Zusammenbruch des Gesundheitssystems in Gaza: Verwaltung aktualisiert nicht länger die Todeszahlen

Ein von Dr. Marawan Abu Saada veröffentlichtes Foto zeigt zu früh geborene palästinensische Babys, die aufgrund von Versorgungsengpässen im Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt am 12. November 2023 aus den Inkubatoren genommen wurden [AP Photo/Dr. Marawan Abu Saada via AP]

Das Gesundheitsministerium des Gazastreifens hat den dritten Tag in Folge keine aktualisierte Zahl zu den Todesopfern infolge israelischer Bombardements bekanntgegeben. Das Gesundheitssystem der Enklave ist nahezu vollständig zusammengebrochen.

„Nach dem Zusammenbruch der Dienstleistungen und der Kommunikation in den Krankenhäusern im Norden des Landes hat das Gesundheitsministerium in Gaza die Opferzahlen nicht aktualisiert“, teilte das Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten am Sonntag mit.

Am Freitag, als zum letzten Mal die Zahl der Todesopfer aktualisiert wurde, belief sich diese auf 11.078 Tote, 27.490 Verletzte und 1,6 Millionen Binnenflüchtlinge. Im ersten Monat des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen starben jeden Tag über 300 Menschen. Dies bedeutet wahrscheinlich, dass die Zahl der Todesopfer mittlerweile 12.000 überschritten hat.

Am Montag wurden in den sozialen Medien Bilder von nicht-bestatteten Leichen verbreitet, die sich in den Krankenhäusern von Gaza häufen. Dr. Munir Albursh, der Generaldirektor des Gesundheitsministeriums in Gaza, erklärte gegenüber Al Jazeera, dass streunende Hunde in das Al-Shifa-Krankenhaus eingedrungen seien und die unbestatteten Leichen angefressen hätten, die dort liegen. „Streunende Hunde fanden die Leichen im Gebäude und begannen, sie aufzufressen. Wir standen daneben“, sagte er.

„Wir haben keinen Strom. Im Krankenhaus gibt es kein Wasser. Es gibt kein Essen“, sagte ein Arzt des Al-Shifa-Krankenhauses, dessen Aussage von Ärzte ohne Grenzen (MSF) veröffentlicht wurde. „Ohne funktionierende Beatmungsgeräte sterben die Menschen in wenigen Stunden. Vor dem Haupttor liegen viele Leichen. Dort gibt es auch verletzte Patienten; wir können sie nicht hineinbringen. Als wir einen Krankenwagen hinschickten, um die Patienten zu bergen – nur ein paar Meter entfernt – wurde der Krankenwagen angegriffen. Rund um das Krankenhaus gibt es Verletzte, die medizinische Hilfe brauchen. Wir können sie nicht hineinbringen.“

Am Montag griff Israel erneut das Flüchtlingslager Dschabaliya im Norden des Gazastreifens an und tötete weitere 31 Menschen. Bei einer Reihe von israelischen Luftangriffen im vergangenen Monat wurden über 200 Menschen in dem Lager getötet.

Am Montag stellten die Vereinten Nationen fest, dass die Lebensmittelsituation im Gazastreifen „katastrophal“ ist und die Vorräte im Gazastreifen zur Neige gehen. „Die einzige funktionierende Mühle kann aufgrund von Stromausfällen keinen Weizen verarbeiten“. Weiter hieß es, die durchschnittliche Wartezeit betrage 4 bis 6 Stunden, um „die Hälfte einer normalen Brotportion“ zu erhalten.

Die Vereinten Nationen stellten fest, dass „Krankenhäuser im Norden“ unter schwere Angriffe geraten seien, und dass „fast alle Krankenhäuser in Gaza-Stadt und im nördlichen Gazastreifen Berichten zufolge nicht betriebsbereit sind, mit einer Ausnahme“. Die UN erklärten, dass 1.000 Dialyse-Patienten, 2.000 Krebspatienten und 130 Frühgeborene in Brutkästen aufgrund des Zusammenbruchs des Gesundheitssystems unmittelbar vom Tod bedroht sind.

