Medialer Entrüstungssturm über Gaza-Protest in der Sydney Theatre Company

Drei Schauspieler der Sydney Theatre Company (STC) in Australien sehen sich seit letzter Woche einer regelrechten Hexenjagd der dortigen Medien und pro-israelischen Propagandisten ausgesetzt, weil sie während einer Zugabe der Inszenierung von Anton Tschechows klassischem Drama „Die Möwe“ (19. Jahrhundert) die Kufiya – das palästinensische Tuch - trugen.

Die Sydney Theatre Company-Schauspieler Mabel Li (links), Harry Greenwood (rechts) und Megan Wilding (zweite von rechts) mit Kufiya zum Schluss von Tschechows „Die Möwe“ [Photo: Instagram]

Mit dem Tragen der Kufiya zum Ende der Vorstellung zeigten die Schauspieler Mabel Li, Megan Wilding und Harry Greenwood ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk und leisteten einen mutigen Beitrag zu den weltweiten Protesten gegen Israels Kriegsverbrechen im Gazastreifen.

Der Dramatiker Andrew Upton, Ehemann der Schauspielerin Cate Blanchett, hatte das Theaterstück „Die Möwe“ adaptiert. Beide sind ehemalige Kreativdirektoren der Theatergruppe. Blanchett gehörte zu den ersten international bekannten Schauspielern und Musikern, die Anfang letzten Monats in einem offenen Brief einen Waffenstillstand für den Gazastreifen forderten.

Greenwood, Sohn des Schauspielers Hugo Weaving, der Mitglied des STC-Vorstands ist, teilte später ein Instagram-Video von der Solidaritätsgeste. Es wurde auch von Li geteilt, und sie zitierte dabei die große Nina Simone, die afroamerikanische Singer-Songwriterin und mutige Kämpferin für soziale Gerechtigkeit: „Die Pflicht eines Künstlers ist es meiner Meinung nach, die Zeit zu reflektieren.“

Greenwood, Li und Wilding hatten bereits am 11. November einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie die australische Labor-Regierung wegen ihrer Weigerung kritisierten, von der israelischen Regierung zu verlangen, dass sie „ihr Militär aus dem Gazastreifen abzieht, die Bombardierung des Gazastreifens einstellt und die Blockade, die den Gazastreifen von Wasser, Strom und Medikamenten abschneidet, sofort beendet'.

Das Schreiben unterstützte auch die Forderung des palästinensischen Gewerkschaftsbundes nach globalen Gewerkschaftsaktionen, um „jegliche Komplizenschaft zu beenden und die Bewaffnung Israels einzustellen“. Es verurteilte „das Schweigen und die Einschüchterung, die unsere Mitglieder erfahren, wenn sie ihre Unterstützung für Palästina zum Ausdruck bringen oder darüber berichten“.

Weniger als 24 Stunden nach der Solidaritätsaktion in der Theatervorstellung liefen Australiens bürgerliche Medien bereits auf Hochtouren, um die jungen Schauspieler zu dämonisieren. Allen voran wiederholten die Murdoch-eigenen Publikationen und sein Sender Sky News die Denunziationen führender Zionisten und anderer rechter Persönlichkeiten. Einige forderten die Entlassung der Schauspieler und eine formelle Entschuldigung des STC.

Die australischen Medien und pro-israelische Lobbyisten behaupteten, die Solidaritätsgeste der Schauspieler sei ein empörender „politischer Trick“ gewesen, der „den Antisemitismus angeheizt“ habe. Sie erklärten, die Kufiya sei ein „Symbol des Hasses“ und verstöre die jüdischen Theaterbesucher.

Die Hexenjagd ging den Rest der Woche mit einer ständigen Flut grober Verleumdungen weiter. Zwei pro-israelische Mitglieder des elfköpfigen Stiftungsvorstands des STC traten aus Protest gegen die Geste der Schauspieler zurück. Es folgten Äußerungen wohlhabender pro-israelischer Wirtschaftsbosse, die einen wirtschaftlichen Boykott der Theatergruppe forderten.

Der Vorsitzende der Anti-Defamation Commission, Dr. Dvir Abramovich, verurteilte den Protest der Schauspieler als „unmoralischen Akt, der die Glut der Zwietracht anfacht und die Flammen der antijüdischen Feindseligkeit schürt“.

