Genozid in Gaza: Baerbock und Cameron stärken Netanyahu den Rücken

Die israelische Regierung verübt ihren Genozid an den Palästinensern auch weiterhin mit der vollen Unterstützung der deutschen und britischen Regierung. Das bestätigt ein Gastkommentar, den die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und ihr britischer Amtskollege David Cameron gemeinsam in der britischen Sunday Times veröffentlicht haben.

Annalena Barbock und David Cameron [Photo by Die Grünen NRW / Lauren Hurley, No 10 Downing Street / CC BY-SA 2.0]

Der Artikel trägt die Überschrift „Warum das Vereinigte Königreich und Deutschland einen dauerhaften Waffenstillstand unterstützen“ und wird von den internationalen Medien als Bemühen um eine Waffenruhe dargestellt. Tatsächlich stellt er der israelischen Regierung einen Freibrief aus, ihr völkermörderisches Wüten hemmungslos fortzusetzen.

Baerbock und Cameron sind sich bewusst, dass sich das brutale Vorgehen der israelischen Armee nicht mehr bemänteln lässt. Die ganze Welt verfolgt mit Entsetzen, wie Gaza in eine Hölle verwandelt wird, wie die Zahl der Toten, Verletzten, Kranken und Hungernden Tag für Tag wächst und ganze Wohnviertel, Krankenhäuser und Schulen in Trümmer gelegt werden.

Deshalb vergießen die beiden Außenminister eingangs einige Krokodilstränen: „Als Eltern bricht es uns das Herz, dass so viele Kinder getötet oder verwundet wurden. Jeder Tod eines Unschuldigen am und seit dem 7. Oktober ist eine Tragödie. Die Familien trauern. Die Gemeinden stehen unter Schock. Die Region befindet sich in einer Krise. Keiner von uns möchte, dass dieser Konflikt auch nur einen Moment länger als nötig andauert.“

Doch dann sprechen sie sich ausdrücklich gegen eine Beendigung des Völkermords aus: „Aber unser Ziel kann nicht einfach ein Ende der Kämpfe heute sein. Es muss ein Frieden sein, der über Tage, Jahre und Generationen anhält. Wir unterstützen daher einen Waffenstillstand, aber nur, wenn er dauerhaft ist.“

Um keine Zweifel aufkommen zu lassen, betonen sie nochmals: „Aber lassen Sie uns deutlich werden. Wir glauben nicht, dass der Aufruf zu einem allgemeinen und sofortigen Waffenstillstand, in der Hoffnung, dass er irgendwie dauerhaft wird, der richtige Weg ist.“

Unter einem „dauerhaften Waffenstillstand“ verstehen Baerbock und Cameron einen Frieden auf den Knochen der Palästinenser, eine Waffenruhe auf dem Friedhof. Sie bekennen sich ausdrücklich zur Vernichtung der Hamas, dem Kriegsziel Netanyahus, der darunter die Eliminierung und Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland versteht.

„Stellen wir uns vor, wir würden Israel dazu drängen, alle militärischen Operationen sofort einzustellen. Würde die Hamas den Raketenbeschuss einstellen? Würde sie die Geiseln freilassen? Würde sich ihre mörderische Ideologie ändern?“, schreiben sie. „Schon vor dem 7. Oktober war es schwer, sich die Hamas als echten Partner für den Frieden vorzustellen. Nach dem 7. Oktober dürfen wir uns keine Illusionen mehr machen. Die Hamas in Gaza an der Macht zu lassen, wäre ein dauerhaftes Hindernis auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung.“

Der Artikel endet mit der scheinheiligen Mahnung, Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, müsse sich aber „an das humanitäre Völkerrecht halten”, dem Versprechen, den Palästinensern etwas mehr Hilfe zukommen zu lassen, während sie abgeschlachtet werden, und einem „an unsere arabischen Partner“ gerichteten Appell zur Zusammenarbeit. Das bedeutet, dass Baerbock und Cameron eng mit dem ägyptischen Diktator Abdel Fattah al-Sisi, dem saudischen Herrscher Mohammed bin Salman und anderen autoritären Machthabern in der Region zusammenarbeiten wollen, um den Palästinensern den Hals umzudrehen.

Wären sie wirklich an einem Waffenstillstand oder Frieden interessiert, könnten sie und die USA, mit denen sie eng zusammenarbeiten, die israelische Regierung sofort stoppen. Sie müssten ihr nur den Geldhahn zudrehen und ihre Waffenlieferungen einstellen.

