Selenskyj: Bei der neuen Offensive „werden viele Soldaten sterben“

Trauernde Angehörige an neuen Gräbern ukrainischer Soldaten, die im Kampf mit russischen Truppen getötet wurden, auf einem Militärfriedhof in Lwiw am 23. April. Im Hintergrund sind Landesflaggen und die Flaggen von Militäreinheiten zu sehen [AP Photo/Mykola Tys]

Im Vorfeld der angekündigten neuen Großoffensive der ukrainischen Streitkräfte erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag gegenüber dem Wall Street Journal, bei der bevorstehenden Offensive werde „eine große Zahl [ukrainischer] Soldaten sterben“.

Hinsichtlich des katastrophalen Blutzolls bei einem Angriff auf die russischen Truppen, die sich in befestigten Stellungen verschanzt haben, erklärte Selenskyj: „Es kann auf verschiedene Weise ablaufen, ganz unterschiedlich. Aber wir werden es tun, und wir sind bereit.“

Das Journal berichtete über das Gespräch:

Selenskyj räumte die russische Luftüberlegenheit an der Front ein und erklärte, der fehlende Schutz vor den russischen Luftstreitkräften bedeute, dass bei der Gegenoffensive „eine große Zahl von Soldaten sterben“ werden.

Üblicherweise erleiden Streitkräfte, die in die Offensive gehen, viel mehr Verluste als diejenigen in defensiven Kämpfen. Selenskyj – der für seine Hintermänner und Geldgeber in Washington und den anderen imperialistischen Hauptstädten spricht – machte deutlich, dass es keine Obergrenze bei der Zahl der Ukrainer gibt, die für das Ziel der Rückeroberung der Krim und des Donbass sterben werden.

Diese Äußerungen fielen in einer Situation, in der immer mehr Details darüber bekannt werden, in welchem Ausmaß die USA und die Nato direkt an der bevorstehenden Offensive beteiligt sind. Die Washington Post schrieb in einem Artikel mit der Überschrift „Von der Nato ausgebildete Truppen werden als Speerspitze bei der ukrainischen Gegenoffensive agieren“:

Wenn die langerwartete Gegenoffensive der Ukraine endlich beginnt, werden an vorderster Front Brigaden kämpfen, die nicht nur mit westlichen Waffen ausgerüstet sind, sondern auch mit westlichem Know-how, das sie sich in monatelanger Ausbildung angeeignet haben. Die Ausbildung sollte das ukrainische Militär in eine moderne Armee verwandeln, welche die fortschrittlichsten Taktiken der Nato-Kriegführung beherrscht.

Das Blatt fuhr fort: „Die Gegenoffensive wird der bisher größte Test für die von den USA angeführte Strategie sein, die Ukrainer mit Waffen auszustatten und sie so auszubilden, dass sie wie eine amerikanische Armee kämpfen können – jedoch auf eigene Faust.“

Die USA haben tausende ukrainische Soldaten auf einem Stützpunkt in Bayern in der Kriegführung mit Nato-Panzerfahrzeugen ausgebildet und Übungen mit gepanzerten Nato-Fahrzeugen durchgeführt. Die Panzer und ihre Besatzungen sind von Deutschland über Polen in die Ukraine gelangt, wo sie gegen die russische Front eingesetzt werden.

Im April tauchten durchgesickerte Geheimdokumente auf, laut denen drei Viertel der für die neue Offensive vorgesehenen Kräfte von den USA bewaffnet und ausgebildet werden. In einem der Dokumente heißt es: „Für die Gegenoffensive im Frühling können zwölf kampffähige [Brigaden] aufgestellt werden: drei davon international durch die Ukraine, neun wurden von den USA, ihren Verbündeten und Partnern ausgebildet und ausgerüstet.“

Gleichzeitig findet eine erhebliche Eskalation des Kriegs statt. Seit fast einer Woche werden die Städte und Dörfer in der russischen Region Belgorod täglich mit Artillerie beschossen.

Am Wochenende wurden in der Region Belgorod laut Angaben von Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow vom Sonntag zwei weitere Menschen getötet, etwa 4.000 wurden evakuiert.

Gladkow erklärte auf Telegram: „Während der Nacht war es ziemlich unruhig.“ Er fügte hinzu, in den Gebieten Schebekino und Wolokonwski sei „sehr viel“ beschädigt worden; in der vergangenen Woche seien mindestens 850 Granatwerfergeschosse auf die Region abgefeuert worden. Zudem habe ein Drohnenangriff einen Brand in einer „Energie-Infrastrukturanlage“ ausgelöst.

Auf Telegram erschienen Videos und Bilder von brennenden Gebäuden, geplünderten Geschäften und sogar von Szenen mit Häuserkämpfen in der Region.

