Berlin: Polizeiterror gegen linke Frauengruppe wegen Palästina-Solidarität

Die Repression gegen Unterstützer der palästinensischen Bevölkerung und Gegner des Genozids in Gaza hat eine neue Qualität erreicht. Wegen eines Instagram-Beitrags, der sich mit Palästina solidarisierte und die Hamas kritisierte, und Flugblättern gleichen Inhalts ging die Berliner Polizei letzte Woche massiv gegen linke und migrantische Organisationen vor, vor allem gegen die Frauengruppe „Zora“, die der maoistischen Gruppe „Young Struggle“ nahe steht. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) verurteilt diesen Angriff auf demokratische Rechte aufs Schärfste und ruft zum Protest dagegen auf.

Am 20. Dezember führten rund 170 Einsatzkräfte Razzien in insgesamt acht Objekten in Berlin durch. Im Rahmen von zwei Ermittlungsverfahren wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ durchsuchten Beamte des Polizeilichen Staatsschutzes des Landeskriminalamtes mit Unterstützung von zwei Einsatzhundertschaften sechs Privatwohnungen, das Café „Karanfil“ in Berlin-Neukölln und das „Interbüro“ in Berlin-Wedding. Zur Begründung erklärte die Berliner Polizei in einer Pressemitteilung: „Die insgesamt sechs Beschuldigten, fünf davon (vier Frauen und ein Mann im Alter zwischen 18 und 23 Jahren) mutmaßlich der Gruppe ‚Zora‘ angehörend, stehen im Verdacht, Propaganda für die – als terroristisch eingestufte – ‚Volksfront für die Befreiung Palästinas‘ (PFLP) betrieben zu haben.“

In dem Post vom 12. Oktober solidarisiert sich die junge Frauenorganisation mit „allen revolutionären palästinensischen Befreiungskämpfer:innen und dem palästinensischen Volk“. Entscheidend für den Tatvorwurf der Propagandaverbreitung soll dabei der Aufruf sein, „die fortschrittlichen Kräfte, wie zum Beispiel die PFLP, die auch Teil des palästinensischen Widerstandes sind, zu stärken“. Denn man sei sich bewusst, „dass die Hamas kein Interesse daran hat, das Patriarchat zu zerschlagen“.

Die bewaffneten und mit Sturmhauben maskierten Polizisten beschlagnahmten bei den jungen Frauen „internetfähige Kommunikationsgeräte und Datenträger“ sowie Flugblätter. Dies, obwohl überhaupt nicht strittig war, dass Zora die Flugblätter und den Instagram-Post verfasst hatte und welchen Inhalt sie hatten. Die Razzien dienten somit in keiner Weise irgendeiner Beweissicherung, sondern ausschließlich der Einschüchterung kritischer Stimmen.

Außerdem wurde die Wohnung eines 67-jährigen Mannes durchsucht, der nicht Teil der Gruppe Zora ist. Ihm wurde vorgeworfen, auf Facebook das PFLP-Symbol mit der Bildzeile „Der Märtyreranführer Hassan Mahmoud Saleh Al-Mahmoud“ gepostet zu haben. Bei ihm stellte die Polizei laut eigenen Angaben „Pyrotechnik im zweistelligen Kilogrammbereich“ sicher und beschlagnahmte eine geladene Schreckschusswaffe sowie Munition.

Beim gern von insbesondere kurdischen Migranten besuchten Café Karanfil, wo in der Vergangenheit Veranstaltungen der Gruppe Zora stattgefunden hatten, forderte die Polizei laut Aussage des Betreibers erst Einlass, brach dann aber einfach das Schloss auf und verwüstete die Einrichtung. Gefunden worden sei nichts, und obwohl der Betreiber den Beamten die Codes für Laptops zur Suche nach Beweismitteln gegeben habe, seien diese und das Kassensystem trotzdem von den Beamten beschlagnahmt worden, so ein Bericht des nd. Auch hier wird klar, dass es bei dem Vorgehen ausschließlich um die Einschüchterung Andersdenkender ging.

Nach Aussage der Polizei wurde ihr Einsatz zwar von einem Ermittlungsrichter abgesegnet. Wie ein solcher Beschluss zustande kam, ist allerdings juristisch nicht nachvollziehbar. Begründet wurde der Einsatz offiziell mit dem „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“, § 86a StGB. Zwar steht die PFLP auf einer offiziellen „Terrorliste“ der EU. Allerdings wird mit der bloßen Aussage, sie wäre „fortschrittlich“ und solle „gestärkt“ werden, kein „Kennzeichen“ von ihr verbreitet. Unter „Kennzeichen“ werden üblicherweise sichtbare oder hörbare Symbole bzw. Parolen verstanden, deren sich die Organisationen bedienen oder bedient haben, um propagandistisch auf ihre politischen Ziele hinzuweisen. Dass Zora Symbole oder Parolen der PFLP verwendet haben soll, behauptet nicht einmal die Polizei selbst in ihrer offiziellen Mitteilung.

Trotz der fehlenden Rechtsgrundlage und der offensichtlichen Maßlosigkeit des Einsatzes wurde dessen Begründung von fast allen deutschen Medien unkritisch übernommen: „Razzia wegen Unterstützung palästinensischer Terrorgruppe“ hieß es in einer von zahlreichen deutschen Medien verbreiteten dpa-Meldung, in Medien des Springer-Konzerns war sogar fälschlich von „Hamas-Bezug“ (Welt) die Rede bzw. wurde Zora gleich als „terroristisch“ (Bild) verleumdet.

Das mediale und polizeiliche Vorgehen gegen die Frauengruppe ist Teil eines umfassenden Angriffs auf demokratische Grundrechte. Jede Kritik an dem israelischen Völkermord in Gaza und jede Solidarität mit den unterdrückten Palästinensern wird brutal unterdrückt. Demonstrationen werden verboten oder unter umfassende Sprechverbote gestellt. Wer Räume für kritische Veranstaltungen zur Verfügung stellt, dem werden Verträge und Mittel gestrichen, wie dem Berliner Kulturzentrum Oyoun. An Schulen werden kritische Schüler drangsaliert und an den Universitäten Veranstaltungen zensiert.

Mit den aktuellen Razzien haben diese Angriffe einen weiteren Höhepunkt erreicht. Die Herrschenden sind sich sehr bewusst darüber, dass ihre Politik des Völkermords, des Kriegs und der sozialen Verwüstung auf tiefe Ablehnung in der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung trifft. Das ist der Grund, weshalb sie immer rücksichtsloser vorgehen und zu diktatorischen Methoden greifen.

Aber es zeigt auch, dass sie gestoppt werden können, wenn diese große Mehrheit mobilisiert und international mit einem sozialistischen Programm vereint wird, das sich nicht nur gegen den Krieg, sondern gegen seine Wurzel, den Kapitalismus richtet. Die demokratischen Grundrechte können nur von einer solchen Bewegung der internationalen Arbeiterklasse verteidigt werden.

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