Urabstimmung bei der Bahn: Stimmt für Streik und baut von der EVG unabhängige Aktionskomitees auf

Liebe Kolleginnen und Kollegen der DB,

das Scheitern der Tarifverhandlungen zwischen Deutscher Bahn und EVG, die nun die Urabstimmung über einen unbefristeten Streik vorbereitet, macht es notwendig, dass ihr euch unabhängig von der EVG organisiert. Macht euch nichts vor, die EVG spielt ein doppeltes Spiel. Während sie die Urabstimmung einleitet, setzt sie hinter eurem Rücken die Gespräche mit der Konzernleitung fort und bereitet einen Ausverkauf vor.

Es ist notwendig, die Streikvorbereitung in die eigenen Hände zu nehmen. Kein Vertrauen in die EVG!

EVG- und Verdi-Warnstreik und Demonstration, 27. März 2023 in Leipzig (Foto: WSWS)

Wir vom Aktionskomitee der Verkehrsarbeiter sind Bus-, U-Bahn- und Tramfahrer im Öffentlichen Personennahverkehr. Uns hat Verdi in den vergangenen Jahren eine Reallohnkürzung und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nach der anderen aufgezwungen. Verdi, die EVG, die GDL und andere Gewerkschaften stehen auf der anderen Seite, auf der Seite der Regierungen und der Arbeitgeber.

Das ist bei der Deutschen Bahn offensichtlich. Die Bundesregierung als Eigentümerin der Bahn hat in monatelangen Verhandlungen bewiesen, dass sie an euch ein Exempel statuieren und eure Reallöhne drastisch senken will. Die EVG hat bewiesen, dass sie nicht bereit ist, dagegen vorzugehen.

Wozu die EVG bereit ist, hat sie in den Tarifverträgen klar gemacht, die sie am Dienstag mit den Unternehmen der Transdev-Gruppe abgeschlossen hat. Die Transdev (Bayerische Regiobahn, Bayerische Oberlandbahn, NordWestBahn, Transdev Hannover, Württembergische Eisenbahn-Gesellschaft, Transdev Instandhaltung) ist nach der DB das größte Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland.

Die EVG hat hier erhebliche Reallohnsenkungen unterschrieben. Die Löhne der Kolleginnen und Kollegen bei Transdev werden erst ab 1. November 2023 um 290 Euro und ab 1. August 2024 um weitere 130 Euro angehoben (für „Nachwuchskräfte“ 150 und 70 Euro). Für die Transdev Service Gesellschaft wurden sogar noch niedrigere Beträge vereinbart. Die EVG bemüht sich nicht einmal, diese Reallohnsenkung mithilfe der Inflationsausgleichszahlung zu verschleiern. Diese soll nur 1000 Euro betragen. Die Laufzeit beträgt 21 Monate!

Angesichts der aktuellen Inflation, vor allem der Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln, für die wir fast unser gesamtes Geld ausgeben müssen, bedeutet das eine drastische Reallohnsenkung. Seit Ende 2020 haben sich die Energiepreise um 50 Prozent und die Lebensmittelpreise um 31 Prozent erhöht.

Der DB-Vorstand, der seinen Führungskräften astronomische Gehalts- und Boni-Zuwächse gewährt, hat selbst die bei Transdev vereinbarten geringen nominellen Erhöhungen zurückgewiesen und zudem auf einer Laufzeit von 27 Monaten bestanden.

Wenn die EVG nun die Urabstimmung vorbereitet, dann nur, weil sie befürchtet, ansonsten die Kontrolle zu verlieren. Extrem unregelmäßige und lange Schichtzeiten, zu kurze Pausen und niedrige Löhne, teilweise sogar unter dem Mindestlohn, bestimmen euren genauso wie unseren Alltag im ÖPNV. Eure Arbeitsbedingungen sind so schlecht, eure Löhne so niedrig, dass die Wut auf die Bahnkonzerne berechtigterweise extrem groß ist. Ihr habt in den Warnstreiks, in denen ihr mehrmals das ganze Land lahmgelegt habt, bewiesen, welche Kampfkraft ihr entfalten könnt.

Doch die EVG will einen unbefristeten Vollstreik verhindern. Sie hatte die Warnstreiks auf Sparflamme gefahren und zuletzt den angekündigten 50-stündigen Streik abgeblasen.

Es ist auch nicht ausgemacht, dass die EVG überhaupt einen Streik organisieren wird, wenn ihr dafür stimmen solltet! Die Kolleginnen und Kollegen bei der Post können davon ein Lied singen. Dort hatten 86 Prozent der Verdi-Mitglieder ein Angebot der Post abgelehnt und für einen unbefristeten Streik gestimmt. Aber Verdi hat sich geweigert, zum Streik aufzurufen, innerhalb von 48 Stunden erneut ein fast identisches Angebot vorgelegt und durchgedrückt.

Auch die EVG vertritt als Hausgewerkschaft der Bahn seit langem ganz offen die Interessen des Konzerns. Über Aufsichtsratsposten, Tantiemen und den Wechsel ins Bahn-Management werden die EVG-Spitzen an den Profiten des Managements beteiligt.