Bislang wurden im Gazastreifen mehr als 102 Mitarbeiter der Vereinten Nationen und 182 Beschäftigte des Gesundheitswesens getötet. Am Montag senkte die Organisation am UN-Hauptsitz in New York City ihre Flagge auf Halbmast, um der 100 getöteten UN-Mitarbeiter zu gedenken. UN-Führungskräfte legten eine Schweigeminute ein.

US-Vertreter bekräftigten am Montag erneut ihre unmissverständliche Unterstützung für Israels Völkermord. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, sagte bei einem Briefing: „Israel hat das Recht, sich zu verteidigen. Sie haben das Recht, sich zu verteidigen. Und deshalb werden wir Israel dabei unterstützen.“

Der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, fügte hinzu: „Wir sind der Meinung, dass Israel das Recht hat, gegen die Hamas vorzugehen“. Er behauptete, Israel greife „die Werkzeuge und die Infrastruktur des Terrorismus“ an.

Den zweiten Tag in Folge weigerte sich Sullivan auf die Frage zu antworten, ob Israel Kriegsverbrechen begehe. Ein Journalist sagte: „Israel hat etwa 11.000 Palästinenser getötet, Tendenz steigend. Zwei Drittel von ihnen sind Frauen und Kinder. Die Lage in den Krankenhäusern ist katastrophal. Israel hat eine astronomische Menge an Munition in bebauten Gebieten abgeworfen. Hält sich Israel Ihrer Meinung nach an die Gesetze des Krieges?“ Sullivan antwortete: „Ich habe gestern gesagt, dass ich, Jake Sullivan, hier stehe und nicht in der Lage bin, als Richter und Jury diese Entscheidung zu treffen. Es ist eine juristische Entscheidung.“

Kritisch anzumerken ist, dass das Weiße Haus diese Aussagen vor dem Hintergrund der Veröffentlichung interner Dokumente macht, in denen Mitarbeiter der US-Regierung kategorisch erklären, Israel verstoße gegen internationales Recht.

Die Newswebsite Axios berichtete über ein internes Memo des US-Außenministeriums, das von über 100 Mitarbeitern des Außenministeriums und von USAID unterzeichnet wurde, und in dem kategorisch erklärt wird, Israel begehe in Gaza „Kriegsverbrechen“. Unter Hinweis auf die wiederholten Erklärungen von US-Vertretern, es gebe „keine roten Linien“ für die Anzahl der Zivilisten, die Israel massakrieren dürfe, heißt es in dem Schreiben: „Wir haben unsere unerschütterliche militärische Unterstützung für sie [die israelische Regierung] verdoppelt, ohne klare oder umsetzbare rote Linien.“ Darin enthalten ist auch der Vorwurf gegen US-Präsident Joe Biden, „Fehlinformationen“ zu verbreiten, um die Aktionen Israels zu rechtfertigen.

In einem späteren Artikel berichtete die New York Times, dass dies bereits das dritte Memo dieser Art sei, das Mitarbeiter des Außenministeriums eingebracht hätten.

Am Wochenende gab das Mitglied des israelischen Sicherheitskabinetts und Landwirtschaftsminister Avi Dichter, ein Mitglied von Benjamin Netanjahus Likud-Partei, tatsächlich zu, dass Israel ethnische Säuberungen durchführt. Er sagte: „Wir sind dabei, die Nakba im Gazastreifen zu verwirklichen.“

Israels andauernder Völkermord im Gazastreifen und die Unterstützung der USA und der anderen imperialistischen Mächte dafür finden vor dem Hintergrund anhaltender Massendemonstrationen statt, bei denen sich Menschen den Verbrechen Israels widersetzen. Am Wochenende nahmen Millionen von Menschen an Massendemonstrationen in zig Großstädten teil, darunter war ein Protest mit einer Teilnehmendenzahl von bis zu einer Million Menschen.

Loading