Am Sonntag überfiel eine weitere Gruppe von der Ukraine unterstützter russischer Freischärler Belgorod, besetzte Gebiete und nahm zwei russische Soldaten gefangen.

Gladkow meldete die Anwesenheit rechtsextremer, ethnisch russischer Milizen in Nowaja Tawolschanka und erklärte: „Es finden momentan noch Kämpfe statt.“ Später erklärte er, er wolle sich mit den Kampfgruppen treffen und über einen Gefangenenaustausch verhandeln.

Am Samstag bestätigte die Washington Post, dass die rechtsextremen Milizionäre, die aus der Ukraine in die Region Belgorod eingedrungen waren, tatsächlich amerikanisches Militärgerät benutzt hatten. Zuvor hatten die US-Medien dies abgestritten.

Die Post berichtete: „Die russischen, gegen Moskau agierenden Kämpfer, die letzte Woche aus der Ukraine in die russische Region Belgorod eingedrungen sind, haben laut Angaben von US-Regierungsvertretern mindestens vier Gefechtsfahrzeuge benutzt, die die Ukraine ursprünglich von den USA und Polen erhalten hat.“

Weiter hieß es: „Laut Quellen, die mit den bisher noch unveröffentlichten Ergebnissen der US-Geheimdienste vertraut sind, wurden drei der MRAPs [gegen Minen und Hinterhalte geschützte Fahrzeuge], mit denen die Kämpfer nach Russland eingedrungen sind, von den USA zur Verfügung gestellt, das vierte stammte aus Polen. Diese Informanten wollten sich nur anonym zu dem heiklen Thema äußern.“

Eine weitere bedrohliche Entwicklung ist, dass Angehörige des so genannten „Polnischen Freiwilligenkorps“ aus polnischen Staatsbürgern, die auf der Seite der Ukraine kämpfen, behaupteten, sie seien ebenfalls – im Rahmen eines Überfalls – auf russisches Gebiet vorgedrungen.

Am späten Sonntagnachmittag erklärten russische Regierungsvertreter, die Ukraine habe in der Region Donezk eine Großoffensive gegen russische Streitkräfte begonnen. Sie behaupteten weiter, die russische Seite habe hunderte ukrainischer Soldaten getötet. Die Ukraine habe mit sechs motorisierten und zwei Panzer-Abteilungen im südlichen Donezk angegriffen.

Unterdessen werden in den USA und der Nato die Forderungen nach der Aufnahme der Ukraine in die Nato immer lauter. Dies hätte eine massive Ausweitung der Nato-Beteiligung am Konflikt zur Folge.

US-Colonel Alexander S. Vindman, der sich bereits früh für die Lieferung von US-amerikanischen Panzern und F-16-Flugzeugen ausgesprochen hatte, unterstützte letzte Woche einen Artikel des ehemaligen ukrainischen Verteidigungsministers Andrij P. Sagorodnjuk in Foreign Affairs mit dem Titel „Nehmt die Ukraine sofort in die Nato auf, um Europa zu schützen.“

Der Artikel fordert Schritte zur Aufnahme der Ukraine beim nächsten Nato-Gipfel im litauischen Vilnius: „Durch den Beitritt zum Bündnis wird das Land seine Zukunft als Teil des Westens sicherstellen und kann sich sicher sein, dass die USA und Europa ihm weiterhin im Kampf gegen Moskau helfen. Auch Europa wird von der zusätzlichen Sicherheit profitieren, wenn es der Ukraine den Nato-Beitritt erlaubt. Es ist offensichtlich, dass der Kontinent noch nicht bereit ist, sich selbst zu verteidigen und dass seine Politiker ihre Sicherheit weit überschätzt haben. Tatsächlich wird Europa erst dann vor Russland sicher sein, wenn es Moskaus Angriffe militärisch aufhalten kann. Und dazu ist kein Staat so qualifiziert wie die Ukraine.“

Ein „sofortiger“ Nato-Beitritt der Ukraine würde das Inkrafttreten des Nato-Artikels 5 bedeuten, was faktisch einer Kriegserklärung der Nato-Mächte an Russland gleichkäme.

Im April erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg: „Der rechtmäßige Platz der Ukraine ist in der Nato... Alle Nato-Verbündeten waren sich einig, dass die Ukraine Mitglied werden wird.“

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach sich letzte Woche für einen „Pfad“ zum Nato-Beitritt der Ukraine aus.

Das Zusammentreffen dieser Entwicklungen macht deutlich, in welchem Ausmaß der von den Nato-Mächten vorsätzlich geschürte und eskalierte Ukrainekrieg außer Kontrolle gerät. Die Konsequenzen könnten verheerend für die ganze Welt sein.

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