Nach Bidens Absage an eine Waffenruhe: Israel bombardiert drei Krankenhäuser

Der Al-Jazeera-Korrespondent Wael Dahdouh (Mitte) betet über den Leichen seiner Frau, seines Sohnes, seiner Tochter und seines Enkels, die am 26. Oktober bei einem israelischen Luftangriff auf das Flüchtlingslager Nuisserat vor einem Krankenhaus in Deir al-Balah im Süden des Gazastreifen getötet wurden. (AP Photo / Ali Mahmoud)

Am Donnerstag bekräftige US-Präsident Joe Biden kurz vor seiner Abreise zu einer Wahlveranstaltung in Illinois noch einmal kategorisch seine Ablehnung einer Waffenruhe in Israels Völkermord in Gaza. Auf die Frage: „Wie stehen die Aussichten auf einen Waffenstillstand im Gazastreifen?“ antwortete er: „Keine. Keine Möglichkeit.“

Damit machte Biden deutlich, dass die USA Israels Völkermord im Gazastreifen aktiv vorantreiben und daran arbeiten, einen größeren Krieg im Nahen Osten zu entfachen. Nur zwei Tage zuvor hatte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, erneut erklärt, für die USA gäbe es keine „roten Linien“ bei der Zahl der zivilen Todesopfer, die sie akzeptieren würden.

Bidens Äußerungen sorgten weltweit für Empörung. Ausschnitte seiner Erklärung wurden von Millionen Menschen auf allen Social-Media-Plattformen angesehen oder geteilt. In Chicago wurde er von Tausenden von Menschen empfangen, die gegen die Unterstützung der USA für Israels Völkermord in Gaza demonstrierten und skandierten: „Völkermord-Joe“ und „Biden, Biden, du kannst dich nicht verstecken, wir klagen dich wegen Völkermord an.“

Bei seiner Rede in Illinois wurde Biden von einer Demonstrantin unterbrochen, die rief: „10.000 Palästinenser wurden getötet. Die Hälfte davon waren Kinder.“

Bevor Biden nach Chicago aufbrach, wurde er gefragt, ob Israels „Vergeltungs-Luftangriffe“ funktionieren. Darauf antwortete er: „Ja, sie treffen die angestrebten Ziele.“

Nur wenige Stunden nach diesen Äußerungen machten die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) deutlich, welche Ziele sie „angestrebt haben“, indem sie drei Krankenhäuser bombardierten. Der Krankenhauskomplex al-Shifa, in dem Zehntausende Zuflucht gefunden haben, wurde mit einer experimentellen Rakete bombardiert. Vermutlich handelte es sich dabei um eine amerikanische Hellfire R9X, die statt einem Sprengkopf Klingen über das Zielgebiet verteilt, die Schnittwunden und Amputationen von Gliedmaßen und große Blutlachen verursachen. Die entsetzliche Wirkung dieser Rakete war in einem weit verbreiteten Video zu sehen.

Auch das al-Rantisi-Kinderkrankenhaus in Gaza wurde angegriffen. Dr. Mostafa al-Kahlout erklärte gegenüber Al-Jazeera, in dem Krankenhaus, in dem 1.000 Flüchtlinge untergebracht sind, sei ein „schwerer Brand“ ausgebrochen. Das Gebiet um das Indonesische Krankenhaus wurde laut dessen Direktor von elf Raketen getroffen, wodurch die Gebäude des Krankenhauses beschädigt wurden.

