Israel eskaliert Kämpfe mit dem Libanon. Ethnische Säuberung an Palästinensern geht weiter

Nach einem israelischen Luftangriff auf Aita al-Shaab, einem Dorf an der israelisch-libanesischen Grenze, Montag, 20. November 2023 (AP Photo/Hussein Malla)

An der israelisch-libanesischen Grenze kam es am Wochenende und bis in den Montag hinein zu heftigen Schusswechseln. Die Regierung Netanjahu drängt auf einen größeren Krieg in der Region.

In einem Artikel mit dem Titel „Schleichende Eskalation an der israelisch-libanesischen Grenze birgt das Risiko eines größeren Krieges“ heißt es in der Washington Post:„Am Samstag bombardierten israelische Jets eine Aluminiumfabrik in der libanesischen Stadt Nabatieh, 12 Meilen nördlich der Grenze - weit jenseits der traditionellen Zone, in der Vergeltungsfeuer von beiden Seiten als akzeptabel angesehen wird.“

Der Artikel stellt fest, dass „beide Seiten begonnen haben, tödlichere Waffen einzusetzen“, wobei Israel „jetzt regelmäßig Kampfjets entsendet, um Ziele der Hisbollah anzugreifen; die Hisbollah setzt Drohnen und schwerere Kaliberraketen ein“.

Letzte Woche drohte der Sprecher der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF), Daniel Hagari: „Die Bürger des Libanon werden den Preis für diese Rücksichtslosigkeit und für die Entscheidung der Hisbollah tragen, sich zum Verteidiger der Hamas-ISIS zu machen. ... Die IDF hat operative Pläne, um die Sicherheitslage im Norden zu verändern.“

Am Montagmorgen führte Israel eine weitere Runde von provokativem Beschuss durch. Die Hisbollah erwiderte das Feuer auf Arab al-Aramshe und Bar'am sowie auf den Armeestützpunkt Biranit. Es gab keine Verletzten, aber die Kaserne wurde schwer beschädigt.

Es folgten weitere Feuergefechte zwischen Artillerie, Hubschraubern, Kampfjets und Panzern der IDF und Raketen und Drohnen der Hisbollah. Seit dem 7. Oktober wurden im Libanon fast 100 Menschen getötet, darunter 74 Mitglieder der Hisbollah. Bei diesen Kämpfen kamen neun Israelis, darunter sechs IDF-Soldaten, ums Leben.

Am Freitag kommentierte die führende britische Denkfabrik für Außenpolitik Chatham House: „Je näher Israel der Zerstörung der Hamas kommt, desto wahrscheinlicher wird ein Krieg mit der Hisbollah.“ Und weiter: „In der israelischen Regierung gibt es einige, darunter Verteidigungsminister Yoav Gallant, die die Hisbollah für ihren Beschuss israelischer Militärstellungen entlang der Grenze härter bestrafen wollen.“

Gallant selbst ist treibender Faktor und hat US-Außenminister Antony Blinken seinen Wunsch mitgeteilt, die Hisbollah präventiv anzugreifen, was bisher vom israelischen Kriegskabinett abgelehnt wurde. Aber seine Ansicht ist unter hohen Offizieren weit verbreitet, die „glauben, dass ein Krieg im Norden unvermeidlich sei“.

Gallant gab Israels Pläne für einen umfassenderen Krieg zu und sagte am Sonntag: „Der Iran ist die Wurzel der Feindseligkeit und Aggression gegen den Staat Israel. Der Krieg ist ein Mehrfrontenkrieg.“

Weiter sagte Gallant: „In den letzten Tagen hat das Verteidigungsministerium eine wachsende Tendenz festgestellt, dass der Iran über seine Stellvertreter im Irak, in Syrien und im Jemen daran arbeitet, die Angriffe der Milizen gegen Israel zu verstärken. Wir verfolgen das aufmerksam und werden wissen, wie wir zu gegebener Zeit, an gegebenem Ort und in gegebener Stärke handeln können.“

Der Jemen ist ein weiterer potenzieller Brennpunkt für den Ausbruch eines regionalen Krieges. Am Sonntag haben mit dem Iran verbündete Houthi-Kämpfer ein Frachtschiff vor der Südküste des Landes gekapert. Sprecher Yahya Sare'e erklärte, das Schiff sei ins Visier genommen worden, weil es als „in israelischem Besitz“ betrachtet wurde, was allerdings wohl tatsächlich nicht der Fall ist. Die Houthi-Kräfte haben erklärt, sie würden „nicht zögern, jedes israelische Schiff im Roten Meer oder an jedem Ort, den wir erreichen können, anzugreifen“.

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu verurteilte provokativ den „iranischen“ Angriff. Gleichzeitig verurteilte der Nationale Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten die „eklatante Verletzung des Völkerrechts“ und drohte, mit seinen Verbündeten „die geeigneten nächsten Schritte“ zu unternehmen.

Die USA verfügen bereits über umfangreiche Seestreitkräfte in der Region und haben nach eigenen Angaben zweimal auf Israel gerichtete Raketen und Drohnen der Houthi abgefangen.

Während sich der Krieg ausweitet, setzt Israel seine Massaker und ethnischen Säuberungen an den Palästinensern in Gaza fort. Nach den neuesten Zahlen des Gesundheitsministeriums wurden 13.300 Menschen getötet, darunter fast 5.600 Kinder und 3.550 Frauen.

Die Angriffe auf Krankenhäuser, Schulen und Flüchtlingslager dauern an. Hani Mahmoud von Al Jazeera kommentiert, dass diese Angriffe „im Moment ein Trend zu sein scheinen“. Nach Angaben der UNO wurden seit dem 7. Oktober 176 Menschen getötet und 800 verwundet, die in Schulgebäuden Schutz suchten.