Keren Miller, Mitverfasserin einer Petition, in der eine formelle Entschuldigung gefordert wird, sagte den Medien: „Unser geschützter Raum, ein Theater, das Gemeinschaften zusammenbringen soll, wurde stattdessen als Plattform für eine politische Agitation benutzt, die nur darauf abzielt, zu spalten und zu entfremden.“

Der pro-zionistische Senator der New South Wales Liberal Party, Dave Sharma, erklärte ignorant, dass Kunst und Theater nicht darauf abzielen sollten, „Menschen zu entfremden“, sondern „zusammenzubringen“.

Das Theater sei nicht der Ort, betonte er, „um solche offen politischen Botschaften zu übermitteln. Das ist wenig hilfreich und untergräbt den sozialen Zusammenhalt.“

Diese reaktionären Statements fordern faktisch das Verbot aller offenen Kommentare zu Israels illegaler militärischer Bombardierung des Gazastreifens und seiner 75-jährigen Enteignung und ethnischen Säuberung der Palästinenser.

Im Interesse des „sozialen Zusammenhalts“ soll der Berg von Lügen, Desinformationen und pro-israelischen Militärargumenten kritiklos hingenommen werden. Derweil rechtfertigt die Propaganda das Abschlachten von bisher schätzungsweise 20.000 Palästinensern, die Hälfte davon Kinder.

Das STC-Management war nicht bereit, diese antidemokratischen Angriffe anzufechten. Stattdessen bemühte es sich nach kräften, die Zionisten und die bürgerlichen Medien zu beschwichtigen.

Ein STC-Sprecher gab am 26. November eine Erklärung ab, in der er die Handlungen der Akteure dementierte und jegliche Vorkenntnisse über den Protest leugnete. Dies reichte dem rechten Lynchmob jedoch nicht, und es wurde eine offizielle Entschuldigung gefordert. Das STC gehorchte sklavisch, gab am 29. November eine weitere Erklärung ab und sagte plötzlich eine geplante Abendaufführung des Stücks ab.

Das STC bedauerte „zutiefst“, dass der Protest der Schauspieler und seine unmittelbare Reaktion auf die Angelegenheit „Schaden“ verursacht hätten.

„Wir unterstützen die freie Meinungsäußerung des Einzelnen, glauben aber, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht unsere Verantwortung für die Schaffung sicherer Arbeitsplätze und Theater ersetzt“, hieß es - ohne dass in einem einzigen Hinweis auf die Massenmorde in Gaza hingewiesen wurde. Die STC lieferte keine Erklärung dafür, auf welche Weise das Tragen einer Kufiya gegen ihre „Verantwortung für die Schaffung sicherer Arbeitsplätze“ verstoße.

Die Gewerkschaft der australischen Medienschaffenden, die Media Entertainment and Arts Alliance (MEAA), veröffentlichte eine fade und oberflächliche Erklärung, in der sie das „Recht der STC-Schauspieler auf Meinungs- und Redefreiheit“ befürwortete und erklärte, sie werde „alle Mitglieder unterstützen, denen Disziplinarmaßnahmen drohten, weil sie einfach nur dieses Recht ausübten“. Sie rief ihre Mitglieder jedoch nicht dazu auf, gegen die Medienkonzerne und die zionistische Hexenjagd gegen diese jungen Schauspieler vorzugehen und ihre Grundrechte zu verteidigen.

Zahlreiche wütende Künstler und langjährige STC-Unterstützer haben die „Entschuldigung“ der STC angeprangert und ihre Instagram-Seite mit Kommentaren gespickt.

Einer schrieb: „Wir geben jeden Tag politische und soziale Kommentare auf der Bühne ab. Man kann von Schauspielern nicht verlangen, dass sie schweigen und keine Meinung äußern, wenn es ihre Aufgabe ist, die Welt zu reflektieren. Ich bin stolz auf diese Schauspieler und schaue mir nächste Woche „Die Möwe“ an, um sie zu unterstützen. Ich wünschte, die STC würde sich nicht entschuldigen, sondern stattdessen applaudieren.“

Ein anderer meint: „Ich stehe an der Seite von Künstlern, die dafür einstehen, woran sie glauben, und die keine Angst davor haben, IHR DEMOKRATISCHES RECHT auf friedlichen Protest auszuüben. Meinungs-, Gedanken-, Rede- und Protestfreiheit sind wesentliche Aspekte einer gesunden und voll funktionierenden Gesellschaft. Dass eine Einrichtung wie die STC (mit allem, was sie repräsentiert) eine solche Haltung einnimmt, zeigt das wahre Wesen derjenigen, die in einflussreichen und mächtigen Positionen sitzen, die sich hinter dem Deckmantel der ‚Integration‘, ‚Repräsentation‘ und ‚Vielfalt‘ verbergen.“