Doch Netanyahu weiß, dass er nichts zu befürchten hat. Washington, Berlin und London stehen uneingeschränkt hinter ihm. Er reagierte auf die Mahnungen, mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen, indem er trotzig erklärte: „Wir sind entschlossener denn je, bis zum Ende weiterzumachen, bis wir die Hamas vernichtet haben.“ Der Krieg werde bis zum „totalen Sieg“ weitergehen.

Die USA, Deutschland und Großbritannien haben Israel jahrzehntelang militärisch aufgerüstet und als Brückenkopf für ihre imperialistischen Interessen im Nahen Osten benutzt. Nun haben sie ihren Kampfhund von der Leine gelassen und versuchen, sich von seinen schlimmsten Gräueltaten zu distanzieren, ohne ihn im Geringsten zu bremsen.

Die Niederwerfung des palästinensischen Widerstands ist für sie ein wichtiger Schritt, um ihre Vorherrschaft im Nahen Osten wiederherzustellen, die nach den desaströsen Kriegen in Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien schwer gelitten hat. Sie drängen darauf, den Gazakrieg nicht zu sehr in die Länge zu ziehen, damit er nicht zu viele militärische Kräfte bindet, die für eine Ausdehnung des Kriegs gegen den Libanon, den Jemen und den Iran benötigt werden. Laut einem Bericht des Guardian drängt die US-Regierung darauf, die größten Militäroperationen bis Ende Dezember abzuschließen.

Deshalb geht Israel trotz der humanitären Katastrophe immer brutaler und rücksichtsloser gegen die Palästinenser vor. So sind im Flüchtlingslager Jabalia, das im Norden des Gazastreifens liegt und bereits mehrmals Ziel furchtbarer Luftangriffe wurde, allein gestern wieder 110 Zivilisten getötet worden. Im Süden, wo die meisten Flüchtlinge leben, ist die Lage unerträglich geworden. Es gibt keinen sicheren Ort, viele bekommen tagelang kein Essen und es drohen schwere Seuchen.

Die imperialistischen Mächte sind bereits dabei, die nächste Kriegsfront zu organisieren. Die USA verhandeln mit den Niederlanden, Deutschland und anderen Ländern über einen Marineeinsatz im Roten Meer, nachdem Huthi-Milizen, die einen Teil Jemens kontrollieren und mit dem Iran verbündet sind, aus Solidarität mit den Palästinensern Handelsschiffe beschädigt haben.

Das Rote Meer, die kürzeste Strecke zwischen Europa und Asien, zählt zu den wichtigsten Handelsrouten der Welt. 12 Prozent des weltweiten Handelsvolumens und 30 Prozent des Containerverkehrs passieren sie. Mehrere große Redereien haben den Verkehr inzwischen eingestellt und benutzen den wesentlich längeren Weg rund um Afrika.

Die Bundesregierung prüft derzeit eine deutsche Beteiligung an dem Einsatz. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat sich bereits dafür ausgesprochen. „Wir müssen den Terroristen jeder Couleur entschieden die Stirn bieten,“ begründete sie ihre Entscheidung.

Auch im Libanon spitzt sich die Lage zu, wo sich Israel immer wieder Luftangriffe gegen die mit Iran verbündeten Hisbollah, eine der größten Parteien des Landes, fliegt und mit einem Angriff auf das ganze Land droht. Außenministerin Baerbock sprach letzte Woche mit dem Mitglied des israelische Kriegskabinetts, Benny Gantz, telefonisch über eine Zusammenarbeit gegen die Hisbollah. Sie gab dem libanesischen Außenminister Abdallah Bou Habib, der sie am Freitag in Berlin besuchte, entsprechende Warnungen mit auf den Weg.

Weit davon entfernt, sich für einen „dauerhaften Waffenstillstand“ einzusetzen, arbeiten Baerbock und Cameron daran, den Krieg im Nahen Osten zu eskalieren. Für sie ist der Nahe Osten nach der Ukraine eine weitere Front in einem sich anbahnenden dritten Weltkrieg, der sich gegen Russland und vor allem gegen China richtet.

Es ist bezeichnend für die Rechtsentwicklung der Grünen, dass die grüne deutsche Außenministerin in diesen Fragen mit dem rechtskonservativen Tory David Cameron, der von 2010 bis 2016 britischer Premierminister war, vollkommen übereinstimmt.

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