Im Fokus der Angriffe steht jüngst das indonesische Krankenhaus im äußersten Norden des Gazastreifens. Beim Beschuss von Sonntagnacht bis Montagmorgen wurden 12 Menschen, darunter auch Patienten, getötet und zahlreiche verletzt. Das Gesundheitsministerium warnte, dass Hunderte von Zivilisten, darunter Patienten und medizinisches Personal, „infolge des direkten und wiederholten Bombardements des indonesischen Krankenhauses in Lebensgefahr schweben“. Panzer haben die Anlage umstellt, und Bombenschäden an Stromgeneratoren haben bereits zu einem Stromausfall geführt.

Mit weiteren Luftangriffen wurden auch die Flüchtlingslager Dschabaliya und Nuseirat angegriffen. Die IDF bereitet sich darauf vor, im südlichen Gazastreifen mit demselben Ausmaß an Tod und Zerstörung zu wüten wie schon in Gaza-Stadt und der Umgebung im Norden. Letzte Woche forderte die IDF die Bewohner der südlichen Stadt Khan Younis - der größten Stadt im südlichen Gazastreifen - auf, diese zu verlassen. Rund 1 Million Menschen, die aus dem Norden geflohen sind, finden dort derzeit Zuflucht, fast das Fünffache der üblichen Einwohnerzahl der Stadt.

Schon hat es Angriffe auf den Süden des Gazastreifens gegeben, in dem rund ein Drittel aller palästinensischen Todesopfer zu beklagen sind, und sie sollen noch verstärkt werden. Der ehemalige Leiter des israelischen Sicherheitsrates, Giora Eiland, sagte gegenüber Reuters zu den geplanten Operationen: „Es wird wahrscheinlich mehr zivile Opfer geben. Das wird uns nicht davon abhalten, weiterzumachen.“

Am Montagmorgen wurden bei israelischen Luftangriffen in Hamad, nordwestlich von Khan Yunis, Dutzende von Menschen getötet, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Separate IDF-Angriffe fanden in der Stadt Bani Suhaila östlich der Stadt statt.

Zwei Drittel der Bevölkerung des Gazastreifens sind bereits vertrieben worden. Die humanitären Bedingungen im Gazastreifen verschlechtern sich zusehends, da eine große Zahl von Menschen auf immer kleinerem Raum zusammengepfercht ist. Nach Angaben des Euro-Mediterranean Human Rights Monitor leiden 90 Prozent der Kinder an gesundheitlichen Problemen wie Unterernährung, Anämie und geschwächtem Immunsystem. Die Organisation berichtet, dass die IDF landwirtschaftliche Flächen und Einrichtungen, Mehlsilos, Fischerboote und UN-Hilfszentren angegriffen haben.

Seit dem 7. November ist keine einzige Bäckerei mehr funktionsfähig, 11 sind zerstört, und in den anderen fehlt es an Mehl, Brennstoff und Strom.Nach Angaben der UN wurden in den UN-Unterkünften 44.000 Fälle von Durchfallerkrankungen und 70.000 akute Atemwegsinfektionen registriert - ein Bruchteil der tatsächlichen Gesamtzahl.

Der Bewohner des Gazastreifens, Renad al-Helou, sagte gegenüber Al-Monitor: „Es ist wie die Apokalypse. Wir sind müde. Es gibt kein Wasser, kein Essen. ... In Gaza gibt es nichts mehr. Es gibt nur Zerstörung, Leid und Folter.“

Unterstützt von ihren rechtsextremistischen Verbündeten unter den Siedlern verstärken die IDF auch ihre Angriffe im Westjordanland. Seit dem 7. Oktober wurden dort rund 200 Palästinenser getötet - zusätzlich zu den 250 Toten im Jahr 2023 - und über 1.000, darunter 450 Kinder, durch Gewalt oder repressive Einschränkungen vertrieben; sechs Gemeinden wurden ganz aufgegeben, so dass sich die Gesamtzahl in diesem Jahr auf 11 erhöht hat. Die Zahl der gewalttätigen Vorfälle durch Siedler hat sich von drei auf sieben pro Tag mehr als verdoppelt.

Die IDF hat ganze Gemeinden unter Belagerung gestellt. In Hebron, im Stadtteil H2, in dem 39.000 Palästinenser leben und der von 900 israelischen Siedlern besetzt ist, herrscht die härteste Abriegelung seit 20 Jahren, wobei die Palästinenser größtenteils mit Waffengewalt in ihren Häusern eingesperrt sind. Ein Soldat, der eine Betäubungsgranate in eine Gebetsgemeinschaft in einer Moschee in Budrus bei Ramallah geworfen hatte, wurde erst suspendiert, nachdem Videomaterial von dem Angriff aufgetaucht war.

Seit dem 7. Oktober sind im Westjordanland rund 2.800 Palästinenser verhaftet worden, so dass sich die Gesamtzahl auf 7.800 erhöht hat, darunter 300 Kinder und 72 Frauen, wie die Kommission für Gefangenenangelegenheiten der Palästinensischen Behörde mitteilte. Die Organisation berichtet, dass in den letzten Wochen mindestens vier Personen in Haft gestorben sind, und dass bei Hunderten von Personen medizinische Anzeichen von Folter vorliegen.

Die Nachrichtenagentur Reuters hat ein Video von Anfang des Monats bestätigt, das zeigt, wie maskierte IDF-Soldaten in Hebron einen Palästinenser verhaften und vor den Augen seiner Familie mit ihren Gewehren verprügeln, während sie den Angriff auf TikTok streamen.

Die Militäraktionen werden ausgeweitet. Am Samstag traf ein israelisches Kampfflugzeug zum ersten Mal seit der Zweiten Intifada ein Ziel in Nablus und tötete fünf Menschen.

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