Ein Dritter schrieb: „Die Menschen, die Palästina unterstützen, sind die normalen Menschen. Solche, die sich darüber beschweren, sind diejenigen in Machtpositionen. Das ist es, was mir Angst macht. Die Mächtigen und Reichen versuchen erneut, unsere Grundrechte in Frage zu stellen.“

Einen Tag später löschte die STC alle Kommentare von ihrem Instagram-Konto. Damit gab sie der Pro-Israel-Lobby ein weiteres unterwürfiges Signal.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass Aborigine-Schauspieler, die an einer gemeinsamen STC- und Moogahlin Performing Arts-Produktion von „The Visitors“ beteiligt waren, am Ende aller Abendvorstellungen in Canberra und Geelong im November ebenfalls mutig die Palästinenser verteidigt hatten.

Ihr leidenschaftlicher Appell, der hier zu sehen ist, ist ein weiterer Beweis dafür, dass Tausende von Schauspielern und anderen Kulturschaffenden entschlossen sind, ihre Stimme zur Unterstützung der Palästinenser zu erheben, und sich nicht von den Medienkonzernen und zionistischen Drohungen einschüchtern lassen werden. In dem von Jane Harrison geschriebenen und von Robin Wright inszenierten Stück geht es um die imaginäre Reaktion von sieben Clanchefs der Aborigines auf die Ankunft der ersten britischen Sträflingsflotte in Sydney im Jahr 1788.

Die eindringliche Erklärung des gesamten Schauspieler-Kollektivs von „The Visitors“, stellt einen direkten Zusammenhang zwischen der Vertreibung der Palästinenser und der brutalen Enteignung und anhaltenden Unterdrückung der indigenen Bevölkerung Australiens durch den britischen und australischen Imperialismus her.

In der dreiminütigen Ansprache wurden die Zuhörer aufgefordert, sich gegen den Völkermord im Gazastreifen auszusprechen und eine Petition zu unterzeichnen und in Umlauf zu bringen, die einen sofortigen Waffenstillstand fordert.

„Wir Darsteller stehen als Kollektiv zusammen, um denjenigen unsere Liebe zu senden, die gerade jetzt, in diesem Moment, massiv unterdrückt werden. Es ist wirklich schockierend. Von unserem Ende der Welt aus wollten wir sagen, dass wir auf euch schauen. ... Wir weigern uns, den Blick von den Müttern, Vätern, Familien und Gemeinschaften abzuwenden, die auseinandergerissen werden, insbesondere von den Kindern.“

Weiter heißt es dort: „Wir können nicht anders, als die Parallelen zwischen unserer und ihrer Geschichte zu sehen. Deshalb stehen wir hier und teilen unsere Trauer mit der Situation in Gaza, denn wenn es etwas gibt, das wir gut können, dann ist es zu trauern.“

Luke Carrol und Elaine Crombie in „The Visitors“ [Photo: Sydney Theatre Company/Daniel Boud]

Elaine Crombie, die an der Entwicklung des Stücks mitgewirkt hatte, sagte am 30. November gegenüber ABC: „Es hat mir das Herz gebrochen, und ich dachte nur: Wir müssen etwas tun. Wir machen dieses Stück, das von dem Tag handelt, bevor die [britischen] Siedler kamen. Wir kennen die Geschichte, wir wissen, wie es für die betroffenen Menschen enden wird.“

Zu der Entschuldigung der STC bei der zionistischen Lobby sagte Elaine Crombie: „Als ich sah, dass sich die STC entschuldigt hatte, fragte ich mich: ‚Was soll das?‘ Ich konnte es nicht verstehen, ich konnte es nicht fassen. ‚Bereuen Sie es etwa, dass Sie diese drei Schauspieler, diese individuellen Denker, diese Aktivisten engagiert haben?‘ … Kunst ist politisch. Ich kann einfach nicht glauben, dass sie so etwas sagen würden.“

Wir fordern Schauspieler und alle anderen Kreativschaffenden, die entschlossen sind, sich gegen Fehlinformationen, Lügen und schikanöse Drohungen zur Wehr zu setzen, dazu auf, sich mit der World Socialist Web Site in Verbindung zu setzen, um zu klären, wie dieser Kampf fortgesetzt werden kann.

Aktualisierung: Inzwischen ist die zionistische Hetze gegen die Schauspieler in der Öffentlichkeit auf so großen Widerstand gestoßen, dass Australiens pro-israelisches Establishment sich zum Rückzug gezwungen sah. Am Montagabend verurteile die prominente Buchverlegerin Louise Adler die Hexenjagd in einem Interview mit der Australian Broadcasting Corporation und nahm die angegriffenen Schauspieler in Schutz.

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