Hinter der Bahn steht als Eigentümer die Bundesregierung. Die EVG ist auch mit ihr durch zahlreiche Verbindungen in die Regierungsparteien SPD und Grüne vernetzt. Zu Beginn der Corona-Pandemie war die EVG mit der Bundesregierung und dem Bahnmanagement ein „Bündnis für unsere Bahn“ eingegangen und hatte euch für die Kosten der Krise durch eine Nullrunde zahlen lassen.

Seitdem hat sich die Krise extrem verschärft. Die Bundesregierung nutzt den Ukrainekrieg, um die größte militärische Aufrüstung seit Ende des Zweiten Weltkriegs durchzusetzen. Alle Gewerkschaften – auch die EVG – spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie haben im vergangenen Jahr die Zusammenarbeit mit der Regierung verstärkt und in der Konzertierten Aktion verabredet, die Kosten des Kriegs gegen Russland und die Militarisierung Deutschlands auf uns Arbeiter abzuwälzen. Wir sollen mit Niedriglöhnen und verstärkter Ausbeutung durch ständig verschlechterte Arbeitsbedingungen dafür zahlen.

Um das zu verhindern, müssen wir uns unabhängig von den Gewerkschaften organisieren. Das gilt auch in Bezug auf die GDL, die sich in der Vergangenheit oft als die militantere Version der EVG aufgespielt hat. Die kürzlich angekündigten Forderungen der GDL für die kommende Tarifauseinandersetzung im Herbst liegen noch unter den Forderungen der EVG. Aber was noch schlimmer ist: Die Ankündigung der GDL, mit „Fairtrain“ eine als Genossenschaft getarnte Leiharbeitsfirma ins Leben zu rufen, markiert den neuesten Tiefpunkt der Verwandlung der Gewerkschaften in Handlanger der Konzerne und in Unternehmen, die selbst Arbeiter ausbeuten.

Bei den Eisenbahn- und Busverkehrsbetrieben arbeiten Hunderttausende, allein bei der DB in Deutschland über 200.000 Kolleginnen und Kollegen. Wir sind nicht allein. Die Streikbereitschaft bei der Bahn ist Bestandteil eines internationalen Aufschwungs des Klassenkampfs, in dem Arbeiterinnen und Arbeiter sich gegen Reallohnsenkungen und Arbeitsplatz- und Sozialabbau zur Wehr setzen. Europaweit nehmen Streiks und Proteste zu.

Aber überall sind wir mit der zersetzenden Politik der Gewerkschaftsapparate konfrontiert. Wir müssen diesen entgegentreten und ihnen das Recht absprechen, über Lohnforderungen und Kampfmaßnahmen zu bestimmen.

Das Aktionskomitee der Verkehrsarbeiter ruft euch daher auf, eurerseits ein eigenes, von der EVG – und der GDL – unabhängiges Aktionskomitee aufzubauen sowie mit uns und anderen Aktionskomitees Kontakt aufzunehmen, um gemeinsam für unsere Löhne und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

Unser Aktionskomitee vertritt zwei grundlegende Prinzipien:

  1. Wir kämpfen konsequent für unsere Interessen und Forderungen, ohne uns den Profitinteressen der Unternehmen oder der Kriegspolitik der Regierung zu unterwerfen. Indem wir das tun, verbinden wir den Kampf gegen Lohn- und Sozialabbau mit dem Kampf gegen Krieg.
  2. Wir stehen für eine entschiedene internationale Solidarität und Zusammenarbeit. Wir wissen, dass wir Arbeiter in allen Ländern mit den gleichen oder ähnlichen Problemen konfrontiert sind und ein gemeinsamer Kampf notwendig ist.

Die unmittelbare Aufgabe eures Aktionskomitees ist es, einen Ausverkauf durch die EVG zu verhindern und einen unbefristeten Streik zu organisieren, um eure Forderung voll durchzusetzen und einen Tarifabschluss zu erreichen, der die Inflation und Einkommensverluste der vergangenen Jahre mehr als ausgleicht und eure Arbeitsbedingungen verbessert.

Über das Aktionskomitee könnt ihr euren Streik mit anderen Tarifkämpfen in Deutschland und mit den Kämpfen in ganz Europa verbinden. Auch in Frankreich, Großbritannien, Spanien, Portugal, Belgien, den Niederlanden und vielen anderen Ländern finden heftige Klassenkämpfe statt und hat der Aufbau unabhängiger Aktionskomitees begonnen.

Verliert keine Zeit! Nur wenn ihr selbst aktiv werdet und euch unabhängig zusammenschließt, könnt ihr einen Streik durchsetzen und eure Reallöhne und Arbeitsbedingungen verbessern.

Hängt diesen Aufruf in allen euren Betriebsstätten, euren Mensen und Casinos aus, verbreitet ihn über Social Media und Messenger in euren Gruppen. Kontaktiert uns und schickt eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340

Ihr seid auch herzlich eingeladen, am Dienstag, den 27. Juni, um 20 Uhr am gemeinsamen Online-Treffen der Aktionskomitees der Verkehrsarbeiter, des öffentlichen Diensts und der Post teilzunehmen. Wir wollen dort darüber diskutieren, wie ein gemeinsamer Kampf, unabhängig von den Gewerkschaften umgesetzt werden kann. Hier findet ihr den Link zum Treffen.

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