Der Sprecher des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Gaza, Ashraf al-Qudra, erklärte: „Israel geht jetzt in dieser gefährlichen Weise gegen die Krankenhäuser vor, um sie vollständig außer Betrieb zu setzen und anschließend die Menschen, die in ihnen Schutz suchen, sowie die Patienten und das medizinische Personal zu vertreiben.“

In diesem Kontext kündigte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, ein ehemaliger Admiral, „humanitäre Pausen“ in Israels ununterbrochenen Bombenangriffen auf den Gazastreifen an. Kirby erklärte: „Israel wird beginnen, in Teilen des nördlichen Gazastreifens jeden Tag vierstündige Pausen einzulegen. Die Ankündigung soll drei Stunden zuvor erfolgen.“ Zudem werde es „humanitäre Korridore [schaffen], die es Menschen erlauben, aus den Kampfgebieten im Norden des Gazastreifens zu fliehen.“

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat gegenüber anderen Staats- und Regierungschefs deutlich gemacht, dass sein Plan darin besteht, die Bevölkerung des Gazastreifens in die ägyptische Sinai-Wüste zu vertreiben. Laut der Financial Times decken sich seine Pläne mit einem Papier, das vom israelischen Geheimdienstministerium veröffentlicht und in dem die Vertreibung der Bevölkerung des Gazastreifens vorgeschlagen wurde.

Unter diesen Umständen sind die „humanitären Pausen“ und „humanitären Korridore“, wie die USA und die Medien es nennen, lediglich das Mittel, mit dem die Netanjahu-Regierung, unterstützt von den USA, die ethnische Säuberung des nördlichen Gazastreifens durchsetzt.

Im Einklang mit diesem Plan hat Israel erklärt, dass am Donnerstag 80.000 Menschen den nördlichen Gazastreifen verlassen haben, d.h. so viele wie nie zuvor. Laut den Vereinten Nationen haben mehr als 557.000 Menschen in UN-Einrichtungen im südlichen Gazastreifen Zuflucht gesucht, und die Krankenhäuser können keine neuen Patienten mehr aufnehmen. Es gibt durchschnittlich eine Toilette für 160 Personen.

Seit dem 7. Oktober wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums mindestens 10.812 Palästinenser im Gazastreifen bei israelischen Angriffen getötet. Über 4.000 der Toten sind Kinder. Human Rights Watch schrieb am Donnerstag in einer Erklärung:

Israelische Bodentruppen kreisen Gaza-Stadt ein und dringen immer weiter vor, bis auf zwei Kilometer an die größte medizinische Einrichtung des Gazastreifens heran, das al-Shifa-Krankenhaus. Das dortige Personal ist nach der einmonatigen Blockade und den schweren Luftangriffen mit der Zahl der Patienten völlig überfordert.

Weiter hieß es:

Angesichts der anhaltenden Angriffe und der Kämpfe in der Nähe sind wir zutiefst besorgt um das Wohlergehen von Tausenden von Zivilisten, unter denen sich viele Kinder befinden, die medizinische Versorgung und Unterkunft brauchen. Unter den Patienten befinden sich Menschen, die auf lebenserhaltende Maßnahmen angewiesen sind, die bei Luftangriffen Gliedmaßen verloren oder Verbrennungen erlitten haben. ... Krankenhäuser genießen laut Kriegsrecht besonderen Schutz, den sie nur verlieren, wenn sie benutzt werden, um „dem Feind schadende Handlungen“ zu verüben und vorher gewarnt wurden. Die Evakuierung von Krankenhaus-Patienten und -Personal sollte nur die letzte Möglichkeit sein.

Gleichzeitig weiten die USA den Krieg im Nahen Osten noch weiter aus. Zum zweiten Mal innerhalb von fast zwei Wochen haben die USA am Donnerstag Luftangriffe gegen angebliche Truppen der iranischen Revolutionsgarde in Syrien geflogen. Dabei kamen zwei F-15E-Kampfflugzeuge der Air Force zum Einsatz, die ein Waffenlager in der syrischen Provinz Deir al Zour angriffen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte: „Die USA sind uneingeschränkt bereit, weitere notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um unsere Bevölkerung und unsere Einrichtungen zu schützen.“

Die USA haben zwei Flugzeugträger-Kampfgruppen und ein Atom-U-Boot der Ohio-Klasse in den Nahen Osten verlegt. Das United States Naval Institute bezeichnete dies als die „größte Ansammlung von US-Schiffen in der Region seit Jahrzehnten.“

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