letzten drei Jahre durch die Last der Corona-Pandemie zunehmend unerträglich. Die Pfleger und Pflegerinnen in den Krankenhäusern haben bei 200.000 fehlenden Pflegekräften teilweise unter Lebensgefahr die von der Politik provozierte Situation geschultert. Nun sollen sie in der aktuellen Tarifrunde trotz katastrophalen Arbeitsbedingungen und ohnehin schon niedrigen Löhnen einen weiteren Reallohnverlust hinnehmen.

Das führt dazu, dass viele qualifizierte und erfahrene Fachkräfte ihre Arbeit aufgeben, was die Gesamtsituation im Gesundheitswesen weiter verschärft, während die Krankenhausunternehmen von der zunehmend prekären Situation profitieren.

Die Ursachen des Medikamentenmangels und der katastrophalen Lage im Gesundheitswesen sind eng miteinander verbunden. Die Regierung hat die Coronapandemie genutzt, um ein neues Prinzip durchzusetzen: Vermeidbare Todesfälle müssen in Kauf genommen werden, um die Profite zu steigern. Das wird jetzt überall sichtbar, auch bei der Versorgung der Kinder.

Die gegenwärtige Krise in der Gesundheitsversorgung ist symptomatisch für die Unmenschlichkeit des kapitalistischen Gesellschaftssystems, das die Bedürfnisse der Menschen dem Profit unterordnet. Während Gesundheit und Bildung von den Regierungen kaputtgespart werden, fließen gegen den Willen der Bevölkerung zig Milliarden in die militärische Aufrüstung. Besonders drastisch zeigt sich diese menschenfeindliche Politik beim Umgang mit der Corona-Pandemie. Die Pandemie wurde offiziell für beendet erklärt, während weltweit täglich immer noch mehr als 12.000 Menschen an den Folgen sterben und das Virus weiter mutiert.

Die ausreichende Versorgung mit Kindermedikamenten, der Kampf für angemessene Löhne im Gesundheitswesen und eine wirkungsvolle Strategie gegen Covid-19 erfordern einen Kampf gegen den Kapitalismus. Alle Parteien haben gezeigt, dass sie die Profitinteressen über das Leben der Menschen stellen. Notwendig ist eine Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen und insbesondere die Bedürfnisse der Kinder im Mittelpunkt stehen. Nur so kann eine Gesundheitsversorgung geschaffen werden, die wirklich für alle zugänglich ist und das Leben an erste Stelle setzt.

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